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Brexit: "Wir wollen, dass es endlich mit dem Brexit losgeht"


EU-Skeptiker in Stoke-on-Trent
Wo sich die Menschen nach dem Brexit sehnen

Von dpa
27.03.2018Lesedauer: 3 Min.
Straßenszene in Stoke-on-Trent: Viele Menschen glauben, dass es ihnen ohne EU besser gehen wird.Vergrößern des BildesStraßenszene in Stoke-on-Trent: Viele Menschen glauben, dass es ihnen ohne EU besser gehen wird. (Quelle: Ute Dickerscheid/dpa-bilder)
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In einem Jahr, am 29. März 2019, soll Großbritannien die Europäische Union verlassen. Die Verhandlungen lahmen jedoch, das nervt die Menschen in der Brexit-Hochburg Stoke-on-Trent. Sie wollen raus, am besten sofort.

David Creasey nerven die zähen Verhandlungen zwischen Großbritannien und der Europäischen Union. Der Pensionsbesitzer sagt: "Die Leute wollen, dass es endlich mit dem Brexit losgeht." Creasy lebt in Stoke-on-Trent. In keiner britischen Stadt stimmten mehr Menschen, fast 70 Prozent, dafür, dass ihr Land die EU verlassen soll. In einem Jahr, am 29. März 2019, wird es soweit sein: Großbritannien wird aus der Staatengemeinschaft austreten.

Stoke-on-Trent war nie eine besonders schöne Stadt. Vor vielen Jahren begann dann, die Wirtschaft zusammenzubrechen. Die Kohle- und Stahlbetriebe der Stadt sowie viele Töpfereien mussten schließen. Auch weil in anderen Ländern billiger produziert wurde. Heute sind viele Geschäfte in der Innenstadt verrammelt. In maroden Häusern stehen Wohnungen leer. Obdachlose schlafen in Müllcontainern.

Der EU-Austritt ist für viele der Menschen hier ein Aufschrei, ein Mittel, wieder gehört zu werden. "Würde es ein zweites Brexit-Referendum geben, dann wäre das Ergebnis in Stoke-on-Trent wieder so eindeutig", sagt Creasey. In vielen britischen Gemeinden stimmten die Bürger deutlich uneindeutiger ab. Insgesamt votierten 52 Prozent dafür, die EU zu verlassen.

Dass damals fast jeder zweite Brite dafür war, Teil der Staatengemeinschaft zu bleiben, und anschließend deutlich wurde, wie kompliziert und riskant der Ausstieg ist, lässt einige hoffen, dass die Briten ihre Entscheidung doch revidieren könnten. "Der Tag wird kommen, wenn Sie ihre Entscheidung bereuen", rief EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker vor wenigen Tagen im Europaparlament. "Der Brexit ist für uns alle schlecht", sagte der CDU-Europapolitiker Elmar Brok.

Seine Meinung teilen viele gemäßigte Politiker der Europäischen Union. Sie nennen das Brexit-Votum abwechselnd eine "Entscheidung ohne Gewinner", "ökonomischen Wahnsinn" oder ein "programmiertes Chaos". Doch Brexit-Hardliner wollen den Zweiflern keine Chance geben und die EU so schnell wie möglich verlassen. Die Politikerin der rechten Ukip-Partei sagte im EU-Parlament: "Das Vereinigte Königreich hat nicht den Wunsch, ein Vasallenstaat zu sein."

Eine wankelmütige Regierung in London

Viele Briten sehen den Brexit weniger radikal. Doch die langen und schwierigen Verhandlungen zwischen Großbritannien und der EU nerven auch sie. Grund dafür ist auch die wankelmütige Regierung in London. Auf der einen Seite stehen dort die polternden Hardliner um Außenminister Boris Johnson, auf der anderen kompromissbereite Politiker wie der Finanzminister Philip Hammond. Dazwischen regiert Premierministerin Theresa May. Seit der Unterhauswahl im vergangenen Juni hat sie nur eine kleine Mehrheit, bei den Verhandlungen muss sie deshalb Zugeständnisse machen.

So hat sie mehrere Forderungen der Brexit-Befürworter bereits aufgegeben. Keine weiteren Zahlungen an die Europäische Union? May stimmte zuletzt zu, fast 42 Milliarden Euro zu zahlen. Die Zuwanderung sofort begrenzen? Für EU-Bürger soll sich vorerst nichts ändern. Ein schneller, harter Bruch? Die britische Regierung hatte zuletzt eine zweijährige Übergangsfrist bis Ende 2020 vereinbart. In dieser Zeit muss Großbritannien weiter den Regeln der Staatengemeinschaft folgen, Geld an die EU zahlen, darf aber im EU-Parlament nicht mehr mitreden.

Und danach? Zuletzt bat May an, sich anschließend weitgehend an regulatorische Standards zu halten. Großbritannien will sich an Steuer-, Sozial- und Umweltregeln halten. Das ist notwendig, damit auch künftig die Wirtschaftsbeziehungen zur EU reibungslos laufen. Die Hoffnung vieler Brexit-Befürworter, sich nicht mehr an die Regeln der EU halten zu müssen, dürfte sich somit kaum erfüllen.

In den Brüsseler Gremien hoffen einige Politiker offenbar, Großbritannien im europäischen Binnenmarkt und in der Zollunion halten zu können. Das berichten Diplomaten. Die britische Wirtschaft wäre so eng mit der der EU verbunden. May lehnt das ab. Doch während der bisherigen Verhandlungen hat sie häufiger ihre Position geändert.

Was ändert sich für die Briten in Stoke-on-Trent, wenn sie ihr Freudenfeuerwerk am 29. März nächsten Jahres gezündet haben? "Es ist doch nicht normal, dass man zwei, drei Jobs haben muss, um überleben zu können", sagt ein Taxifahrer. "Und es geht nicht nur uns in Stoke-on-Trent so." Er hält die EU für einen Abzocker und May für inkompetent. Aber wer könnte die Premierministerin ersetzen? Außenminister Boris Johnson oder der erzkonservative Brexit-Befürworter Jacob Rees-Mogg? "Das sind doch alles Narren", sagt der Taxifahrer. "Das ist unser Problem: Wir haben keine vernünftige Alternative."

Verwendete Quellen
  • dpa
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