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Herrschen Frauen anders? "Merkel kann auch Angst und Schrecken verbreiten"


Herrschen Frauen anders?
"Merkel kann auch Angst und Schrecken verbreiten"

t-online, Nina Bürger

Aktualisiert am 20.07.2016Lesedauer: 5 Min.
Mächtige Frauen Europas: Angela Merkel und Theresa May.Vergrößern des BildesMächtige Frauen Europas: Angela Merkel und Theresa May. (Quelle: imago-images-bilder)
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Mit Theresa May ist eine weitere Frau an der Spitze Europas. Aber herrschen Frauen anders? Wir haben mit Jörg Abromeit, Polit-Coach und Geschäftsführer der Redeakademie GmbH gesprochen. Zu seinen Klientinnen zählen Ministerinnen auf Landesebene sowie weibliche Abgeordnete aus Bund und Ländern.

t-online.de: Machen Politikerinnen in ihrem Job etwas anders oder wird das in der Gesellschaft nur anders wahrgenommen?

Ich glaube, Politikerinnen haben einen anderen Ruf in der Öffentlichkeit als Politiker. Ich bin aber skeptisch, ob sie ihren Job generell anders machen. Wer sicherlich etwas anders macht, ist Angela Merkel. Bei ihr sieht man im politischen Vorgehen einen großen Unterschied zu ihren Vorgängern. Sie betreibt eine eher unaufgeregte und leise Politik.

Inwiefern?

Die dominanten Machtdemonstrationen eines Helmut Kohl oder eines Schröders erlebt man bei ihr nicht. Das heißt aber nicht, dass sie weniger machtbewusst wäre. Das erkennt man daran, dass sie alles, was Konkurrenz darstellen konnte, mehr oder weniger abgesägt hat.

Frau Merkel wäre in den Irak-Krieg gezogen und Theresa May ist für ihre strikte Einstellung zur Einwanderungspolitik bekannt. Agieren Frauen unter dem gesellschaftlichen Deckmäntelchen der "besonnenen Frau" knallhart?

Oder gucken Sie sich Maggie Thatcher an, die sogar in den Krieg gezogen ist, um für die Falklandinseln zu kämpfen – das war reine Machtdemonstration. Da kann man nicht sagen, Frauen würden keine Kriege führen. Nur der Stil nach außen ist oft anders. Wenn man Frau Merkel beguckt, hat sie eine ganz andere Art zu kommunizieren als sämtliche Vorgänger im Kanzleramt, aber auch diese Frau kann Angst und Schrecken verbreiten und das muss sie auch.

Wie beschreiben Sie diese Kommunikation?

Sie tritt sehr viel weniger dominant und viel überlegter auf. Sie hat eine ganz andere Sprache. Ich benenne das als hypnotische Sprachmuster: Es fällt einem sehr schwer, nach drei bis vier Sätzen wiederzugeben, was sie gerade gesagt hat. Sie neigt dazu, sich sehr wenig klar zu positionieren. Das einzige Mal, als sie das sehr deutlich und durchgängig gemacht hat, war in der Flüchtlingskrise.

Und war danach als Mutter Teresa auf dem "Spiegel"-Cover abgebildet.

Diese Bezeichnung "Mutti" hat sie ja auch nicht von ungefähr bekommen. Sie deutet auf eine andere Art hin, Macht auszuüben. Da denke ich an die Vorgänger Helmut Kohl und Gerhard Schröder oder auch Helmut Schmidt. Sie hatten alle drei etwas sehr Dominantes, schon Arrogantes. Das finden Sie bei Frau Merkel überhaupt nicht.

Was macht dann den politischen Erfolg von Frauen aus?

Frauen haben momentan in der Gesellschaft einen besseren Ruf als Männer. Männer wurden in der Vergangenheit in der Politik und an der Spitze der Gesellschaft sehr dominant wahrgenommen. Jeder Mensch aber, der an der Spitze von etwas steht, muss seine Macht aufgrund seines Statusverhaltens demonstrieren. Dieses Mütterliche von Angela Merkel deutet auf eine andere Facette von Machtbehauptung hin. Ich kann mich in der Gesellschaft auch sehr mütterlich positionieren. Dies tut Frau Merkel zum Beispiel indem sie versucht, sich über die Parteien zu stellen und indem sie sich nicht in Streitereien der Tagespolitik einmischt. Das kommt für den normalen Bürger präsidial rüber. Menschen, die wirklich mächtig sind, streiten sich nicht wie die Kesselflicker. Das macht auch keine Frau Merkel. Da sieht man auch eine große Diskrepanz zu ihrem Gegenkandidaten Herrn Steinbrück, der sich für keinen Streit zu schade war.

Was macht das Statusverhalten von Politikerinnen aus?

Das ist vor allem die Körpersprache. Auf alten Aufnahmen sieht man zum Beispiel wie Frau Merkel neben dem früheren Innenminister von Sachsen, Heinz Eggert, steht. Da scheint sie zusammengekauert, hat die Arme verschlungen und schaut schräg von unten nach oben. Das war in den 90er Jahren typisch für sie. Heute guckt sie ganz offen und macht eine gute Figur. Mächtige Menschen sind körperlich beherrscht, sie hampeln nicht. Und sie frieren ihre Mimik ein: Sie nicken wenig, grinsen nicht und lächeln wenig. Gerade das Lächeln und "zu nett" sein, wird Frauen nachgesagt. Das können sie sich aber nicht leisten, wenn sie etwas zu sagen haben. Auch wenn man eine Frau May anschaut, ist zu beobachten, wie wenig sie den Kopf bewegt, wenn sie redet. Das wirkt für den Zuschauer dann so, als würde die Person über ihm stehen. Ihre gesamte Haltung hat etwas Königliches.

Was beobachten Sie noch bei Ihrer Arbeit als Polit-Coach? Was machen Frauen anders?

Prozentual gesehen geben sich Frauen eher bescheiden als Männer. Das zieht sich durch alle Branchen und Altersklassen.

Auch eine Frau Merkel?

Sie ist quasi die Verkörperung der Bescheidenheit. In meiner Trainingswelt behaupte ich, Frau Merkel war zumindest früher auch mal die Verkörperung eines sogenannten "Tiefstatus" – eines Verhaltens, das teils schon unterwürfig wirkt. Und ich behaupte, dass sie daraus für sich ein Erfolgsmodell gemacht hat: Viele Männer haben gar nicht die Gefahr erkannt, die von dieser Frau ausgeht. Ich behaupte auch, dass die Karriere von Angela Merkel wahrscheinlich ohne dieses extrem maskuline, dominante Auftreten eines Herrn Schröders und die Spendenaffäre von Helmut Kohl gar nicht denkbar gewesen wäre.

Mehr interessante Grafiken finden Sie bei Statista.

Ist Theresa May auch aufgrund des Verhaltens ihrer Vorgänger und Kollegen zu ihrem Posten gekommen?

Noch in den letzten Monaten wurde ihr außenpolitisch nicht viel zugetraut. Cameron würde ich zumindest nicht als Inbegriff eines seriösen Politikers sehen. Wenn man sich das Verhalten von ihm und Boris Johnson anschaut, ist das extrem merkwürdig. An deren Mimik und Körpersprache kann man leicht ablesen, dass sie sich in gewisser Weise selber nicht sehr ernst nehmen und vielleicht auch gar nicht ernst genommen werden wollen. Das ist bei Theresa May nicht der Fall und sie war bereit, in dieser schwierigen Lage das Ruder zu ergreifen.

Müssen Politikerinnen sich gegenüber ihren männlichen Kollegen besonders beweisen, um ernst genommen zu werden?

Mein Eindruck ist, dass die meisten Parteien im Moment froh sind, wenn sie Frauen haben, die sie nach vorne stellen können. Der Zeitgeist sagt "wenn du modern sein willst, dann musst du Frauen eine Chance geben". Aber um dahin zu kommen, müssen die Frauen schon einige Stufen erreicht haben. In einer Großstadt wie Berlin oder Hamburg werden sie es vermutlich leichter haben, als in einem sehr konservativen Ort auf dem Land. Frauen in kleinen Parteien haben es auch leichter als Frauen in großen Parteien und dann kommt es noch auf die Netzwerke an. Auf Ministerebene coache ich mehr Frauen als Männer und bei keiner der Damen habe ich den Eindruck, dass sie große Probleme hatte, sich durchzusetzen. Das kann aber auch an den vorherigen Karrieren liegen, denn das eigentlich Schwierige spielt sich auf lokaler Ebene ab.

Das Interview führte Nina Bürger.

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