t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomePolitikAuslandInternationale Politik

Tiefes Misstrauen: Die Macht Chinas über Nordkorea ist ein Irrglaube


Misstrauen beim "fetten Kim"
Chinas Macht über Nordkorea ist ein Irrglaube

Von ap, pdi

23.10.2017Lesedauer: 4 Min.
Der nordkoreanische Machthaber Kim Jong Un misstraut seinem großen Nachbarn.Vergrößern des BildesDer nordkoreanische Machthaber Kim Jong Un misstraut seinem großen Nachbarn. (Quelle: KNS/AP/dpa)
Auf Facebook teilenAuf x.com teilenAuf Pinterest teilen
Auf WhatsApp teilen

Auf China ruhen viele Hoffnungen, wenn es um eine mögliche Lösung des Atomkonflikts mit Nordkorea geht. Nach Einschätzung von Experten ist das jedoch ein Mythos. Das Verhältnis der beiden Nationen ist wesentlich problematischer als dies den Anschein hat.

Auf den ersten Blick scheint die Lösung für den derzeit gefährlichsten Konflikt der Welt so einfach: Man muss doch nur einen Weg finden, dass China seinen enormen Einfluss auf Nordkorea einsetzt, um das Land von seinem Atomwaffenprogramm abzubringen.

Beide Länder teilen eine lange, durchlässige Grenze, mehrere Jahrtausende Geschichte und tiefe ideologische Wurzeln. Zehntausende chinesische Soldaten starben auf Nordkoreas Seite während des Koreakrieges in den 50er Jahren. China ist heute Nordkoreas wirtschaftliche Lebensader für Handel und Ölversorgung.

Doch die Realität ist komplizierter. Die Beziehung beider Länder ist weniger von Freundschaft oder politischen Verbindungen geprägt als vielmehr von tiefer und gegenseitiger Abhängigkeit. Offiziell sind sie Verbündete, doch die beiden Nachbarn agieren in einem nahezu dauerhaften Status der Spannung, basierend auf einer Mischung aus altem Misstrauen und Antipathie und dem Wissen, dass man auf vielfältige Weise aneinander gefesselt ist.

Anders als viele glauben - darunter auch US-Präsident Donald Trump -, ist China also nicht die Lösung für die Atomkrise. "Die Nordkoreaner haben China immer wieder verrückt gemacht", sagt John Delury, Korea-Experte an der Yonsei-Universität in Seoul. "Umgekehrt haben sich die Nordkoreaner von China immer betrogen gefühlt. Doch beide Seiten brauchen einander auf elementare Weise."

"Fette Kim" – Die chinesische Sicht

Zwei weit verbreitete Spitznamen geben einen Hinweis darauf, wie die Chinesen den übergewichtigen nordkoreanischen Führer Kim Jong Un sehen, dessen Familie in dritter Generation das Land beherrscht: "Kim III., der Dicke" oder "Kim Dick, Dick, Dick".

China ist in den vergangenen Jahren zu einem weltweiten wirtschaftlichen, militärischen und diplomatischen Schwergewicht aufgestiegen. Da sehen sich viele Chinesen von der verarmten und verbohrten Dritte-Welt-Diktatur im Nachbarland heruntergezogen, wo das Volk hungert, während die Herrscher in Luxus leben und ein Atomwaffenarsenal aufbauen, das zum Krieg mit den USA führen kann.

Die nordkoreanischen Raketentests schaden dem Handel und dem Tourismus und führen zu einer verstärkten US-Militärpräsenz in einer Region, die China nach eigener Ansicht dominieren sollte.

Der wachsende Unmut spiegelt sich in Chinas Bereitschaft wieder, kritische Stimmen gegen Nordkorea in den eigenen, staatlich kontrollierten Medien zuzulassen und härteren Sanktionen der Vereinten Nationen zuzustimmen. So hat Peking die Einfuhr von Kohle, Eisenerz, Meeresfrüchten und Textilien aus Nordkorea ausgesetzt. Damit verliert Pjöngjang eine wichtige Quelle für Devisen.

Allerdings hat China den Druck bislang nicht so groß werden lassen, dass die Regierung im Nachbarland zusammenbrechen könnte. Denn für Peking ist es eine Horrorvorstellung, dass dann Hunderttausende Flüchtlinge aus Nordkorea ins Land strömen, Seoul die Macht in Pjöngjang übernimmt und sich US-Truppen in einem Territorium tummeln könnten, das bislang ein willkommener Puffer war.

China hat zudem betont, dass sein wirtschaftlicher Einfluss auf Nordkorea nicht so groß ist. Nach Einschätzung von Pierre Noel, einem Energie- und Sicherheitsexperten bei der Denkfabrik International Institute for Strategic Studies, könnte es Nordkorea sogar mit eigenen Ressourcen ausgleichen, wenn es kein Öl mehr aus China erhalten würde.

Tiefes Misstrauen – Die nordkoreanische Sicht

Seit Dezember 2011 ist Kim Jong Un an der Macht. Seinen einzigen bedeutenden Verbündeten hat er seitdem noch nicht besucht. Das lässt tief blicken, was das Verhältnis zu China angeht. Seit verstorbener Vater Kim Jong Il hasste es zwar zu reisen. Doch während seiner 17 Jahre langen Herrschaft besuchte er China acht Mal. Umgekehrt kamen chinesische Spitzenpolitiker immer wieder nach Pjöngjang.

Da die Kommunikation auf höchster Ebene weitgehend verstummt ist, hat Kim Jong Un wenig Anlass, chinesischen Aufrufen zur Mäßigung im Atomstreit Aufmerksamkeit zu schenken. Ganz im Gegenteil: Dass einige Raketentests während großer internationaler Gipfel in China stattfanden, gilt als Affront gegen Peking.

Kürzlich warfen nordkoreanische Staatsmedien den Medien in China vor, sich den USA zu unterwerfen, weil diese Pjöngjang kritisiert hatten. Im Mai hatte man erklärt, "niemals um den Erhalt der Freundschaft mit China zu betteln" oder das eigene Nuklearprogramm zu riskieren, das "so wertvoll wie das eigene Leben" sei.

Einige verweisen darauf, dass sich das Verhältnis zwischen Nordkorea und China nie davon erholt hat, dass Peking im Jahr 1992 formale diplomatische Beziehungen mit Südkorea aufgenommen hat. Doch ein großer Teil des tiefen Misstrauens und der anhaltenden Abschottung gegen Chinas Einfluss in Nordkorea stammt aus dem Koreakrieg von 1950 bis 1953, wie James Person, Korea-Experte bei der Denkfabrik Wilson Center in Washington, sagt.

Der Krieg werde oft als das Rückgrat der Allianz der beiden Länder gesehen, sagt Person. Dabei mache Nordkorea Peking dafür verantwortlich, dass man den Süden nie eingenommen habe, nachdem sich das Land in den Krieg eingeschaltet und eine Auslöschung der nordkoreanischen Streitkräfte verhindert hatte.

In den 70er Jahren, als Nordkorea die USA dazu drängte, einen Friedensvertrag an die Stelle des Waffenstillstandsabkommens aus dem Krieg treten zu lassen, entschied sich Washington, China zwischenzuschalten, erklärt Person weiter. Dabei hätten die USA die Grenzen des chinesischen Einflusses nicht erkannt. Dass man nun, fast vier Jahrzehnte später, wieder auf China baue, um die Probleme mit Nordkorea zu lösen, sei "ein Rezept für ein fortgesetztes Versagen".

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



TelekomCo2 Neutrale Website