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Polen: Was hinter der Kabinettsumbildung in Warschau steckt


Rochade in Warschau
Was steckt hinter der Kabinettsumbildung in Polen?

t-online, Lukas Latz

Aktualisiert am 11.12.2017Lesedauer: 4 Min.
Polen: Beata Szydlo und Mateusz MorawieckiVergrößern des BildesPolen: Beata Szydlo und Mateusz Morawiecki (Quelle: Alik Keplicz/dpa-bilder)
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Am Dienstag stellt sich der neue polnische Premier Morawiecki einer Vertrauensabstimmung. Nicht wenige vermuten nun ein Ablenkungsmanöver.

Polen hat einen neuen Regierungschef, einen echten Machtwechsel gibt es jedoch nicht: Als eine Art Superminister wird Mateusz Morawiecki als Ministerpräsident die neue Regierung des Landes führen und zugleich Finanzminister bleiben. Wenige Tage nach dem Abgang von Beata Szydło wurde Morawiecki bereits an diesem Montag vereidigt, am Dienstag stellt er sich im polnischen Parlament einer Vertrauensabstimmung.

Wie wurde die Entscheidung begründet?

Am Donnerstag hatte eine Sprecherin knapp erklärt, dass die PiS-Partei „Korrekturen“ in der Regierungsformation vornehmen wollte, um besser auf die internationale Kritik an der Regierung zu reagieren. Hintergrund sind Vorwürfe aus dem Europäischen Parlament: Im November hatte die EU-Parlamentarier in einer Resolution die Zerstörung rechtsstaatlicher Institutionen verurteilt, den die Regierung von Beata Szydło seit 2015 betreibe. Die Sprecherin betonte aber: "Die Mannschaft wird sich nicht ändern, nur die Staffel ändert sich. Einer übernimmt vom anderen den Stab."

Hat Beata Szydło als Premierministerin einen schlechten Job gemacht?

Das ist unklar. Die Partei lieferte keine handfeste Begründung für die Kabinettsumbildung. Medienberichten zufolge soll sie zuletzt von ihrem Amt erschöpft gewesen sein. Sie gilt als eine der populärsten Politikerinnen Polens. Vor allem bei der konservativen PiS-Wählerschaft ist die Mutter von zwei Söhnen sehr beliebt. Szydło soll in der neuen Regierung Ministerin werden.

Wer ist der neue Premier?

Morawiecki stammt aus polnischem Polit-Adel. Sein Vater Kornel Morawiecki war zu Zeiten des Realsozialismus ein bekannter Dissident. Nach dem Verbot der unabhängigen Gewerkschaft Solidarność 1981 baute er eine Untergrundgewerkschaft auf. Als Teenager war Mateusz Morawiecki in die politische Arbeit seines Vaters eingebunden. In Interviews spricht er häufig über seine Erfahrungen als Dissident im Realsozialismus. In die Politik kommt er als Quereinsteiger. Nach dem Ende der Sowjetunion studierte er Wirtschaft. Acht Jahre lang war er Vorstandsvorsitzender einer Bank. 2015 wurde er überraschend Minister in der Regierung der PiS und erst 2016 trat er der Partei bei.

Was kann Morawiecki, was Szydło nicht kann?

Als Finanzminister profitierte er von der guten polnischen Konjunktur. Morawiecki ist beliebt, weil er Gelder bereitstellte für mehr Sozialleistungen, für höhere Kindergeldzahlungen und ein niedrigeres Rentenalter. Unter allen Kabinettsmitgliedern bewegt sich Morawiecki vergleichsweise sicher auf internationalem Terrain. Er lebte in Frankfurt und Hamburg und spricht fließend Englisch. Die PiS erhofft sich von Morawiecki daher wohl, dass er mit dem Druck, den EU-Institutionen auf das Land ausüben, besser umgeht als Szydło.

Gibt es einen konkreten Anlass für den Rücktritt der Regierung?

Nein. Die Bildung einer neuen Regierung, so vermuten einige Beobachter, könnte ein Ablenkungsmanöver sein. Während Morawiecki als designierter Premierminister ein einstündiges Fernsehinterview gab, stimmte das Parlament über eine umstrittene Justizreform ab. Mit der Neuwahl der Regierung, hat PiS-Chef Jarosław Kaczyński einen medialen Nebenschauplatz geschaffen. Die Agenda des neuen Ministerpräsidenten nimmt nun viel Sendezeit ein, die Justizreform wird weniger thematisiert.

Was macht die Justizreform so umstritten?

Die parlamentarische Mehrheit kann nun ein für die Ernennung von Richtern zuständiges Gremium in großen Teilen neu besetzen. Justizminister Zbigniew Ziobro, der in Personalunion auch polnischer Generalstaatsanwalt ist, erhält die Befugnis, etliche unliebsame Richter in Pension zu schicken. Somit hat die PiS die Macht, in großer Zahl Richter zu ernennen und zu befördern, wie sie will. Durch die Reform wäre Polen endgültig nur noch auf dem Papier ein Rechtsstaat.

Inwiefern könnte Kaczyński ein Ablenkungsmanöver helfen?

Schon im Juli sollten Gesetze zur Reform der Justiz in Kraft treten. Das scheiterte jedoch. Tausende Menschen gingen gegen die Gerichtsreform in Warschau auf die Straße, Richterverbände aus dem Ausland übten scharfe Kritik. Staatspräsident Andrzej Duda entschied daraufhin, gegen einen Teil der Reform sein Veto einzulegen. Zentralen Gesetzen verweigerte er die Zustimmung. Für eine Weile schien es, als ob sich die PiS in ein gemäßigtes Lager um Duda und in ein radikales Lager um Parteichef Kaczyński spalten könnte. Kaczyński und Duda einigten sich jedoch auf einen Kompromiss. Dieser ist ähnlich kritikwürdig wie die Gesetze, gegen die Duda im Juli sein Veto einlegte. Auch diesmal wird die Reform ohne echte parlamentarische Diskussion mitten in der Nacht durch die Sitzung eines Ausschusses gepeitscht. Auch diesmal gab es Proteste.

Wer ist jetzt der starke Mann in Polen?

Alles deutet darauf hin, dass Parteichef Kaczyński hinter der Regierung weiter die Fäden ziehen wird. Schon die Art und Weise, wie das Ende von Szydło und die Beförderung Morawieckis kommuniziert wurde, war eine Machtdemonstration der Parteispitze. Die Pressesprecherin der Partei sprach so beiläufig und gelangweilt von der Personalie, als hätte die PiS einen neuen Praktikanten eingestellt. Die Parteispitze machte zudem klar, dass es sich bei Morawiecki nur um eine B-Lösung handelt. "Wir alle bedauern, dass Kaczyński nicht Premierminister geworden ist", sagte Vize-Parteichef Lipiński. „Wenn der Herr Vorsitzende den Posten des Premierminister gewollt hätte, wäre die ganze Partei zufrieden gewesen“, sagte er.

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