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Israel-Gaza: Al-Schifa-Krankenhaus "Hexenkessel" – die militärische Lage


Israels Offensive im Gazastreifen
"Die Lage gleicht einem Hexenkessel"


14.11.2023Lesedauer: 5 Min.
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Israels Bodenoffensive im Gazastreifen: Leuchtraketen brennen über dem Palästinensergebiet. (Quelle: Leo Correa/ap)

Im Gazastreifen macht Israel durch seine Bodenoffensive weiter Fortschritte. Den Soldaten steht nun eine heikle Aufgabe bevor.

Die israelischen Streitkräfte erhöhen den militärischen Druck im nördlichen Gazastreifen. Einheiten der Armee kämpfen an mehreren Punkten des Gebiets gegen Terroristen der Hamas und gegen andere in der Küstenenklave aktive Terrororganisationen. Laut dem israelischen Verteidigungsminister Yoav Gallant hat die Hamas "die Kontrolle in Gaza" verloren. Mitglieder der islamistischen Gruppe seien auf der Flucht in Richtung Süden.

Währenddessen stehen israelische Truppen und Panzer vor den Toren des Al-Schifa-Krankenhauses. In dessen Nachbarschaft finden heftige Gefechte statt. Soldaten teilten auf sozialen Netzwerken zudem Fotos aus dem Parlamentsgebäude in Gaza-Stadt, das zuvor von der Terrororganisation Hamas kontrolliert worden war. Wo liegt aktuell der Fokus der israelischen Offensive? Und welche taktischen Ziele verfolgt die israelische Armee? t-online gibt einen Überblick.

Wie kommt Israels Bodenoffensive voran?

Ende Oktober hat die israelische Armee als Antwort auf die Terrorattacken der Hamas vom 7. Oktober ihre Bodenoffensive im Gazastreifen begonnen. Ziel der Israelis ist zum einen die vollständige Zerstörung der Terrororganisation und ihrer Infrastruktur. Zum anderen soll die israelische Armee die rund 240 Geiseln befreien, die sich in der Gewalt der Hamas befinden.

Seit Beginn der Offensive hat sie das Palästinensergebiet in eine nördliche und eine südliche Hälfte geteilt. "Dabei geht die israelische Armee sehr erfolgreich vor", erklärt Oberst Markus Reisner vom österreichischen Bundesheer im Gespräch mit t-online. "Man liegt sogar vor dem Zeitplan", so der Militärexperte.

Bisher hätten die Israelis rund 50 Verluste unter ihren Soldaten zu beklagen, sagt Reisner. "Das ist zwar viel, aber immer noch weniger, als erwartet worden war." Hinzu kämen jedoch auch noch die Toten des Terrorangriffs.

Nun aber stehe die israelische Armee vor einem Dilemma: "Das menschliche Leid der Zivilbevölkerung in Gaza wird immer größer", macht Reisner deutlich. Und damit steige auch von Tag zu Tag der internationale Druck auf Israel. Zuletzt hatte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron deutliche Kritik am israelischen Vorgehen geäußert. Mehr dazu lesen Sie hier.

Welche Taktik verfolgt die Hamas?

"Die Hamas versteht es sehr gut, in diesem Krieg den Informationsraum für sich zu nutzen", erklärt Reisner. "Sie versucht, das Leid der Menschen durch die Provokation der israelischen Streitkräfte bis ins Unendliche zu steigern und die dadurch entstehenden Bilder für sich zu nutzen." Die Terrororganisation befeuert weltweit Proteste gegen Israel und den Krieg im Gazastreifen. Ein Beispiel für das Hamas-Vorgehen ist die aktuelle Lage am Al-Schifa-Krankenhaus.

"Die Hamas hofft auf eine Einstellung der Kampfhandlungen, um sich neu konsolidieren zu können", sagt der Militärexperte. Denn ihre Kämpfer seien der israelischen Armee klar unterlegen. So müsse sich die Terrororganisation auf sogenannte Hit-and-Run-Taktiken verlegen. Damit sind zumeist Angriffe aus dem Hinterhalt gemeint, die schnell ausgeführt werden, bevor sich die Angreifer rasch wieder zurückziehen. Das Tunnelsystem der Hamas bietet dafür gute Voraussetzungen.

Mehr zu den Tunneln der Terrororganisation sehen Sie in diesem Video:

Video | Israel findet ungewöhnlichen Hamas-Tunnel
Quelle: Glomex

"Um das Momentum in diesem Krieg zurückzugewinnen, versucht die Hamas, die Kämpfe in den Untergrund zu verlagern", erklärt Reisner. "Überirdisch hat die israelische Armee durch den massiven Einsatz von Drohnen zur Aufklärung und ihre Luftwaffe die Oberhand.“

Wie ist die Situation am Al-Schifa-Krankenhaus?

Israel übt rund um den Klinikkomplex mit anhaltenden Gefechten Druck auf die Hamas-Terroristen aus. Die Armee geht davon aus, dass die Hamas über Jahre hinweg unter dem Al-Schifa in Tunneln ihr Hauptquartier eingerichtet hat. Hunderte Terroristen werden dort vermutet. Die Hamas weist die Vorwürfe zurück. Die Angaben beider Seiten lassen sich aktuell nicht unabhängig überprüfen. Mehr zur Situation rund um die Al-Schifa-Klinik lesen Sie hier.

Es sei die "pervertierte militärische Logik der Hamas, sich unter Zivilisten zu mischen", sagt Militärexperte Reisner. Dadurch entstünden "Hotspots", also Orte, an denen die Situation besonders heikel ist. Einer dieser "Hotspots" sei aktuell das Al-Schifa-Krankenhaus, so Reisner. "Die Lage dort gleicht einem Hexenkessel."

Oberst Markus Reisner vom österreichischen Bundesheer.
Oberst Markus Reisner vom österreichischen Bundesheer. (Quelle: Österreichisches Bundesheer)

Markus Reisner (45) ist Oberst des österreichischen Bundesheeres. Der Militärexperte hat besonders durch seine Analysen der Frontlage im Ukraine-Krieg internationale Bekanntheit erlangt. Zudem forscht Reisner zur Militärgeschichte.

Die israelischen Angaben, dass sich darunter eine Hamas-Zentrale befindet, seien "absolut vertrauenswürdig", sagt der Österreicher. "Das haben die Erfahrungen vergangener Jahre gezeigt: Es gibt Dutzende Beweise dafür, dass die Hamas zivile Infrastruktur und Menschen als Schutzschild für eigene Operationen nutzt."

Einen weiteren möglichen Beweis dafür lieferten die israelischen Streitkräfte am Montag. Luftaufnahmen sollen Gefechte rund um das Al-Quds-Krankenhaus im Gazastreifen zeigen. Darauf sind laut Armeeangaben Hamas-Terroristen mit Granatenwerfern auf dem Klinikgelände zu sehen, die in Kampfhandlungen mit israelischen Soldaten und Panzern verwickelt sind.

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Laut dem US-Thinktank Institute for the Study of War (ISW) liefern sich zudem in der Nachbarschaft des Krankenhauses Terroristen der Al-Quds-Brigaden, dem bewaffneten Arm des Islamischen Dschihad, Schusswechsel mit israelischen Soldaten. Dienstag ist bereits der fünfte Tag, an dem nahe dem Al-Schifa-Krankenhaus gekämpft wird.

Welche Schritte könnten die Israelis an der Klinik unternehmen?

Zunächst bleibt abzuwarten, ob die Zivilisten, die sich weiterhin in dem Komplex befinden, evakuiert werden. Es ist das größte Krankenhaus im Gazastreifen. Laut dem Hamas-Gesundheitsministerium sollen sich noch rund 650 Patienten in der Klinik befinden. Hinzu kommen mit dem Klinikpersonal und Menschen, die im Al-Schifa-Krankenhaus Unterschlupf gesucht haben, vermutlich Hunderte weiterer Personen. Die Evakuierung inmitten von Gefechten gestaltet sich schwierig, zudem soll die Hamas Menschen an der Flucht hindern.

Vermutlich erst dann, wenn die Zivilisten das Gelände verlassen haben, können israelische Truppen den Gebäudekomplex angreifen. "Dabei wird sich die israelische Armee aller Voraussicht nach auf ein für sie verlustreiches Vorgehen einlassen", meint Militärexperte Reisner. "Vermutlich werden sie die Klinik nicht direkt bombardieren, wenn alle Zivilisten evakuiert sind, sondern mit Spezialeinheiten in das Gebäude eindringen." Diese Trupps würden dann versuchen, im Krankenhaus Raum für Raum einzunehmen.

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Auch bei dieser Entscheidung spiele der Informationsraum, also die öffentliche Wahrnehmung des israelischen Vorgehens, eine gewichtige Rolle, so Reisner: "Das direkte Bombardement einer Klinik würde einen internationalen Aufschrei auslösen und die Israelis weiter unter Druck setzen. Insgesamt wird dieser Einsatz besonders schwierig."

Welche Informationen gibt es noch aus dem Gazastreifen?

Die israelischen Streitkräfte haben am Montag die Eroberung mehrerer Regierungsgebäude der Hamas gemeldet. Dazu gehören neben dem Parlament der Terrororganisation auch mehrere Gebäude der Polizei. Am Montag kursierten in den sozialen Netzwerken Fotos, die Infanteristen der Golani-Brigade der israelischen Armee in dem Parlamentsgebäude zeigen sollen. Sie posieren mit israelischen Flaggen und Insignien ihrer Einheit.

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Die Hamas hatte 2006 bei den Parlamentswahlen über die gemäßigte Palästinenserorganisation Fatah gesiegt und im darauffolgenden Jahr die alleinige Kontrolle im Gazastreifen übernommen. Die Fatah regiert weiterhin im Westjordanland. Seit 2007 finden in Gaza keine Parlamentssitzungen mehr statt, in beiden Palästinensergebieten hat es seitdem keine Wahlen gegeben. Das Gebäude im Stadtteil Rimal von Gaza-Stadt nutzten jedoch weiterhin Abgeordnete der Hamas.

Verwendete Quellen
  • Telefoninterview mit Oberst Markus Reisner
  • understandingwar.org: "Iran Update, November 13, 2023" (englisch)
  • nytimes.com: "Death and Despair at Gaza Hospital as Fighting Reaches Its Doors" (englisch)
  • wsj.com: "Israel Pushing for Hamas to Surrender Stricken Al-Shifa Hospital" (englisch)
  • jpost.com: "IDF soldiers share photo in conquered Hamas parliament" (englisch)
  • twitter.com: X-Profile von @manniefabian, @IDF und @Osinttechnical
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