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Hillary Clinton bei Günther Jauch: peinliches Themen-Hopping


TV-Kritik
Unwürdiger Jauch-Talk mit Hillary Clinton

t-online, Von Marc L. Merten

Aktualisiert am 07.07.2014Lesedauer: 4 Min.
TV-Kritik: Unwürdiger Jauch-Talk mit Hillary ClintonVergrößern des BildesTrotz seltsamer Fragen: Hillary Clinton lächelt in der Sendung "Günther Jauch" tapfer (Quelle: dpa-bilder)
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Der Stargast machte Hoffnung auf eine große Sendung. Doch es wurde der Reinfall des Jahres. Hillary Clinton gab sich bei Günther Jauch die Ehre. Es sollte um Frauen im Zentrum der Macht gehen. Stattdessen verkam die Sendung zum peinlichen Themen-Hopping. Nur einmal lohnte es sich für die Zuschauer, aufmerksam zuzuhören.

Sie ist die derzeit wohl schillerndste Polit-Persönlichkeit in den USA. Wo immer die ehemalige First Lady und US-Außenministerin auftritt, steht sie im Mittelpunkt. Nun, da sie ihre Autobiografie auf den Markt geworfen hat und damit durch die Welt tourt, spitzt sich die große Frage zu, auf die alle glauben bereits die Antwort zu kennen: Wird Hillary Rodham Clinton im nächsten Präsidentschafts-Wahlkampf in den USA antreten?

Themen-Hopping mit peinlichem Höhepunkt

Bei Jauch in der ARD lief diese Frage unterschwellig immer mit. Auch die beiden anderen Gäste, Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und die ehemalige Vorsitzende der Evangelischen Kirche, Margot Käßmann, schienen bereits davon auszugehen, der zukünftigen US-Präsidentin gegenüber zu sitzen. Doch anstatt sich einem echten Thema die vollen 60 Minuten zu widmen und daraus eine gewichtige Sendung mit echtem Mehrwert zu generieren, entschied sich Jauch, den interessierten Zuschauer – und wohl auch seine Talk-Gäste – in den Wahnsinn zu treiben.

Es schien fast so, als ob die Redaktion ein Brainstorming abgehalten hätte mit der Frage: "Was fällt uns zu Hillary Clinton ein?" Anschließend wurden ein paar Stichworte und Fragen zusammengeschrieben, schon konnte das muntere Themen-Hopping losgehen: Feminismus, Angela Merkel, Barack Obama, NSA-Affäre, Doppelagenten, Edward Snowden, Osama bin Laden, Ukraine-Russland-Konflikt, Wladimir Putin. Allen Punkten durften sich Clinton und wahlweise von der Leyen oder Käßmann ein paar Minuten widmen. Doch das Von-einem-Stichwort-zum-nächsten Hangeln wäre nicht vollständig gewesen ohne den peinlichen Höhepunkt des Abends: Wie hält es Hillary Clinton mit Monica Lewinsky? "Ich habe vergeben", lautete ihre Antwort. Na dann.

Die "gläserne Decke" und der "doppelte Standard"

Dabei versprach die Sendung großes Potenzial zu haben. Der Beginn war gar vielversprechend. Aus einer skurrilen Einstiegsfrage über Jauchs eigenes Outfit leitete sich ein Moment des Nachdenkens ab. Es ging um die Dinge, die in der Öffentlichkeit bei Frauen anders bewertet werden als bei Männern, "um Dinge, die eigentlich gar nicht wichtig sind", wie Clinton monierte. Um Äußerlichkeiten. Um den "doppelten Standard", der bei Frauen angelegt wird, wenn es um Macht, Einfluss, Autorität und Führungsqualität geht. Wenn bei männlichen Politikern höchstens über die Farbe der Krawatte diskutiert wird, steht bei Frauen vom Absatz bis zur Frisur – oder wie bei Angela Merkel die Deutschland-Kette – alles unter Beobachtung.

Clinton, von der Leyen und Käßmann diskutierten die "gläserne Decke", unter der Frauen international noch immer stünden und die sie noch nicht durchbrochen hätten, um auf einer Ebene mit Männern zu stehen – ob in Politik, Wirtschaft, Forschung, Religion oder im Privaten. Clinton nannte sich ohne Scham eine Feministin. Von der Leyen und Käßmann hingegen verzogen bei dem Begriff das Gesicht. Dabei schienen sie in ihren Werten eigentlich vereint.

Der böse Geist der Alice Schwarzer

Doch gerade hier verließ es Jauch. Es hätte eine wertvolle Stunde deutschen Fernsehens werden können. Es hätte um die Unterschiede zwischen den USA und Deutschland in der Debatte um Chancengleichheit gehen können, um Feminismus, um den Begriff und seinen Missbrauch. Sah Jauch nicht, wie sehr sich von der Leyen und Käßmann davor fürchteten, mit Alice Schwarzer in eine Schublade gepackt zu werden?

Wie erfrischend wäre eine Diskussion gewesen, warum der Begriff "Feministin" in Deutschland zu einem Schimpfwort verkommen ist, während Clinton diese negative Konnotation fremd schien. Man hätte sogar andere Aspekte des Themen-Hoppings wie Angela Merkel, Barack Obama und Wladimir Putin mit einbeziehen können. Doch nicht an diesem Abend im Gasometer.

Ein lichter Moment für den aufmerksamen Zuschauer

Stattdessen mussten die Zuschauer schon sehr genau hinhören, um Interessantes aus dieser Sendung zu ziehen. Es war ein Nebensatz Hillary Clintons, der in Sachen NSA-Affäre ihre eigentliche Haltung zur Arbeit des US-Geheimdienstes zu offenbaren schien. Offiziell schien sie ihre Machtlosigkeit und Unwissenheit demonstrieren zu wollen. Doch dann erwähnte sie, dass "einige der Terroristen, die am 11. September die Flugzeuge geflogen sind, in Hamburg ausgebildet wurden. Das wussten wir damals nicht." Anschließend sei man daher "wachsamer" geworden.

Bei Jauch fragte aber lieber, welche Schauspielerin sie denn spielen sollte, würde ihr Leben verfilmt werden (Antwort: Meryl Streep). Und sie verriet, sich langsam der Entscheidung zu nähern, ob sie als Präsidentin kandieren wolle oder nicht. "Ende des Jahres, Anfang nächsten Jahres" wolle sie sich festlegen. Dieser vage Zeitraum war allerdings auch schon vorher bekannt. Mehr gab der letzte Jauch-Talk vor der Sommerpause einfach nicht her.

"Die Leute gucken unsere Sendung zur Zeit sowieso nicht wegen der Fußball-WM", hatte Jauch gescherzt. Manch einer hätte sich gewünscht, dass am Sonntagabend tatsächlich ein Spiel in Brasilien als Alternativprogramm gelaufen wäre. Stattdessen fragte Jauch Clinton noch, wie sie über Jürgen Klinsmann als Nationaltrainer der USA denke. Es war das würdige Ende einer unwürdigen Sendung.

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