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Entwicklungshilfe als Druckmittel gegen Marokko und Algerien


Flüchtlinge aus Nordafrika
Kann man Marokko wirklich zur Aufnahme zwingen?

Jörg Hofmann, t-online.de

19.01.2016Lesedauer: 3 Min.
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Migranten warten am Bahnhof in Schönefeld (Brandenburg) auf ihre Weiterfahrt zur Unterkunft mit Bussen.Vergrößern des Bildes
Migranten warten am Bahnhof auf ihre Weiterfahrt zur Unterkunft. (Quelle: Archivfoto/dpa-bilder)

Marokko und Algerien soll die Entwicklungshilfe gekürzt werden, wenn die beiden Länder abgelehnte Asylbewerber nicht zurücknehmen - so lautet eine Forderung, der sich immer mehr Politiker anschließen. Doch ist das realistisch - und macht es überhaupt Sinn?

Selten vertritt die Koalition aus CDU/CSU und SPD dieselbe Meinung. Auch die konservative EVP-Fraktion im Europäischen Parlament fordert eine europaweite Kürzung der Entwicklungshilfe für unkooperative Herkunftsstaaten von Flüchtlingen. Doch funktioniert das?

"Die EU muss beim Einsatz ihrer Entwicklungshilfegelder stärker die eigenen Interessen in den Blick nehmen", sagte Manfred Weber (CSU), Vorsitzender der konservativen EVP-Fraktion im EU-Parlament. Damit schloss er sich einer ähnlichen Forderung von Wirtschaftminister Sigmar Gabriel (SPD) an. Der hatte am Wochenende ein solches Vorgehen im Hinblick auf Maghreb-Staaten in Nordafrika erwogen.

Rund 5500 Algerier, Marokkaner und Tunesier seien nach einem internen Papier der Innenbehörden Ende Juli vergangenen Jahres ausreisepflichtig gewesen. Lediglich 53 konnten demnach im ersten Halbjahr 2015 in ihre Heimatländer abgeschoben werden.

Die Zahl der Migranten aus Marokko und Algerien steigt, obwohl sie nur eine sehr geringe Chance auf Asyl haben. Im Dezember wurden laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) 2896 Marokkaner und 2296 Algerier in Deutschland neu registriert.

Die wirtschaftliche Hilfe für diese Länder wollen Europas Spitzenpolitiker künftig davon abhängig machen, ob diese Staaten ihre als Asylbewerber abgelehnten Bürger wieder aufnehmen. Sowohl die EU als auch Deutschland leisten dort Entwicklungshilfe.

486 Millionen Euro für Marokko, kaum Geld für Algerien

Nach Informationen von t-online.de finden die nächsten Verhandlungen über die entwicklungspolitische Zusammenarbeit Deutschlands und Marokkos im Mai 2016 in Berlin statt. In Algerien ist die deutsche Entwicklungshilfe nicht aktiv. Hier dürfte der Hebel der Kürzung also schwieriger anzusetzen sein.

"Deutschland berät Algerien lediglich in der Verbesserung seiner Umweltpolitik", sagte ein Sprecher des Ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Dabei geht es auch um die Anpassung an den Klimawandel. Dafür hat der Bund Algerien im vorigen Jahr sechs Millionen Euro zugesagt.

Marokko hingegen investiert in den Ausbau seiner Infrastruktur. Deutschland unterstützt das Land seit einigen Jahren bei der Verbesserung der Wasserversorgung, dem Ausbau erneuerbarer Energien und einer nachhaltigen Gestaltung der Wirtschaftsentwicklung. 2015 steckte der Bund rund 486 Millionen Euro in das weitgehend landwirtschaftlich geprägte Land, die Mehrheit davon allerdings als Kredit.

Deutsche Asylstrategie

In Marokko sind auch Projekte zur Reintegration angelaufen. "Das Ministerium arbeitet seit Anfang 2015 an der Umsetzung der nationalen Migrations- und Asylstrategie", teilte das BMZ auf Nachfrage von t-online.de mit. "Konkret sollen Migrantinnen und Migranten, Flüchtlinge und rückkehrende Marokkanerinnen und Marokkaner in ihrer Heimat reintegriert werden. Dafür werden zehn Kommunen beim Aufbau von Integrationsprogrammen unterstützt."

Vor einer Kürzung der Entwicklungshilfe warnt der Leiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Tunesien. "Wie es ohne Entwicklungszusammenarbeit in Europa aussähe, diese Frage muss man sich ja auch mal stellen", sagte der Chef des Tunesien-Büros der CDU-nahen Stiftung, Hardy Ostry, am Dienstag im Deutschlandfunk.

Wegen hoher Arbeitslosigkeit kaum Perspektiven

Statt die Fördermittel zu kürzen, müsse Europa laut Konrad-Adenauer-Stiftung auf eine stärkere Kooperation mit Ländern wie Marokko, Algerien und Tunesien drängen. Die Bevölkerungskurve in Marokko und Algerien steigt seit Jahren stetig nach oben. In Algerien mit 1,9 Prozent sogar deutlich stärker als beim Nachbarn.

Die Regierungen in der Region versuchten bereits, ihren Bürgern klarzumachen, dass sie in Deutschland kaum Chancen auf Asyl haben. Trotzdem sei eine Flucht nach Europa für viele junge Leute, die in ihrer Heimat wegen hoher Arbeitslosigkeit kaum Perspektiven sähen, verführerisch – selbst wenn sie dann illegal in Deutschland lebten. "Wer Berufsbildungsprojekte stoppt, schafft nicht Perspektiven, sondern Hoffnungslosigkeit", kommentierte unlängst auch Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) die Vorschläge seiner Kollegen.

(mit Material von dpa und Reuters)

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