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So läuft Russlands Propaganda-Maschine


Verschwörungstheorien und manipulierte Bilder
So läuft Russlands Propaganda-Maschine

Von dpa, t-online
05.02.2016Lesedauer: 4 Min.
Der Kreml kontrolliert die russischen Medien.Vergrößern des BildesDer Kreml kontrolliert die russischen Medien. (Quelle: dpa-bilder)
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Propaganda fehlt in keinem Waffenarsenal moderner Kriegsführung. Wladimir Putin setzt derzeit stark auf dieses Instrument der Desinformation durch Medien. Sein Ziel: Die Schwächung Europas. Seine Multiplikatoren: Die Russlanddeutschen.

Die in der Bundesrepublik lebenden Russlanddeutschen werden damit zu Soldaten in dieser Art der "hybriden Kriegsführung", so nennen es die Militärstrategen der Nato. Denn sie sind die vornehmliche Zielgruppe der staatlich gesteuerten Medien im Ausland.

Aktuellstes Produkt der Propagandamaschine ist der Fall der vorgetäuschten Vergewaltigung eines russlanddeutschen Mädchens in Berlin, die stark aufgebauscht und nicht berichtigt wurde. Die 13-Jährige sei von Flüchtlingen entführt und vergewaltigt worden, behauptete die wichtige Nachrichtensendung "Westi". Im russischsprachigen Internet schlug die Sache hohe Wellen. Und es nützte nichts, dass die Berliner Polizei über Tage geduldig klarstellte: "Fakt ist - nach den Ermittlungen unseres LKA gab es weder eine Entführung noch eine Vergewaltigung."

Der Effekt entsprach ganz Putins Wunsch: Merkel kann nicht führen, Europa ist schwach, von Flüchtlingen überrannt, die Europa zu einem unsicheren Ort machen.

Nach der Krim jetzt Deutschland

Die vom Kreml gelenkten Medien streuen gezielt Unwahrheiten, nicht nur im Fall der 13-Jährigen, auch schon in der Krimkrise oder zu dem Maidan-Massaker am 19. Februar 2014. Der Kiewer Volksaufstand erreichte den blutigen Höhepunkt als die Berkut-Spezialeinheiten des Janukowytsch-Regimes niederschlugen und auf die Demonstranten schossen.

Momentan haben sich diese Medien auf Deutschland eingeschossen. Vor dem Fall "Jelena" hatte man beispielsweise gegen die Homo-Ehe in Europa Stimmung gemacht.

In der Gruppe der Russlanddeutschen fallen diese Informationen auf fruchtbaren Boden. Die Propaganda-Medien publizieren auf deutsch oder russisch. Russisch für die älteren Deutschrussen, deutsch für die jüngeren, die in Deutschland integriert sind. Die so geschürte Stimmung spielt Europa-Skeptikern und Flüchtlings-Kritikern wie der AfD in die Hände.

Pogromstimmung verbreiten

Vor allem die großen Fernsehsender beeinflussen nicht nur das Publikum in Russland. Sie werden auch von vielen der etwa 2,3 Millionen Menschen in Deutschland gesehen, deren Wurzeln in der früheren Sowjetunion liegen. Einige Beiträge wirken, als sollten sie eine Pogromstimmung unter den Russlanddeutschen schüren.

Die Polizei sei angehalten, Straftaten von Ausländern zu verschweigen - davon gehen russische Medien genauso aus wie Anhänger der rechtsgerichteten Pegida in Deutschland. Auf der Webseite des Moskauer Privatsenders REN TV sind Artikel zu Köln unter süffisanten Schlagworten wie "Sex-Migranten" oder "Gast-Sexuelle" zu finden. In einen Beitrag über die Kölner Silvesternacht wurden vermutlich Bilder geschnitten, die Übergriffe bei Demonstrationen in Kairo 2011 zeigen.

So werden Nachrichten manipuliert

Instrumente der unfreien Medien sind falsche Aussagen bezahlter Zeugen, unwahre Tatsachenbehauptungen und manipulierte Nachrichten-Videos. Verschwörungstheorien werden verbreitet und rechtspopulistische Experten zitiert.

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Der russische Auslandssender Russia Today startete im November 2014 mit einem deutschsprachiger Ableger. RT hat mit einzelnen deutschen Privatsendern Kooperationen geschlossen, die deren Programm verwenden. Einer ist der Thüringer Sender Salve.TV, ebenso Megaradio. 18 Stunden täglich verbreitet Megaradio Bayern seit Januar 2015 den Ableger Mega Radio SNA.

Russia Today hat eine beachtliche Reichweite. Seit 2005 verbreitet der russische Auslandssender sein Programm und erreicht weltweit rund 700 Millionen Menschen. Auch auf der Videoplattform Youtube ist RT extrem erfolgreich. Als erster Nachrichtenkanal hat RT die Grenze von einer Milliarde Klicks geknackt. In Großbritannien erreicht RT mehr Zuschauer als Euronews.

Relativ neu auf dem Markt der russischen Auslandsmedien ist Sputniknews (Sputnik News Agency SNA). Laut eigener Aussage will die Agentur "alternative Nachrichteninhalte zum Weltgeschehen" bieten, damit wolle man die "Zuhörerschaft in Deutschland erweitern". Zu diesem Zweck wollte die Agentur bei deutschen Medien Sendezeit kaufen, um eigene Nachrichtenblöcke auf deutsch auszustrahlen.

Die Nachrichtenagentur Ria Nowosty gehört zur gleichen Holding wie Russia Today (RT) und Sputniknews. Ziel der Medienholding Rossija Segodnja ist es, Moskaus Sicht auf das Weltgeschehen zu verbreiten und westliche Medien zu anzugreifen. Man wolle über das berichten, worüber andere schweigen, heißt es im Profil des Senders.

Dazu gehören wohl Darstellungen wie diese im TV-Sender Rossija24: "Die Ereignisse von Köln haben die Gesellschaft gespalten. Immer weniger Menschen glauben, dass die Migranten keine Gefahr darstellen." Bürgerwehren seien an der Tagesordnung. Viele Russlanddeutsche wollten Deutschland aus Angst verlassen.

"Westi", eine der bekanntesten Nachrichtensendungen Russlands bauschte ebenfalls den vermeintlichen Berliner Fall stark auf. Fernsehen ist in Russland das am stärksten genutzte Informationsmedium.

Ende 2013 wurde bekanntgegeben, dass die Nachrichtenagentur RIA Novosti und der Auslandssender Stimme Russlands auf Erlass von Präsident Wladimir Putin zum 31. Dezember 2013 aufgelöst und durch die staatliche Nachrichtenagentur Rossija Segodnja ersetzt werden soll. Dmitri Kisseljow ist Chef dieser neuen Staatsagentur, Generaldirektor von Sputnik. Er gilt im Westen als Putins Chef-Propagandist. Russia Today gehört nicht zu dieser Holding.

REN TV ist zwar nicht staatlich, aber de facto gleich geschaltet, bestätigt Medienbeobachter Christian Mihr von der Organisation "Reporter ohne Grenzen" gegenüber t-online.de, genauso wie sehr viele andere private Medien, wie NTV. Daneben gibt es die großen staatlichen Inlandssender, die viel Einfluss und zahlreiche Zuschauer haben.

Kritische Blogs entlarven falsche Nachrichten

Derlei Fälschungen entlarven kritische Blogs und Websites wie The Insider oder Noodleremover. Wer in Russland jemanden belügt oder hinters Licht führt, der hängt ihm - so die Redewendung - "Nudeln über die Ohren". Als "Nudelentferner" bemühen sich der Ex-Nachrichtenredakteur Alexej Kowaljow und seine Mitstreiter in Moskau, Fälschungen und Unwahrheiten der russischen Medien aufzudecken. Auch in Sachen Bruchsal und Berlin haben sie recherchiert. "Offenbar braucht die russische Propagandamaschine dringend Geschichten zur Ablenkung", heißt es auf ihrem Blog.

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