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TV-Kritik zu "Hart aber fair": "Parade von Schwachköpfen"?


TV-Kritik "Hart aber fair"
SUV-Fahrer sind "Parade von Schwachköpfen"

Meinungt-online, Nico Damm

Aktualisiert am 14.11.2017Lesedauer: 4 Min.
Industrievertreter Wissmann (l.) und Kabrettist Schneyder: Bei "Hart aber fair" wurde gestritten, aber wurden die richtigen Fragen gestellt?Vergrößern des BildesIndustrievertreter Wissmann (l.) und Kabrettist Schneyder: Bei "Hart aber fair" wurde gestritten, aber wurden die richtigen Fragen gestellt? (Quelle: Screenshot/ARD)
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Ein Österreicher beleidigt bei „Hart aber fair“ deutsche SUV-Fahrer – und bringt nicht nur Chef-Lobbyist Wissmann gegen sich auf. Bei Frank Plasberg stritten die Gäste um Autos und die Umwelt.

Die Gäste

  • Dorothee Bär (CSU, Parlamentarische Staatssekretärin, Bundesverkehrsministerium)
  • Werner Schneyder (Kabarettist)
  • Lina Van de Mars (Moderatorin, Motorsportlerin und Mechatronikerin)
  • Stefan Wenzel (B'90/Grüne, Niedersächsischer Minister für Umwelt, Energie und Klimaschutz)
  • Matthias Wissmann (Präsident des Verbandes der Automobilindustrie VDA)

Das Thema

Dutzende deutsche Städte haben ein massives Problem mit der Luftverschmutzung. Wesentlich verantwortlich sind dafür Autos. Eingebrockt hat uns das nicht nur die Trickserei der Autoindustrie. Auch eigentlich umweltverträglichere Autos verstopfen die Straßen: Im vergangenen Jahr gab es in Deutschland mehr als doppelt so viele Staus als vier Jahre zuvor. Fast 3.800 Kilometer gibt es jeden Tag, während 160 Millionen Autositze leer bleiben, weil viele allein fahren.

Jedes vierte neu gekaufte Auto ist ein SUV. Kommt jetzt das Ende des Verbrennungsmotors? Plasberg outete sich gleich zu Beginn als SUV-Fahrer aus Bequemlichkeit – weil mit Kind und "demnächst auch mit Hund". Und fragte in die Runde: Wie haltet ihr's mit dem Autofahren?

Der Frontverlauf

Kurzer Mobilitäts-Check: Schneyder wohnt in Wien und fährt überallhin mit der Bahn, Bär fährt gern Auto, arbeitet aber auch im ICE, Wenzel pendelt mit Bahn und Bus, hat aber auch einen Hybrid-Dienstwagen. Wissmann, schau an, fährt auch gerne Bahn und Van de Mars machte den Eindruck, sie verlasse ihr Auto nicht mal zum Schlafen.

Vor allem Schneyder brachte die Runde – ausgenommen Wenzel – gegen sich auf, indem er SUV-Fahrer "Schwachköpfe" nannte, Autofahren eine "Religion" und munter gegen die Autoindustrie wetterte. Deren Lobbyisten hätten die Emanzipation der Deutschen Bahn verhindert, weshalb die wirklich "mies" sei. "Darüber habe ich verlässliche Informationen."

Bär war empört: "Sie können hier doch nicht mit flapsigen Sprüchen sagen, wir machen in einem Handstreich die deutsche Automobilindustrie kaputt." Wissmann lobte die deutschen Autobauer: Sie hätten die Emissionen bei SUVs in den letzten zehn Jahren um 34 Prozent reduziert.

Die Industrie bediene nur die Nachfrage nach bequemen und sicheren Autos. Wenn deutsche Unternehmen keine SUVs anböten, würde das eben die Konkurrenz tun. "Wollen wir jetzt verordnen, was die Leute zu fahren haben?" Wenzel hielt dagegen: "Mehr als 50 Prozent der Leute kaufen heute einen SUV als Dienstwagen. Da ist eine massive Subventionierung drin." Der Staat solle lieber sparsame und umweltfreundliche Fahrzeuge fördern.

Wissmann gab zwar Fehler der Autokonzerne zu, wies aber die Forderung nach Fahrverboten weit von sich: Das würde die Falschen treffen, nämlich etwa Fahrer von drei Jahre alten Dieseln. Warum werden in Deutschland die Fahrer nicht finanziell entschädigt oder dürfen ihr Auto zurückgeben wie in den USA? Dort gebe es "ein völlig anderes Recht". Er bestritt den Vorwurf Wenzels, er sei jüngst nach Brüssel gereist, um strengere Emissions-Grenzwerte zu verhindern. "Der Vorwurf, wir würden sinnvolle Regulierung verhindern, ist falsch." Wobei das Wörtchen "sinnvoll" durchaus interessant war, denn was das ist, liegt im Auge des Betrachters.

Doch der kleine Trick fiel niemandem auf. Bär lobte neben der Autoindustrie, die auch beim Car-Sharing vorne mit dabei sei, vor allem ihr eigenes Ministerium: Das baue viele Straßen und sorge damit bald für freiere Fahrt. Van de Mars gab zwar zu, dass es "immer schwieriger wird, Parkplätze zu finden". Mindestens genauso regte sie aber auf, dass Flächen in Berlin mit Bikesharing-Rädern aus China "vollgemüllt" würden.

Was fehlte

Die richtigen Fragen. Und die richtigen Gäste. Mit Schneyder einen Kabarettisten einzuladen, lockerte auf. Aber bekennender Autohasser zu sein, reicht nicht aus, um gegen PR-Profis wie Wissmann zu bestehen. Der mit den bedingungslosen PS-Fans Bär und Van de Mars ohnehin in der Überzahl war. So durfte der Ex-CDU-Politiker seelenruhig die Standard-Argumente der Autolobby wiederholen und den Zuschauern Angst um die angeblich vielen Jobs machen.

Doch nur jeder 55. der rund 42 Millionen Erwerbstätigen arbeitet in der Automobilindustrie. Was verfing, waren dennoch die "800.000 Arbeitsplätze". So sehr, dass sogar der Grüne Wenzel die Zahl wiederholte. Auch das Thema Car-Sharing durfte weitgehend als tolle Zukunftsmusik gefeiert werden. Auch hier hätte eine kritische Diskussion Platz haben können, denn aktuelle Studien zeigen, dass solche Angebote auch zu einer Erhöhung des Autoverkehrs führen können.

Was übrig bleibt

Wissmann kam bequem davon, erntete reichlich Zuspruch allein dafür, offensichtliche Fehler "Fehler" zu nennen und den Skandal einen "Skandal". Weitgehend unwidersprochen durfte der VDA-Chef mit viel Zukunftsmusik vom Status quo ablenken und mit relativen Zahlen hantieren. Ebenso musste Bär kaum für die desaströse Bilanz ihres Noch-Chefs Alexander Dobrindt einstecken, der aus gutem Grund sein Ministerium wahrscheinlich bald los sein wird: Deutschland gehört zu den europäischen Schlusslichtern bei Investitionen in den Bahnverkehr, begnügt sich mit mickrigen Marktanteilen in der Elektromobilität und verschwendet durch den Pfusch bei klammheimlichen Verscherbelung der deutschen Autobahnen an private Investoren hunderte Millionen an Steuergeldern.

Letzeren Skandal um die A1 erwähnte Plasberg nicht einmal. Dabei steht er sinnbildlich für die Kurzsichtigkeit und Rückwärtsgewandtheit der deutschen Verkehrspolitik. Könnte der Kern des Problems nicht sein, dass Ex-Verkehrsminister wie Wissmann nahtlos in die Autoindustrie wechseln? Ob das nicht schädliche Klüngelei zulasten von Umwelt und Kunden ist, trauten sich leider weder Plasberg noch Grünen-Politiker Wenzel zu fragen. Zynische Bahnfahrer dürfen sich vielleicht mit einem Fakt trösten: Einen Großteil der Emissionen bekommen die Fahrer im Auto selbst ab.

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