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Olaf Scholz im Cum-Ex-Skandal: So schützt die Bundesregierung den Kanzler


Kritische Cum-Ex-Dokumente vorenthalten
"Wir haben Olaf Scholz – das ist nicht gut"

  • Carsten Janz
Von Carsten Janz

Aktualisiert am 22.01.2024Lesedauer: 4 Min.
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Was haben Olaf Scholz und der Privatbankier Christian Olearius besprochen? Die Bundesregierung verhindert die Aufklärung (Quelle: Imago / dts, Montage)Vergrößern des Bildes
Was haben Olaf Scholz und der Privatbankier Christian Olearius besprochen? Die Bundesregierung verhindert die Aufklärung (Quelle: Imago / dts, Montage) (Quelle: Imago // dts)

Was haben Olaf Scholz und der Warburg-Banker Olearius bei ihren Treffen rund um die illegalen Cum-Ex-Geschäfte besprochen? Der Kanzler beruft sich auf Erinnerungslücken – ein Dokument, das Aufschluss geben könnte, hält die Bundesregierung zurück.

Dreimal hat sich der ehemalige Erste Bürgermeister von Hamburg und heutige Bundeskanzler Olaf Scholz zwischen 2016 und 2017 mit dem Privatbankier Christian Olearius getroffen. Bei den Gesprächen ging es um illegale Cum-Ex-Deals. Soweit ist es klar. Doch was genau bei den Treffen besprochen wurde, dazu schweigt der Kanzler. In den Untersuchungen, die es zu dem Skandal gab und noch gibt, beruft er sich auf Erinnerungslücken.

Wie hilfreich wäre es da, wenn es Schriftliches von Scholz zu den Treffen gäbe. Gesprächsnotizen, Protokolle oder vielleicht ein internes Schreiben, in dem Scholz seine Erinnerungen an die Gespräche niedergeschrieben hätte.

Lange Zeit war nicht bekannt, ob es etwas Schriftliches gibt. Nun kommt heraus: Es existiert ein internes Dokument des Finanzministeriums, das Aufschluss über die Treffen geben könnte. Das geht aus einer Anfrage des Europa-Spitzenkandidaten für das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), Fabio De Masi, hervor. Doch die Bundesregierung hält das Dokument zurück, verweigert Akteneinsicht, behindert somit die Aufklärung im Cum-Ex-Skandal.

Es geht um mehr als 100 Millionen Euro

Im Cum-Ex-Skandal der Privatbank M. M. Warburg & Co. geht es um mehr als 100 Millionen Euro. Die Bank soll sich nicht gezahlte Steuern erstatten lassen haben. Als das 2016 auffiel und eine Rückzahlung drohte, hat der Warburg-Chef mit dem damaligen Ersten Bürgermeister der Stadt Hamburg Kontakt aufgenommen. Die drei Treffen zwischen den beiden waren lange Zeit geheim. Olaf Scholz musste jeweils nach Medienberichten die Treffen einräumen.

Die Frage, was bei den Treffen besprochen wurde, ob und wie Olaf Scholz dann Einfluss auf das Steuerverfahren genommen hat, ist bis heute nicht im Detail geklärt. Scholz hat dazu in unterschiedlichen Parlamenten aussagen müssen. Mehrfach im Finanzausschuss des Bundestages und später auch im Hamburger Untersuchungsausschuss rund um die Cum-Ex-Deals. Klar ist mittlerweile, dass seine Erinnerungslücke rund um diese Gespräche vorgeschoben ist und nicht der Wahrheit entspricht. t-online und auch die "Welt" konnten das nach dem Einblick in interne Dokumente des Bundesfinanzministeriums belegen.

Dieses Dokument steht im Kontext der Finanzausschusssitzung des Bundestages vom 1. Juli 2020. Diese Sitzung und auch die dazugehörigen Protokolle waren lange Zeit nicht öffentlich und das Gesagte damit nicht belegbar. Weil sich aber spätere Aussagen des damaligen Finanzministers, nämlich die Erinnerungslücken zu den Olearius-Treffen, nicht mit diesen Sitzungsprotokollen deckten, erwirkten die Parlamentarier eine nachträgliche Veröffentlichung der Protokolle.

Nun zeigt sich: Die Erinnerungslücken waren im Juli 2020 noch kein Thema. Wörtlich antwortete Scholz im Protokoll auf eine Frage von Fabio De Masi (damals Linke, heute Spitzenkandidat des BSW): "Man habe über viele Dinge gesprochen. [...] Er habe sich lediglich die Sicht der Dinge von Christian Olearius angehört."

"Übersendung Vorbereitung M"

Um weitere Details dieses Gesprächs herauszufinden, könnte nun der interne Schriftsatz hilfreich sein. Fabio De Masi ist derzeit zwar kein Bundestagsabgeordneter mehr, doch auch nach seinem Ausscheiden aus dem Parlament im September 2021 engagiert er sich weiterhin für die Aufklärung des Falls. Im Mai 2023 stellte er eine Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz und bat um alle "Kommunikation, Schriftwechsel und Dokumente, die innerhalb des Bundesministeriums für Finanzen im Hinblick auf frühere Kontakte von Olaf Scholz zum Warburg-Gesellschafter Christian Olearius existieren".

Das Ministerium sträubte sich auch nach einem Widerspruch von De Masi, alle konkreten Dokumente herauszugeben, musste aber eine Übersicht geben, was für Dokumente hierzu existieren. Eines, das nicht zur Verfügung gestellt wurde, heißt "Übersendung Vorbereitung M für Sitzung Finanzausschuss 1. Juli 2020", "M" steht für den Minister Olaf Scholz.

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Der Grund, warum das Ministerium dieses Vorbereitungspapier nicht übersendet: das Steuergeheimnis von Christian Olearius. "Scholz verheimlicht seine Ministervorlage zu Kontakten mit Olearius und versteckt sich dabei hinter dem Steuergeheimnis. Gleichzeitig behauptet er, er habe sich gar nicht konkret mit dem Steuerverfahren befasst", sagt Fabio De Masi zu dieser Intransparenz des Kanzlers. "Ein Widerspruch."

Bundesregierung wehrt sich

Doch De Masi hatte eine Idee. Christian Leye, letztes Jahr noch Mitglied der Fraktion Die Linke, heute wie De Masi im BSW und dort Generalsekretär, stellte nach Absprache eine Anfrage auf Akteneinsicht. Schließlich ist er Mitglied im Parlament und das Dokument lediglich mit der geringen Geheimhaltungsstufe "Verschlusssache – Nur für den Dienstgebrauch" eingestuft. "Regelmäßig und ohne Aufforderung werden uns Abgeordneten Dokumente mit gleichem Geheimhaltungsgrad per Mail zugesandt", sagt Leye und hatte Hoffnung, Einblick in das Papier zu bekommen. Doch er wurde enttäuscht.

Das Ministerium verweigerte die Einsicht. Die Begründung: "Die Bundesregierung hat zwar die verfassungsrechtliche Pflicht, parlamentarische Fragen von Abgeordneten oder Fraktionen des Deutschen Bundestages wahrheitsgemäß und grundsätzlich vollständig zu beantworten", schreibt die Staatssekretärin im Finanzministerium. "Es besteht jedoch kein Anspruch auf Aktenvorlage, Dokumentenherausgabe oder Zeugenaussagen."

"Wir haben stattdessen Scholz – das ist nicht gut."

Christian Leye sieht damit seine Arbeit als Mitglied der Opposition beschnitten. "Dokumente wie dieses sind für mich von zentraler Bedeutung, um meinem Auftrag als gewählter Oppositionspolitiker nachzukommen", sagt er t-online. Es sei seine Pflicht, ein kritisches Auge auf das Regierungshandeln zu werfen. "In einer Zeit, in der das Vertrauen in die Politik derart erschüttert ist, bräuchten wir einen Kanzler, der solchen Fragen mit offenem Visier begegnet. Wir haben stattdessen Olaf Scholz – das ist nicht gut."

Auch BSW-Europa-Spitzenkandidat Fabio De Masi kritisiert das Finanzministerium. Das Dokument wurde nur für den Dienstgebrauch angefertigt und für eine Sitzung erstellt, die mittlerweile nicht mehr dem Geheimschutz unterliegt. "Dass den Abgeordneten trotzdem keine Einsicht in das Dokument gewährt wird, beweist doch: Scholz fürchtet die Wahrheit wie der Teufel das Weihwasser!"

Das Bundesfinanzministerium teilte t-online auf Nachfrage genau das mit, was es auch an Christian Leye schrieb. Es bestehe "kein Anspruch auf Aktenvorlage, Dokumentenherausgabe oder Zeugenaussagen."

Verwendete Quellen
  • Schriftverkehr zwischen Christian Leye (BSW) und dem Finanzministerium
  • Anfrage BMF
  • Telefonate Büro Leye
  • Kleine Anfrage von Fabio De Masi
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