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Neue Corona-Regeln: Das Covid-Chaos kommt zurück


Tagesanbruch
Das Covid-Chaos kommt zurück

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 25.08.2022Lesedauer: 4 Min.
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Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.
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Visualisierung des Coronavirus. (Quelle: imago-images-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

es ist nicht ja so, dass wir zu wenig Sorgen hätten. Putin dreht den Gashahn zu, Butter kostet schon mehr als drei Euro, im Baumarkt ist Brennholz ausverkauft, und die ewige Sonne trocknet das Land aus. In Zeiten wie diesen sehnt man sich nicht nur nach guten Nachrichten, sondern auch nach Klarheit. Die Dinge sollen einfach mal klappen, und allgemeine Regeln sollen bitte verständlich und gerecht sein.

Für das neue Corona-Regelwerk der Ampelregierung gilt weder das eine noch das andere. Was die Minister Karl Lauterbach und Marco Buschmann da vorgestellt haben, muss man dreimal lesen, um es halbwegs zu verstehen. Weil die SPD hü sagt und die FDP hott, hat die Bundesregierung ein Hühott-Gesetz auf den Weg gebracht: Statt Klarheit mutet sie den Bürgern einen Schwurbelkompromiss zu, der keine vier Wochen Bestand haben dürfte, sollte sich die Covid-Lage im Herbst wie erwartet verschärfen.

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"Drei-Stufen-Plan" nennen der Gesundheits- und der Justizminister ihren Plan, der ab Oktober gelten soll. Das klingt nach Klarheit und ist doch das Gegenteil davon. Die Maskenpflicht gilt zwar weiterhin bundesweit in Flugzeugen (bis auf Regierungsmaschinen, da gestattet man sich Sonderregeln), Krankenhäusern und Pflegeheimen – einzelne Bundesländer können die Pflicht darüber hinaus jedoch auch in weiteren Innenräumen verhängen, also in Restaurants, Theatern, Büros und so weiter. Der absurde Regel-Flickenteppich, der schon während der Hochphase der Pandemie mehr Verwirrung als Nutzen gestiftet hat, kommt zurück.

Und dann gibt es auch noch die Ausnahmen: Wer einen negativen Test vorlegt, darf ohne Maske unterwegs sein, außerdem können die Länder weitere Erleichterungen für frisch Geimpfte oder jüngst Genesene beschließen – aber nur, wenn diese vor höchstens drei Monaten … Moment, ich sehe noch mal nach … oder nein … oder doch …? Na ja, jedenfalls soll sich das alles durch eine neue Kontrollfunktion in der Corona-App kontrollieren lassen. Aber soll die App nicht bald abgeschafft werden, da war doch was? Doch, soll sie.

So wird das Covid-Chaos komplett. Für sich genommen mag jede einzelne Bestimmung ihre Begründung haben, doch aufs Ganze gesehen gleicht die neue Corona-Regelliste der Speisekarte in einem chinesischen Schnellrestaurant: 427 durchnummerierte Gerichte, von "Glasnudelaufgelaufe" bis "Reis mit Huhnchen-Kassiber", und kein Mensch blickt durch. Man muss halt irgendwas servieren, also schreibt man irgendwas zusammen. Sogar die Ampelleute selbst tun sich schwer, ihr eigenes Paragrafengestrüpp zu erklären. "Was die Regierung vorlegt, wird von den Bürgern nicht verstanden. Das Regelchaos bleibt", kommentiert unsere Gesundheitsredakteurin Christiane Braunsdorf. "Der Kompromiss könnte schon bald ins Wanken geraten", berichten unsere Reporter Johannes Bebermeier und Tim Kummert. Kein Wunder, dass es von den publizistischen Kanzeln, in den sozialen Netzwerken und aus Wohnzimmern von Flensburg bis Füssen Kritik hagelt.

Bevor wir jedoch in den Chor der Beschwerdeführer einstimmen, halten wir einen Moment inne und stellen uns eine einfache Frage: Warum sind wir hierzulande eigentlich so fixiert auf penible Regeln und verbindliche Vorschriften? Wieso gelingt es uns nicht, die großen Herausforderungen mit mehr Gelassenheit und vor allem mehr Verantwortung für uns selbst und unsere Mitmenschen zu bewältigen? Sicher, ein paar Grundregeln muss die Regierung festsetzen – aber bitte einfach verständlich und einheitlich für alle Zweibeiner zwischen Nordsee und den Alpen (auch die in Kanzlerflugzeugen!). Aber alle Sondersituationen, Eventualitäten und Unwägbarkeiten könnte man doch schlicht und einfach mal den Bürgern selbst überlassen – im Vertrauen darauf, dass sich die Mehrheit rücksichtsvoll und vernünftig verhält. Sei es das Abstandhalten, das Testen oder eben die Maske.

Das wird natürlich nicht überall und nicht mit jedem gelingen, aber nachdem sich die meisten Leute mittlerweile eh schon mal angesteckt haben, wäre selbst das verkraftbar. Und nach zweieinhalb Jahren Pandemie einen Versuch wert. Wäre doch schön, wir würden als Gesellschaft langsam mal etwas reifer, statt immer nur nach oben zu schielen und wahlweise nach neuen Regeln zu rufen oder die Regeln zu geißeln. Versuchen wir's doch mal.


Was steht an?

Kanzler Olaf Scholz hat der Ukraine mehr Waffen zugesagt. Einlösen kann er sein Versprechen vermutlich erst im kommenden Jahr. Heute besucht er zunächst die Waffenschmiede von Kraus-Maffei Wegmann in Oldenburg und inspiziert die Ausbildung ukrainischer Soldaten auf dem Bundeswehr-Truppenübungsplatz in Putlos. Gibt bestimmt starke Bilder.


Der Bundesgerichtshof verkündet sein Urteil zu den Revisionen im Mordfall Walter Lübcke. Der Kasseler Regierungspräsident wurde 2019 erschossen. Das Oberlandesgericht Frankfurt hat den Rechtsextremisten Stephan Ernst wegen des Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt, aber einen zweiten Mann vom Vorwurf der Beihilfe freigesprochen. Revision eingelegt haben beide Angeklagte, die Bundesanwaltschaft und die Nebenkläger. Der Verfassungsschutz sagt: Der Rechtsextremismus ist die größte Bedrohung unserer Demokratie.


Apropos Neonazis: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gedenkt heute der Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen vor 30 Jahren. Er legt Blumen am Sonnenblumenhaus nieder, diskutiert mit Schülern und Anwohnern und besucht den buddhistisch-vietnamesischen Tempel. Die Bundes-Migrationsbeauftragte Reem Alabali-Radovan und der Ostbeauftragte Carsten Schneider haben für unsere Redaktion sechs Lehren aufgeschrieben, die sich aus dem Pogrom ziehen lassen.


In Bangladesch gedenken Rohingya-Flüchtlinge heute des fünften Jahrestages des Beginns ihrer Flucht aus dem benachbarten Heimatland Myanmar. Damals begann das Militär des mehrheitlich buddhistischen Myanmars seinen Vernichtungsfeldzug gegen die muslimische Minderheit. Zigtausende Rohingya starben, Hunderttausende flohen.


Um 18 Uhr ist es so weit: Bei der Auslosung der Gruppenphase der Champions League sind gleich fünf deutsche Mannschaften dabei – das gab es noch nie. Auf welche Gegner können die deutschen Teams treffen? Meine Kollegin Melanie Muschong gibt Ihnen den Überblick.


Was lesen?

Die finnische Regierungschefin Sanna Marin muss sich immer noch Vorwürfen erwehren, weil sie ausgelassen gefeiert hat. Mein Kollege Jonas Mueller-Töwe hält das für einen Skandal.


Sollte Deutschland sich Putin beugen und die Erdgas-Pipeline Nord Stream 2 doch in Betrieb nehmen? t-online-Leser haben uns ihre Meinungen geschickt, Mario Thieme hat sie zusammengefasst.

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Filme aus Japan waren im Westen lange Zeit eher unbekannt. Das änderte sich spätestens 1950. Woran das lag, lesen Sie auf unserem Historischen Bild.


Was amüsiert mich?

So gesehen hat die Maskenpflicht doch ihr Gutes.

Ich wünsche Ihnen einen guten Tag.

Herzliche Grüße

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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