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Zukunftsvisionen: Das kann einem Angst machen


Tagesanbruch
Das kann einem Angst machen

  • Peter Schink
MeinungVon Peter Schink

Aktualisiert am 14.10.2022Lesedauer: 6 Min.
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Biometrische Netzhaut-Erkennung (Symbolbild): Mit dem virtuellen Meta-Universum sollen menschliche Interaktionen neu definiert werden.Vergrößern des Bildes
Biometrische Netzhaut-Erkennung (Symbolbild): Mit dem virtuellen Meta-Universum sollen menschliche Interaktionen neu definiert werden. (Quelle: LV4260/Thinkstock by Getty-Images-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

das ist doch alles Bullshit. Entschuldigen Sie den Anglizismus, er ist an dieser Stelle einmal angebracht. Wer unsere Zukunft zu verstehen versucht, muss sich seit einiger Zeit erst einmal durch Berge von unverständlichen Begrifflichkeiten wühlen: NFT, Augmented und Virtual Reality, Immersive Web, Künstliche Intelligenz, Internet of Things, Data Lakes, Cloud Services. Erst in dieser Woche kam wieder eines dieser neuen Gadgets auf den Markt. Die VR-Brille "Oculus Quest Pro", wir berichteten.

Der Schriftsteller Antoine de Saint-Exuéery hat in seinem Buch "Citadelle" einmal geschrieben: "Es ist nicht das Schiff, das durch das Schmieden der Nägel und Sägen der Bretter entsteht. Vielmehr entsteht das Schmieden der Nägel und Sägen der Bretter aus dem Drang nach dem Meere und dem Wachsen des Schiffes."

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Wir sollten also weniger über neue Virtual-Reality-Brillen reden, sondern darüber sprechen, welches Meer wir damit bereisen wollen – wofür wir sie in einer fernen oder nahen Zukunft brauchen. Oder darüber, ob wir sie überhaupt brauchen.

Jemand, der sich mit diesem Thema bestens auskennt, ist Mark Zuckerberg, dessen Facebook-WhatsApp-Instagram-Konzern Meta hofft, mit virtuellen Realitäten auf der "Oculus" auf das nächste ganz große Ding zu setzen. Er hat dem ganzen Unternehmen verordnet, die eigene Zukunft in Virtual Reality (VR) zu sehen. Wenn man bedenkt, dass Metas Plattformen weltweit von 3,6 Milliarden Menschen benutzt werden, ahnt man, dass da etwas Großes entstehen könnte.

Wirklich? Die meisten Menschen würden sich heute keine VR-Brille aufsetzen.

Der Grund ist einfach: Wir sehen keinen Nutzen darin. Solche Brillen sind bislang was für Spiele-Fans.

Doch man würde Zuckerberg nicht verstehen, wenn man die Brille darauf reduziert. Er selbst spricht von einer 10- bis 15-Jahres-Vision. Er will, dass im Jahr 2030 mindestens eine Milliarde Menschen Teil seines neuen Meta-Universums sind, und menschliche Interaktionen darin neu definiert werden.

Das kann einem Angst machen, wenn man das derzeitige Geschäftsmodell von Meta betrachtet. Denn bei Facebook werden durch Algorithmen die Äußerungen belohnt, die besonders drastisch menschliche Emotionen hervorrufen. Kritiker sagen, Zuckerberg habe den Facebook-Algorithmus bis heute nicht im Griff. Man kann aber auch die Chancen des Metaverse sehen: In der Medizin, der Bildung, im Städtebau, in der Produktionsplanung wird sich womöglich viel verändern. Potenzielle Anwendungsfälle gibt es reichlich.

Aber ist das Metaverse auch etwas, das unseren Alltag bereichern wird? Zuckerbergs VR-Brille funktioniert derzeit mit einer Ansammlung von 400 Apps, eine davon ist "Horizon Worlds", Metas zentrales Universum. Mit Avataren können wir darin interagieren.

Also ganz praktisch gedacht: Können wir uns einen Kita-Elternabend im "Horizon Worlds" vorstellen? Wohl eher nicht. Da reicht eine normale Videokonferenz aus. Rechner oder Handy rausholen, fertig. Technik für den Alltag muss einfach zu bedienen sein, das weiß auch Zuckerberg. Deshalb will Meta die klobige VR-Brille schon bald ergänzen, "Horizon Worlds" soll auch per Browser zugänglich werden. In einigen Jahren soll Meta auch mit Brillen benutzbar sein, durch die man "normal" sehen kann. So wird aus der "virtuellen Realität" (VR) eine "augmente Realität" (AR). Es lassen sich so digitale Informationen in die reale Welt projizieren.

Doch dem Metaverse fehlt für die Alltagstauglichkeit nicht nur ein einfacher Zugang. Es fehlt auch die eine Applikation, die jeder ständig benutzen will. Etwas mit hohem Mehrwert. Sonst bleibt das Metaverse eine Spielwiese für Nerds, wie früher "Second Life" und heute "Decentraland". Da ist noch ein langer Weg zu gehen, heißt es bei Meta.

Was also bereichert unser Leben wirklich? Claus Kleber hat im t-online-Podcast "Zeitraffer" diese Woche gesagt, er hätte es vor einigen Jahren nicht für möglich gehalten, dass wir einmal über jede Information innerhalb von Sekunden an jeder Straßenecke verfügen können. Diese Zukunft ist heute Realität. Und da ist noch lange nicht alles erfunden.

Bei der Digitalisierung der "menschlichen Interaktion" kann das Metaverse wegweisend sein. Wenn es denn einfach bedienbar und bezahlbar wird. Gleichzeitig arbeitet Elon Musk daran, dass unser Hirn künftig mit dem Internet interagiert (und das funktioniert schon). Interaktion wird dann wirklich ein großes Ding.

Angst kann einem da machen, wohin die Entwicklung führen könnte. Technik kann zum Guten eingesetzt werden, aber auch zum Gegenteil. Wir müssen deshalb darauf achten, bei alldem unsere Bedürfnisse als Menschen im Blick zu behalten. Erfindungen müssen uns dienen, nicht andersherum.

Es gibt viele drängende Fragen: Wie kann unser Planet zehn Milliarden Menschen ernähren? Wie kann Bildung besser funktionieren? Wie gestalten wir die Zukunft unserer Städte und ländlichen Räume? Wie sieht Mobilität in hundert Jahren aus? Steckt die Zukunft der Wirtschaft in mehr Produktivität oder besserer Qualität? Wie kann Demokratie besser funktionieren? Wenn Zuckerbergs neues digitales Spielzeug hilft, solche Themen anzugehen, ist es sinnstiftend.

Zuckerbergs Vision ist so groß. Was aber nach mehreren Jahren Entwicklungszeit bislang zu sehen ist, ist noch ernüchternd.


Was steht an?

Alle fünf Jahre kommt in Peking die Kommunistische Partei zu ihrem einwöchigen Parteikongress zusammen. Wenn das Spektakel am Sonntag beginnt, werden alle Augen auf einen Mann gerichtet sein: Xi Jinping. Lange hat kein Diktator in China eine derartige Macht genossen, seine Wiederwahl zu einer ungewöhnlichen dritten Amtszeit gilt als sicher. Formell ist es eine demokratische Wahl. Rund 2.300 Delegierte repräsentieren mehr als 90 Millionen Parteimitglieder, sie wählen die circa 200 Mitglieder des Zentralkomitees. Doch de facto hat die Führungsriege um Xi die Delegierten selbst ausgewählt, die neuen Posten sind längst vergeben.

Im Westen lässt sich allenfalls an Nuancen festmachen, wie viel Rückhalt Xi in der eigenen Partei genießt. Er könnte zum "Großen Vorsitzenden" ernannt werden, es würde ihn auf eine Stufe mit Mao heben. Klar ist aber auch, dass seine Null-Covid-Strategie dem Land wirtschaftlich schwer zugesetzt hat. Auf dem Parteitag wird das aber nur eine untergeordnete Rolle spielen.

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Morgen unterhalte ich mich im Tagesanbruch am Wochenende mit den geschätzten Kollegen Lisa Fritsch und Marc von Lüpke darüber, ob der Krieg in der Ukraine eine Wendung erfahren könnte. Am Montag lesen Sie hier von unserem politischen Korrespondenten Fabian Reinbold.

Herzliche Grüße

Ihr

Peter Schink
Stellvertretender Chefredakteur t-online
Twitter: @peterschink

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Mit Material von dpa.

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Anmerkung: In einer früheren Version des Artikels war das Zitat von Antoine de Saint-Exuéery falsch wiedergegeben. Wir haben es nachträglich korrigiert.

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