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Warmes Wetter in Deutschland: Das ist überhaupt nicht mehr schön


Tagesanbruch
Das ist überhaupt nicht mehr schön

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 27.10.2022Lesedauer: 5 Min.
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Ein herbstlicher Tag im Watt der Nordsee (Symbolbild): Wo ist bitte das Wasser hin?Vergrößern des Bildes
Ein herbstlicher "Sommertag" im Watt der Nordsee. (Quelle: Sina Schuldt/dpa-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

"Wann wird's mal wieder richtig Sommer – ein Sommer, wie er früher einmal war?" Schimpfen Sie mich einen Nostalgiker oder meinetwegen auch eine Schmalzlocke, aber ich mag den Song von Rudi Carrell. Sowohl die Melodie als auch den Text als auch das Video vom Wunschkonzert anno 1975, obwohl das heutzutage vermutlich den Gender-Zensoren zum Opfer fallen würde.

Rudis Liedchen kommt mir immer dann in den Sinn, wenn es länger als anderthalb Stunden regnet oder der Himmel wolkenverhangen ist. So wie vorgestern kurzzeitig und gestern auch kurz und heute Morgen ein Viertelstündchen lang und … Ja genau, wenn ich länger als 30 Sekunden darüber nachdenke, ertappe ich mich selbst dabei, wie absurd mein Eindruck ist. Erst recht nach diesem heißen Sommer, erst recht in diesem seltsam warmen Herbst. Mir wird dann klar, dass wir hierzulande erstens von schönem Wetter ziemlich verwöhnt sind und dass zweitens das schöne Wetter mittlerweile gar nicht mehr schön ist.

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Im Gegenteil. Es ist viel zu warm. Es nieselt, tröpfelt und schüttet zu selten. Der Rudi mag mich aus dem Grabe heraus schelten, aber heutzutage müssten wir eigentlich kollektiv trällern: Wann wird's mal wieder richtig regnen? Ein Regen, wie's ihn früher einmal gab? Das Gegenteil ist der Fall; wer heute Morgen in den Wetterbericht schaut und nicht völlig abgestumpft ist, dem steigt die Wärme zu Kopfe: Bis zu 27 Grad Celsius sollen hierzulande in den kommenden Tagen herrschen. Ende Oktober! "Das ist wirklich sehr extrem", sagt der Meteorologe Andreas Gassner im Gespräch mit meiner Kollegin Sonja Eichert. "Das geht in Richtung Temperaturrekord. Vor allem in einigen Regionen Süddeutschlands könnte es sein, dass es dort noch nie einen so warmen Oktober gegeben hat."

Temperaturschwankungen gibt es, seit es Wetter gibt. Doch der langfristige Trend ist fatal: Die Durchschnittstemperatur steigt kontinuierlich, das Klima heizt sich rasant auf. Das bedeutet nicht einfach, dass sich der Herbsturlaub am Mittelmeer eigentlich erübrigt, weil man auch in Berlin, Bremen und Berchtesgaden bis in die Wintermonate hinein im T-Shirt herumspazieren kann. Es bedeutet vor allem, dass wir ein gewaltiges Problem haben, das von Jahr zu Jahr, von Monat zu Monat und von Woche zu Woche gravierender wird.

Wenn die Umweltbehörde der Vereinten Nationen heute ihren neuen Emissionsbericht veröffentlicht, sollten wir deshalb genau zuhören. Zehn Tage vor Beginn der Weltklimakonferenz in Ägypten fasst er die aktuellen Entwicklungen zum weltweiten Ausstoß von Treibhausgasen zusammen. Die Details erfahren wir heute Mittag, der Trend ist aber schon klar: Die Erderhitzung beschleunigt sich, und alles, was die Länder der Welt bisher dagegen tun, ist nicht mehr als der unselige Tropfen auf den heißen Stein.

Wer verhindern will, dass sich unser Planet in ein chaotisches Treibhaus verwandelt, muss jetzt handeln. Nicht nur die Herren Scholz, Biden, Xi und all die anderen Staatenlenker. Sondern auch Sie und ich und alle anderen Menschen, die Interesse an einer stabilen Zukunft für sich und ihre Nachkommen haben. Gestern habe ich aufgemerkt, als der Audi-Chef autofreie Sonntage forderte. Zwar begründete er das mit der Energie- und nicht mit der Klimakrise, aber wenn schon der Boss eines führenden Autokonzerns so was sagt, ist es doch höchste Zeit, dass alle Vernünftigen sich endlich zusammenschließen und auch für den Klimaschutz konsequent handeln: Schluss mit Fliegen, dafür Tempolimit und Rindfleischverzicht. Eigentlich ist glasklar, was die Uhr geschlagen hat. Würde sogar der Rudi verstehen.


Jubilar des Tages

90.000 Stolpersteine in 26 europäischen Ländern hat Gunter Demnig schon verlegt. Mit den Gedenktafeln aus Messing im Trottoir erinnert der Künstler an die Opfer der Nazizeit: Sie zeigen, wo die Menschen lebten, bevor sie deportiert und ermordet wurden. Als Demnig vor dreieinhalb Jahren in Berlin-Kleinmachnow einen Stolperstein für meine Verwandte Liesel verlegte, lernte ich ihn als feinen, zurückhaltenden Menschen kennen, der sein Leben einer großen Aufgabe gewidmet hat. Heute wird er 75 Jahre alt. Wenn ich könnte, würde ich ihm sämtliche Orden Europas verleihen.


Ein bisschen Frieden

Zwei Jahre dauerten die Verhandlungen unter Vermittlung der USA, heute sollen sie zum Abschluss kommen: Israel und der Libanon haben sich auf eine gemeinsame Seegrenze im Mittelmeer verständigt. Angesichts der Tatsache, dass sich die Länder formal seit 1948 im Krieg befinden und keine diplomatischen Beziehungen unterhalten, ist der von beiden Seiten benutzte Begriff vom "historischen Abkommen" durchaus angemessen. Gegenstand des Konflikts war ein 860 Quadratkilometer großes Gebiet vor der Küste der Staaten, in dem sich Erdgasvorkommen befinden.

Der Kompromiss sieht nun vor, dass Israel das südliche Gasfeld Karisch ausbeuten darf, während der Libanon das nördliche Gasfeld Kana zugesprochen bekommt – wobei er einen Teil der Einnahmen an Israel zahlen muss, weil das Gebiet in die israelische Wirtschaftszone hineinragt. Für den wirtschaftlich schwer gebeutelten Libanon bedeutet das zumindest eine Perspektive – und auch der israelische Premierminister Jair Lapid gewinnt durch den Vertrag an Statur. Am 1. November wählen die Israelis mal wieder ein neues Parlament, und in den Umfragen liegt der Regierungschef derzeit hinter Oppositionsführer und Ex-Premier Benjamin Netanyahu. Da kommt ihm ein handfester Beleg für außenpolitische Handlungsfähigkeit gerade recht.

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Plötzlicher Geldsegen

Die Konjunkturprognosen der Wirtschaftsforscher sehen düster aus, doch wenn Finanzminister Christian Lindner heute Nachmittag das Ergebnis der Herbst-Steuerschätzung vorstellt, kann er wohl trotzdem ein kräftiges Plus verkünden: Gegenüber der letzten Steuerschätzung vom Mai dürfen Bund, Länder und Gemeinden über den Prognosezeitraum von 2022 bis 2026 etwa 110 Milliarden Euro mehr erwarten, vermutet das "Handelsblatt". Der Staat profitiert dabei unter anderem von der hohen Inflation: Wenn Waren teurer werden, steigen auch die Einnahmen aus den Steuern, die darauf zu entrichten sind. Vor allem die Mehrwertsteuer spült mehr Geld in die Staatskassen. Zum Ausgleich hat Lindner angekündigt, den Grundfreibetrag bei der Einkommenssteuer im kommenden Jahr stärker zu erhöhen als zunächst geplant. Einkommenssteuer soll dann erst ab 10.908 Euro fällig werden. Wenn heute auch noch die Europäische Zentralbank eine kluge Zinsentscheidung trifft, kann das endlich mal wieder ein guter Finanztag werden.


Ruhmreicher Piepmatz

Der Naturschutzbund Deutschland und der Landesbund für Vogel- und Naturschutz geben heute den Vogel des Jahres 2023 bekannt. Alle Gefiederfans durften abstimmen, fünf Kandidaten standen zur Wahl: Braunkehlchen, Feldsperling, Neuntöter, Teichhuhn und Trauerschnäpper. Ich habe nicht mitgemacht, weil mein Lieblingsvogel der Weißbürzelsteinschmätzer aus der Familie der Fliegenschnäpper ist. Den hab' ich vor Jahren in der Sahara getroffen, dort wird er Mula-Mula genannt. Fand ich ein bisschen einfallslos, was ich den Tuareg auch gesagt habe. Haben die mir doch glatt 'nen Vogel gezeigt.


Was lesen?

Erst Atomkraft, jetzt Hamburger Hafen: Innerhalb kürzester Zeit drückt Kanzler Olaf Scholz der Regierung zweimal seinen Willen auf. Mit welch harten Bandagen jetzt beim China-Deal gekämpft wurde, berichten meine Kollegen Johannes Bebermeier und Fabian Reinbold.


Ein Dutzend Manager sind in Russland seit Jahresbeginn ums Leben gekommen, die meisten unter mysteriösen Umständen. Was dahinterstecken könnte, berichtet Ihnen meine Kollegin Clara Lipkowski.



Der Omikron-Subtyp Cerberus breitet sich schnell in immer mehr Ländern aus. Ist er gefährlicher als seine Corona-Vorgänger? Meine Kollegin Christiane Braunsdorf berichtet Ihnen, was schon bekannt ist.


Was amüsiert mich?

In Hamburg ist man jetzt noch weltmännischer.

Ich wünsche Ihnen einen weitsichtigen Tag.

Herzliche Grüße

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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