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Deutschland: Bürger sparen – und Regierung verschwendet 777 Millionen Euro


Tagesanbruch
777 Millionen Euro für Firlefanz

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 01.03.2023Lesedauer: 6 Min.
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Olaf Scholz will das Bundeskanzleramt noch größer ausbauen.Vergrößern des Bildes
Olaf Scholz will das Bundeskanzleramt noch größer ausbauen. (Quelle: Jörg Carstensen/dpa)

Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

gestern Abend beim Einkauf habe ich einen Schreck bekommen. Nicht weil Frau Giffey auf ihr Berliner Bürgermeisteramt verzichtet, nee, damit hatte ich gerechnet. Wahl verloren, Sondierungen vergurkt, letzte Rettung Juniorpartnerin der CDU, so springt wenigstens noch ein Senatorenposten raus. Hatte sich abgezeichnet während der tagelangen Hängepartie in der Hauptstadt.

Einen Schock (na ja, oder ein Schöckchen) löste etwas anderes bei mir aus: der Käse. Gruyère aus der Schweiz, den mag ich gern. Am Stück natürlich. Dazu einen Kanten Appenzeller, den alten, ebenfalls ein Gaumenschmaus. Gönnte mir auch noch ein Stückchen Saint Agur, den herrlich schimmeligen Blauschimmelkäse aus dem Örtchen Beauzac im Département Haute-Loire in der Region Auvergne-Rhône-Alpes, also südöstlich von Lyon gelegen, was bekanntlich Frankreichs kulinarische Hochburg ist. Ja, ich liebe Käse. So sehr, dass ich manchmal sogar Käse schreibe, aber das ist ein anderes Thema.

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Jedenfalls schlenderte ich gut gelaunt mit meiner gut gefüllten Käsetüte von der Käsetheke zur Kasse und platzierte meinen Schatz auf dem Band. "Macht 28 Euro vierunsechzsch", nuschelte die Dame an der Kasse. Da war meine gute Laune dahin. Fast 30 Euro für drei Stück Käse? Ich sah mich um, die Schlange der hinter mir wartenden Kunden entlang. Blickte in müde Gesichter und auf erschöpfte Hände, die Wägelchen schoben, in denen wenig lag: ein wenig Toast, etwas Joghurt oder Tütensuppe, keiner vollgeladen. Die kaufen alle nur das Nötigste, schoss es mir in den Sinn, und ich schämte mich für meine Käsetüte.

"Wollnse noch mal überlegen? Dann gehnse ma zurück!", schnaubte die Dame von der Kasse nun vernehmbarer. Doch weil ich es eilig hatte, zückte ich schnell mein Portemonnaie (der Tagesanbruch musste ja noch geschrieben werden, der ist manchmal echt eine Plage, kann ich Ihnen sagen, aber auch das ist ein anderes Thema). Zahlte, ächzte und ging. 28 Euro vierunsechzsch, Mannomann!

Ich bin natürlich nicht der Einzige, der nun im Alltag solche Schreckmomente erlebt. Marktforschern zufolge sorgen die gestiegenen Preise bei mehr als der Hälfte der Bürger für Wut und Empörung. Es ist alles so teuer geworden! Das Holzbrett im Baumarkt, das Öl in der Heizung, die Tomaten im Supermarkt (zum Glück mag ich keine Tomaten, wenigstens da bin ich fein raus). In Hamburg sorgte gestern ein Edeka-Markt für Schlagzeilen, der eine Salatgurke für sage und schreibe 3,29 Euro vertickte. Eine Gurke! Mein lieber Herr Gesangsverein. Die Inflation ist eine Plage, und mittlerweile ist sie wirklich überall im Alltag angekommen. Kein Wunder, dass viele Leute in Bredouille geraten, dass Rentner jeden Euro zweimal umdrehen, Familien ihren Urlaub streichen, Studenten wochenlang nur noch Müsli mampfen.

Doch während wir Einkäufer über die horrenden Preise staunen, scheinen andere Leute den Bezug zu Geldsummen verloren zu haben. Schon bevor Putin uns mit seinem elenden Krieg die Inflation eingebrockt hat, seither jedoch noch augenfälliger. Ich gebe Ihnen ein paar Beispiele. 305 Verträge mit "externen Beratern" hat die Ampelregierung allein im ersten Halbjahr ihrer Regierungszeit abgeschlossen. Kosten: 271 Millionen Euro aus Steuergeld. Weitere 290 Millionen Euro kostet der aufgeblähte Bundestag in dieser Legislaturperiode zusätzlich, weil darin 138 Abgeordnete mehr als regulär sitzen. Hinzu kommen viele weitere Millionen für zusätzliche Mitarbeiter, zusätzliche Büros für die zusätzlichen Mitarbeiter, zusätzliche Limousinen für die zusätzlichen Abgeordneten und zusätzlichen Mitarbeiter.

Und dann ist da noch das Bundeskanzleramt, das für – Achtung! – 777 Millionen Euro zur größten Regierungszentrale der Welt aufgepumpt werden soll: 400 zusätzliche Büros, zwei schicke Brücken über die Spree, vergrößerter Hubschrauberlandeplatz, vergrößerte Kanzlerwohnung, Gärtnerei und weiterer Firlefanz inklusive. Angela Merkel hat den Gigantismus mit ihrem Vertrauten Helge Braun geplant – offenbar im Bestreben, immer mehr Macht aus den Ministerien in die Regierungszentrale zu ziehen und dort byzantinisch anmutende Parallelstrukturen aufzubauen. Olaf Scholz hat nichts dagegen und lässt die Planungen vorantreiben. So entsteht ein Betonmonster, viermal größer als das Weiße Haus in Washington.

Nun könnte man denken: In harten Zeiten wie diesen, in denen wir jeden Euro für die Bundeswehr, Windräder und Witwenrenten bräuchten, sollten alle Bürger solidarisch sein und den Gürtel etwas enger schnallen. Also auch jene Bürger, die gerade auf Regierungssesseln sitzen dürfen und eine Vorbildfunktion haben, derer man sich nicht nur an der Supermarktkasse erinnert. Ja, das könnte man denken. Leider wohl falsch gedacht. Diese Erkenntnis war dann mein zweites Schöckchen gestern Abend.


Späte Einsicht

Immerhin backt Frau Giffey nun kleinere Brötchen: Sie will in einer CDU-geführten Regierung als Juniorpartnerin unterschlupfen und nimmt dafür in Kauf, dass der Kontrahent Kai Wegner an ihrer statt Regierender Bürgermeister wird. Für die notorisch überhebliche Berliner SPD ist das mehr als ein Schöckchen, für die notorisch biedere Landes-CDU ist es eine gewaltige Herausforderung. Seit Eberhard Diepgen hat es mehr als 20 Jahre gedauert, bis die Schwarzen sich von Misswirtschaft und Finanzskandalen in der Hauptstadt berappeln konnten.

Nun aber wünschen sich die Berliner nach der Wiederholungswahl mehrheitlich einen Machtwechsel im Roten Rathaus: 45 Prozent der Befragten sprechen sich einer t-online-Umfrage zufolge für eine Große Koalition unter Führung der CDU aus. Heute Nachmittag will der SPD-Parteivorstand die neue Linie der Demut beschließen. Vielleicht das Beste daran: Die notorisch extreme Linkspartei fliegt dann aus der Regierung.


Baerbocks Hundeschule

Bevor Annalena Baerbock heute Nachmittag zum Treffen der G20-Außenminister nach Indien jettet, hat sie noch eine Herzensangelegenheit zu erledigen: die Vorstellung ihrer "Leitlinien feministischer Außenpolitik". Die will die deutsche Chefdiplomatin mit einer eigenen Botschafterin und einem 80 Seiten starken Katalog als Arbeitsprinzip im Auswärtigen Amt verankern (hier das PDF). "Frauenrechte sind ein Gradmesser für den Zustand unserer Gesellschaften", heißt es darin, eine feministische Außenpolitik ziele auf die Gleichstellung von Frauen und Mädchen weltweit. Alles richtig, keine Einwände.

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Was an dem Papier irritiert, ist der Duktus. "Die Botschafter*in wird für das Mainstreaming feministischer Außenpolitik Sorge tragen", steht da etwa, und dass 85 Prozent der Projektmittel "gendersensibel" auszugeben seien, 8 Prozent sogar "gendertransformativ". Außerdem gelte es, einen "feministischen Reflex auszubilden".

Wie schrieb die Journalistin Jagoda Marinić kürzlich in der "Süddeutschen Zeitung": "Eine feministische Haltung vermittelt man aber nicht wie in der Hundeschule. Sie ist kein Drill, sie lebt eher vom Hinterfragen als von Indoktrination. Leitlinien, die das Auswärtige Amt formuliert, sollten anders klingen." Touché, würde ich sagen.


Männer unter sich

Apropos Gender: Diktatoren sind ja meistens Männer. So auch in Belarus, dessen Obermacker Alexander Lukaschenko seit gestern in China weilt, wo er vom dortigen Oberobermacker Xi Jinping hofiert wird. Putin-Kumpels unter sich. Es gehe darum, den Ausbau der Zusammenarbeit zwischen den beiden "umfassenden strategischen Partnern" zu besprechen, geruhte das Außenministerium in Peking mitzuteilen. Allerdings ist diese "strategische Partnerschaft" für Belarus ungleich wichtiger als für China: Für den Machthaber aus Minsk dürfte es sich schon als Erfolg anfühlen, mal jemand anderen zu treffen als den großen Bruder in Moskau.


Bild des Tages

Was ist das wohl? Und ist es 20 Millionen britische Pfund wert? So viel soll das "Abstrakte Bild" des deutschen Malers Gerhard Richter auf der heutigen Versteigerung in London einbringen. In Zeiten fallender Börsenkurse und steigender Immobilienzinsen gilt Kunst reichen Leuten als begehrte Geldanlage. Mir würde schon ein Poster genügen.


Was lesen?

In Griechenland hat sich in der Nacht eine Tragödie abgespielt. Bei einem Zusammenstoß zweier Züge sind Dutzende Menschen getötet worden. Retter versuchen, in den zerschellten Waggons Überlebende zu finden.


Jede Woche ertrinken Kriegsflüchtlinge und Migranten im Mittelmeer. Volker Wissing will nun die Arbeit von Seenotrettern gesetzlich behindern. Die Kollegen der ARD haben den menschenverachtenden Plan des FDP-Ministers aufgedeckt.


Die Welt ist unsicherer geworden, das war schon vor Russlands Angriff auf die Ukraine klar. Nur hat die deutsche Politik nicht die notwendigen Schlüsse daraus gezogen. Woran das lag und was nun geschehen muss, erklärt der Sicherheitsexperte Ulrich Schlie im Gespräch mit meinem Kollegen Marc von Lüpke.


Bald stehen die deutschen Nationalspieler erstmals seit der verkorksten Weltmeisterschaft wieder auf dem Rasen. Der dauerverletzte Torwart Manuel Neuer wird nicht dabei sein. Bahnt sich da schon ein Abgang an? Mein Kollege Benjamin Zurmühl ist der Frage nachgegangen.


Was war?


Was amüsiert mich?

Habeck will Wärmepumpen, Lindner findet Gas dufte. Und nun?

Ich wünsche Ihnen einen fröhlichen Tag.

Herzliche Grüße

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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