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Forsa-Studie lügt: So schlimm steht es nicht um Deutschland


Tagesanbruch
Ein Wert, der schockiert

  • Peter Schink
MeinungVon Peter Schink

Aktualisiert am 17.08.2023Lesedauer: 5 Min.
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Deutscher Bundestag (Symbolbild): Wie schlecht steht es um Deutschland? (Quelle: IMAGO/Achille Abboud)

Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

es sind Umfragewerte, die schockieren sollen. 69 Prozent der Deutschen sind der Ansicht, der Staat sei nicht in der Lage, seine Aufgaben zu erfüllen. Sagt eine Studie von Forsa, beauftragt vom Deutschen Beamtenbund.

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Nun muss man solche Umfragen zunächst einmal hinterfragen. Natürlich hat die Beamtengewerkschaft ein intrinsisches Interesse, die Welt in dunklen Farben zu malen. Um dann mehr Personal und bessere Arbeitsbedingungen zu verhandeln. Und natürlich hat die Stimmung auch etwas mit dem aktuellen Zustand der Regierung zu tun. Aber gut zwei Drittel der Bevölkerung meinen, der Staat sei überfordert? Da lohnt es sich, tiefer einzusteigen.

Die Studie offenbart noch mehr Details: Die wichtigste Aufgabe des Staates sei die Wahrung der sozialen Gerechtigkeit, finden 63 Prozent der Bürgerinnen und Bürger, insbesondere im Osten. Im Westen dagegen treibt eher der Klimawandel die Menschen um. Aber auch Migration und Digitalisierung sind wichtige Themen – bei denen die Menschen den Staat für überfordert halten. Und zu guter Letzt: 80 Prozent der Menschen geben an, dass die Gesellschaft zunehmend verrohe.

Nun ist es ja nicht so, dass solche Umfragewerte zwingend die Realität widerspiegeln. Die Zahlen zeigen, wie wir die Welt sehen. Welches Bild wir von unserer Republik haben. So viel kann man auf jeden Fall sagen: Es ist ein sehr düsteres.

Tatsache ist: Wir haben bis dato eines der besten Gesundheitssysteme der Welt, die Arbeitslosigkeit ist so niedrig wie kaum irgendwo innerhalb Europas, wir sind die viertgrößte Wirtschaftsmacht weltweit. Es gibt darüber hinaus eine Vielzahl von Themen, die uns Sorge bereiten: Digitalisierung, Migration, Bildung, Klimakrise, Verkehr, Rente, Bürokratie. Einige davon sind schwer greifbar. Hat Deutschland seine Migrationsthemen gut oder schlecht im Griff? Ist die Rente sicher oder nicht? Wie gut sind wir beim Bürokratieabbau? Vieles davon lässt sich unterschiedlich bewerten.

Doch die Bundesbürger haben offenbar ein sehr negatives Bild vom Staat.

Im Alltag erleben wir, was alles nicht funktioniert. In den Bürgerämtern bekommt man keinen Termin, in der Schule fällt Unterricht aus, die Notrufnummer 112 ist überlastet. Und wir Journalisten berichten noch mehr: von gestrandeten Regierungsfliegern, liegengebliebenen Anträgen oder Problemen der E-Akte. Da kann schon der Eindruck entstehen, dass der Staat seinen Aufgaben nur noch bedingt gewachsen ist. Aber repräsentativ ist das alles nicht.

In der Tat sind die Herausforderungen deutlich komplexer als früher, oder lassen sich auf nationaler Ebene gar nicht lösen. Und weil die Realität komplizierter wird, ist es für Politiker auch zunehmend schwierig, Lösungen zu kommunizieren und politische Debatten in verständlicher Sprache zu führen. Dann macht uns das neue Heizungsgesetz Sorge, aber wir verstehen gar nicht mehr, wo das Problem genau liegt. Letztlich stellt sich so ein Gefühl ein: Das funktioniert doch alles nicht mehr.

Ob der Staat schlechter funktioniert als früher, ob er wirklich überfordert ist? Es ist schwer, das mit Sicherheit zu sagen. Jeder bildet sich da seine eigene Meinung. In einer Demokratie richtig und gut. Aber je subjektiver und weniger faktenbasiert diese Meinungsbildung abläuft, desto problematischer ist es am Ende.

Viele Politiker haben deshalb in der Vergangenheit versucht, ihr Handeln faktenbasiert zu begründen. Beim Kampf gegen die Corona-Krise hat das schon einigermaßen gut funktioniert, in anderen Bereichen haben wir Nachholbedarf. Ein Beispiel: Bis heute gibt es keine ordentlichen Zahlen, wie viele Lehrer in Deutschland fehlen. Und auch nicht, ob die politischen Maßnahmen der vergangenen Jahre das Problem verbessert haben. Dabei ließen sich die Erbsen (Lehrerstellen, Kinder, Unterrichtsstunden) recht leicht zusammenzählen.

Also: Transparenz hilft, die Realität besser zu erfassen. Zu sehen, wo der Staat wirklich handlungsfähig ist. Und wo er überfordert ist und keine Lösungen findet.

Doch wir müssen uns auch an unsere eigene Nase fassen. Warum beschäftigen wir uns überhaupt mit Studien wie der von Forsa, die nur eine "gefühlte" Wahrheit messen? Lesen wir so etwas, bleibt am Ende in unserem eigenen Kopf vor allem hängen: "Der Staat ist überfordert." Dabei haben die Befragten nur ihr Bauchgefühl zum Besten gegeben. Mit der Realität hat das wenig zu tun. Klar, solche Studien passen ganz gut zu unserer deutschen Seele: Früher war eben alles besser!

Wir sind also gut beraten, genau hinzuschauen. Und Umfrage-Institute sollten Meinungen dort abfragen, wo Menschen auch wirklich eine fundierte Meinung abgeben können. Und nicht nur ein Gefühl zu den Fakten.


Die Termine

In Ghanas Hauptstadt Accra treffen sich die Militärchefs der 15 Staaten der westafrikanischen Staatengemeinschaft Ecowas. Sie wollen ihre Pläne konkretisieren, um militärisch in Niger einzugreifen. Ziel sei, die verfassungsgemäße Ordnung nach dem Militärputsch wieder herzustellen. Vertreter der Ecowas haben bislang immer wieder betont, sie würden eine diplomatische Lösung vorziehen. Passenderweise besucht heute Entwicklungsministerin Svenja Schulze das Nachbarland Nigeria, das derzeit den Ecowas-Vorsitz innehat. Auch sie hat sich schon mehrfach für eine friedliche Lösung eingesetzt.

Die Bundeswehr bildet bereits seit einem Jahr ukrainische Soldaten aus, mehrere Tausend bislang. Das soll heute auch öffentlich gezeigt werden, bei der Ausbildung auf dem Leopard I und dem Schützenpanzer Marder im sachsen-anhaltinischen Klietz. Die Bundeswehr setzt dabei übrigens vor allem auf Übersetzer aus den eigenen Reihen: Soldaten mit Ukrainisch- und Russischkenntnissen übersetzen alles, was die Ukrainer wissen müssen. Einzige Voraussetzung für Panzerfahrer beim ukrainischen Militär ist ein Traktorführerschein.

Morgen ist es dann endlich so weit. Die erste Fußball-Bundesliga startet in die neue Saison. Den Auftakt machen Freitagabend Werder Bremen und der FC Bayern. Nach Werders frühem Ausscheiden aus dem DFB-Pokal vergangene Woche und der Supercup-Pleite des FCB darf man gespannt sein, wer besser in die Saison startet.


Was lesen?

Um die Region Bergkarabach wird kaum noch berichtet, dabei befürchten Beobachter einen Völkermord. Aus Wut und Verzweiflung ist ein Mann barfuß von Berlin nach Hamburg gejoggt. Mein Kollege Gregory Dauber hat seine Geschichte aufgeschrieben.

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Gina Lückenkämper war bereits Europameisterin und Sportlerin des Jahres. Doch das soll es noch lange nicht gewesen sein, erzählt sie im Gespräch mit meiner Kollegin Melanie Muschong.


Das historische Bild

Normalerweise wollen die Menschen eher den Adlern gleich die Lüfte erobern, 1909 sorgte aber eine "Libelle" für Aufsehen. Lesen Sie hier.


Zum Schluss

Über Gefahren der Cannabis-Legalisierung wurde viel gesprochen. Unser Karikaturist sieht durchaus auch Vorteile.

Ich wünsche Ihnen einen sommerlichen Tag ohne Unwetter. Morgen schreibt David Schafbuch an dieser Stelle.

Herzliche Grüße

Ihr
Peter Schink
Stellvertretender Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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