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Verteidigungspolitik der Ampel löst Verwunderung aus: Das braucht es jetzt


Tagesanbruch
Nach dem Schritt nach vorne orientierungslos

  • David Schafbuch
MeinungVon David Schafbuch

Aktualisiert am 18.08.2023Lesedauer: 5 Min.
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Bundeswehrsoldat in Rheinbach: Die deutschen Soldaten sollen in Zukunft besser ausgestattet werden. (Quelle: Christoph Hardt/imago images)

Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

Reden ist das eine, Handeln das andere. Das ist keine neue Erkenntnis. Aber ich musste in diesen Tagen vermehrt an diese Binsenweisheit denken, wenn es um unsere Regierung und unseren Kanzler geht.

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Am 27. Februar 2022, drei Tage nach Beginn der russischen Invasion in der Ukraine, hielt Olaf Scholz im Bundestag seine viel beachtete "Zeitenwende"-Rede. Die Welt nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine sei nicht mehr dieselbe wie zuvor. Deutschland müsse das Land jetzt unterstützen: "Sie kämpfen für Freiheit und ihre Demokratie, für Werte, die wir mit ihnen teilen."

Klar sei aber auch: Deutschland müsse mehr in seine eigene Verteidigung investieren. "Wir brauchen Flugzeuge, die fliegen, Schiffe, die in See stechen, und Soldatinnen und Soldaten, die für ihre Einsätze optimal ausgerüstet sind", verkündete der Kanzler unter Applaus. Dafür richtete die Bundesregierung ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro ein.

In den eineinhalb Jahren nach dieser Rede hat sich Deutschland verändert. Die ukrainischen Soldaten verteidigen sich mit vielen deutschen Waffen gegen die russischen Möchtegern-Eroberer – auch wenn sich Deutschland in seinen Entscheidungen nicht nur aus ukrainischer Sicht viel Zeit lässt. Im Verteidigungsministerium sitzt mittlerweile ein Minister, der den Job auch wirklich macht. Und doch fühlt es sich manchmal so an, als würde Deutschland einen Schritt nach vorne gehen, um dann wieder etwas die Orientierung zu verlieren.

Das lässt sich schön an zwei Meldungen in dieser Woche erkennen. Am Donnerstagmorgen verkündete das israelische Verteidigungsministerium eine Einigung mit den Amtskollegen aus den USA: Dadurch kann Deutschland das israelische Raketenabwehrsystem "Arrow 3" kaufen. Die Kosten sollen zwischen 3,5 und 4 Milliarden Euro liegen. Die Regierung bezahlt es aus dem 100-Milliarden-Sondervermögen.

Für Israel ist es der größte Rüstungsdeal der Geschichte, für Olaf Scholz ist es ein eingelöstes Versprechen. Das System soll Teil eines neuen europaweiten Luftverteidigungssystems werden. Mit seiner Hilfe können Angriffe aus bis zu 100 Kilometer Höhe abgewehrt werden.

Video | "Arrow 3": Das kann der neue Raketenschutzschirm
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Quelle: t-online

Mit Verteidigung und Sicherheit ist es so eine Sache: Sie ist nicht nur kostspielig. Man hofft immer, dass das ganze Gerät niemals eingesetzt werden muss. Abgesehen von Übungszwecken und Wartungsarbeiten stehen viele Waffen dann einfach nur herum – und die meisten Menschen würden kaum daran denken, dass es sie überhaupt gibt.

Doch wenn etwas passiert, was unsere Sicherheit erschüttert, stellen sich plötzlich Fragen: Sind wir darauf vorbereitet? Was können wir einem möglichen Angriff entgegensetzen – und vor allem wie lange? "Mehr oder weniger blank." Dieses Urteil fällte der Inspekteur des Heeres, Alfons Mais, über seine Truppe am Morgen nach dem Einmarsch von Wladimir Putins Soldaten in die Ukraine im vergangenen Jahr.

Das Raketenabwehrsystem wird dafür sorgen, dass Deutschland und auch andere Länder ein klein bisschen weniger blank sind als heute. Wird das System jemals eine Rakete abwehren müssen, die möglicherweise aus Russland in unsere Richtung fliegt? Im staatlich gelenkten russischen Fernsehen wird gerne darüber fantasiert. Wirklich akut ist die Bedrohung Stand heute trotzdem nicht. Auf den Ernstfall vorbereitet zu sein, ist trotzdem richtig. Wie gesagt: Mit der Sicherheit ist es so eine Sache.

Die Genehmigung für "Arrow 3" ist die eine Meldung, die in dem Zusammenhang gerade wichtig ist. Aber es gibt noch eine weitere. Am Mittwoch bestätigte die Regierung Berichte, das sogenannte Zwei-Prozent-Ziel der Nato doch nicht gesetzlich festschreiben zu wollen. Es sieht vor, dass Deutschland und alle weiteren Nato-Mitglieder pro Jahr zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts in die Verteidigung investieren. Laut "Süddeutscher Zeitung" habe vor allem das Auswärtige Amt Zweifel an dem Vorhaben des Verteidigungsministeriums gehabt, da die Nato das verabredete Ziel auch wieder ändern könnte. Man wolle stattdessen weiter dafür sorgen, dass das Ziel im mehrjährigen Durchschnitt erreicht wird.

Das Zwei-Prozent-Ziel ist keine neue Erfindung. Es existiert in dieser Form bereits seit 21 Jahren – und es steht auch für ein Versprechen von Bundeskanzler Olaf Scholz. Man werde künftig mehr als zwei Prozent jährlich ausgeben, kündigte der Kanzler in seiner "Zeitenwende"-Rede an – und wiederholte diesen Anspruch erst im vergangenen Monat: Das Zwei-Prozent-Ziel sei ab jetzt das Minimum, sagte Scholz auf seiner Sommerpressekonferenz: "Das wird auch so bleiben, auch wenn das Sondervermögen aufgebraucht ist."

Der Kanzler würde wohl an dieser Stelle sagen, dass beide Feststellungen sich nicht ausschließen. Natürlich kann Deutschland das Ziel in den kommenden Jahren erreichen, ohne dass es gesetzlich festgeschrieben ist. Auch sind Investitionen in die Bundeswehr kein Selbstzweck. Nur durch mehr Geld werden sich viele Zustände in der Truppe nicht bessern. Der Apparat ist noch immer aufgebläht, während sich gleichzeitig ein großer Personalmangel auftut. Die Verwaltung ist hoch kompliziert und schwerfällig: Das erkennt jeder, der einmal versucht, sich mit den Abläufen des Beschaffungsamtes in Koblenz vertraut zu machen. Die abgegebenen Waffen und anderen Materialien an die Ukraine haben zudem die Bestände des deutschen Militärs weiter ausgedünnt.

Deshalb gehört auch zur Wahrheit: Ohne höhere Ausgaben wird es nicht gehen. Deutschland erreichte die Zwei-Prozent-Marke zuletzt 1991. Und wer das aktuelle Binnenklima in der Bundesregierung verfolgt, dem könnte schnell ein Gedanke kommen: Absprachen, die nicht gesetzlich festgezurrt sind, können in dieser zerstrittenen Regierung jederzeit wieder gekippt, ausgehebelt oder blockiert werden. Stichworte: E-Fuels, Gebäudeenergiegesetz oder zuletzt das Wachstumschancengesetz.


Start in eine turbulente Saison?

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Ohrenschmaus

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Nils Petersen stand viele Jahre für den SC Freiburg auf dem Platz, ist dort eine Ikone. Nach seinem Karriereende hat er mit Melanie Muschong über die Branche gesprochen.


Zum Schluss

Tanzen kann manchmal befreiend sein, glaube ich.

Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Freitag und ein schönes Wochenende. Morgen hören Sie an dieser Stelle unseren Podcast "Diskussionsstoff" mit Lisa Fritsch.

Herzliche Grüße

Ihr
David Schafbuch
Redakteur Politik, Wirtschaft & Gesellschaft
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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