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Fifa-Boss Infantino: So scheiterte sein Plan einer unpolitischen WM 2022


Fifa-Boss Infantino
Sein großer Albtraum wird wahr

MeinungVon Benjamin Zurmühl

Aktualisiert am 22.11.2022Lesedauer: 4 Min.
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Gianni Infantino beim WM-Eröffnungsspiel: Der Fifa-Präsident wünscht sich ein unpolitisches Turnier.Vergrößern des Bildes
Gianni Infantino beim WM-Eröffnungsspiel: Der Fifa-Präsident wünscht sich ein unpolitisches Turnier. (Quelle: IMAGO/Charlotte Wilson / Offside)

Es sollte eine glitzernde WM werden. Fehlerfrei, glänzend – und vor allem unpolitisch. Doch der Plan der Fifa scheitert schon in den ersten Tagen.

Guten Morgen aus Doha,

Gianni Infantino hatte einen Plan. Wenn der Ball rollt, ist Ruhe. Dann geht's endlich ums Sportliche, die WM-Kritiker schweigen. Die Debatten rund um Menschenrechte, Frauenrechte und Homosexualität in Katar haben endlich ein Ende. Voller Fokus auf den Fußball.

Dafür hat der Fifa-Präsident vor zwei Wochen eine Nachricht an die WM-Teilnehmer gerichtet. Unter anderem hieß es darin: "Lassen Sie bitte nicht zu, dass der Fußball in jeden ideologischen oder politischen Kampf hineingezogen wird, den es gibt." Zwei Wochen und vier WM-Spiele später heißt das Ergebnis: Der Plan ist krachend gescheitert.

Allein der gestrige Montag bot mehr politischen Zündstoff als manch eine WM über die vollen vier Wochen. Zum einen waren da die europäischen Teams wie England, Deutschland oder die Niederlande, die wegen angedrohter Fifa-Sanktionen auf ihre "One Love"-Armbinde verzichten. Zum anderen war da die iranische Nationalmannschaft, die bei der Hymne schwieg und unter tosendem Applaus der mitgereisten Fans gefeiert wurde.

Ein Zeichen der Solidarität mit den Protesten im Land. In der Heimat wurden diese Szenen im TV zensiert. Umso überraschender war es, dass die von der Fifa produzierten Stadionbilder eine vor Stolz weinende Iranerin zeigten. Gerade auch im Hinblick auf die guten Beziehungen zwischen Katar und dem Iran.

Als Katars Nachbarn in der Golfregion zwischen 2017 und 2021 für eine Blockade des WM-Gastgebers sorgten, gab es von der iranischen Regierung Unterstützung. Vermutlich auch deshalb schwiegen Katar und die Fifa in den vergangenen Wochen, als Aktivisten einen WM-Ausschluss des Iran forderten.

Aber kommen wir zurück zum Politikum um das Stück Stoff am Arm von Kapitänen wie DFB-Torwart Manuel Neuer. Die besagte "One Love-"Armbinde war vor Kurzem noch verpönt gewesen in Deutschland. Als der DFB im September die Binde vorstellte, folgte von vielen Seiten Häme und Spott.

Sie galt als billiger Kompromiss zur Regenbogenbinde. Den Kritikern war es zu wenig Signal, zu wenig Symbol in einem Land, in dem Homosexualität zu einer Gefängnisstrafe führen kann. Der Fifa war jedoch selbst die "One Love"-Variante zu viel.

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Die Binde, die also bis vor zwei Tagen in Deutschland noch eher gleichgültig wahrgenommen worden war, war plötzlich in aller Munde. Es folgte ein politisches Statement nach dem anderen aus diversen Ländern. Das mit dem Schweigen, wenn der Ball rollt, hatte sich Infantino wohl erfolgreicher vorgestellt. Sein Albtraum von einer politischen WM wird wahr.

Noch interessanter wird das ganze Theater bei einem Blick auf die Alternative, die die Fifa bot. Statt "One Love" war am Nachmittag auf dem Oberarm von Englands Kapitän Harry Kane "No Discrimination" zu lesen. Aha. Eigentlich meinen beide Bekundungen das Gleiche. Nur die Formulierung ist eine etwas andere. Und die macht offenbar die Musik.

Es bleibt abzuwarten, inwieweit die Fußballer reagieren werden. Die englischen Torschützen jubelten über ihre Tore ganz normal. Doch mir fallen ein paar Spieler bei dieser Weltmeisterschaft ein, denen ich ein symbolträchtiges Zeichen bei einem Treffer zutrauen würde. Einer davon ist der deutsche Nationalspieler Leon Goretzka.

Bei der EM im vergangenen Jahr formte er vor den ungarischen Fans mit seinen Händen ein Herz. Und vielleicht wiederholt er diese Geste, sollte er bei der WM ebenfalls treffen. Gegen Japan am Mittwoch hat er dafür die erste Chance.

WM-Anekdote

Auch wenn in Katar an gefühlt jeder Straßenecke Helfer stehen, die einem den Weg zur nächsten U-Bahn-Station, zum nächsten Bus-Shuttle oder Stadion zeigen, merkt man immer wieder, dass der Umgang mit solchen Fanmassen Neuland für Katar ist. Gut festmachen lässt sich das an einer Szene nach dem Länderspiel zwischen England und dem Iran.

Weil die Warteschlange für den Zugang zur U-Bahn-Station am Khalifa-International-Stadium zu lang ist, wählen einige Fans einen anderen Weg. Sie wollen zum Eingang auf der anderen Straßenseite, denn der ist leer. Das Problem: Sie müssen eine Straße überqueren, die pro Fahrtrichtung vier Spuren hat und nach dem Spiel viel befahren ist. Trotzdem gibt es ausgerechnet von einem Polizisten das Signal, schnell auf die Mittelinsel zu rennen.

Dort angekommen warten die Fans auf eine Lücke zwischen den Autos, die sie für sich nutzen können. Plötzlich nähert sich ein Polizeiwagen mit Blaulicht und bremst ab. Der Fahrer ruft in gebrochenem Englisch: "Weg von der Straße, ihr könnt hier nicht lang. Geht zurück!" Die Antwort: "Ihr Kollege sagte, wir sollen es hier versuchen." Die Reaktion des Polizisten: Er setzt zurück und stellt sein Auto diagonal auf mehrere Spuren, blockiert so die Straße und macht den Weg für die Fans frei. Das nenne ich mal einen spontanen Sinneswandel.

Heutige WM-Spiele

11 Uhr, Gruppe C: Argentinien gegen Saudi-Arabien
14 Uhr, Gruppe D: Dänemark gegen Tunesien
17 Uhr, Gruppe C: Mexiko gegen Polen
20 Uhr, Gruppe D: Frankreich gegen Australien

Weitere Hinweise

Ich fasse mich kurz, da das heutige "Telegramm aus Doha" bereits lang genug ist: Argentinien ist seit 2019 ungeschlagen und zählt nicht nur deswegen zu den Topfavoriten bei dieser WM. Wenn die "Albiceleste" um Superstar Lionel Messi gegen Saudi-Arabien mindestens ein Unentschieden holt, hat sie den Rekord von Italien mit 37 ungeschlagenen Länderspielen am Stück eingestellt.

Die WM in Katar läuft. t-online ist mit vor Ort und berichtet über das brisanteste Turnier der Fußballgeschichte. Mit dem WM-Push verpassen Sie keine News mehr. Hier können Sie ihn abonnieren.

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