t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomePolitikTagesanbruch

Queen Elizabeth II. ist tot (✝96): Das Ende einer Ära – zerbricht die Monarchie?


Tagesanbruch
Zerbricht jetzt die Einheit?

  • Bastian Brauns
MeinungVon Bastian Brauns

Aktualisiert am 09.09.2022Lesedauer: 7 Min.
Meinung
Was ist eine Meinung?

Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.
Königin Elizabeth II. und ihr erster Premierminister Winston Churchill im Jahr 1950.Vergrößern des Bildes
Königin Elizabeth II. und Winston Churchill im Jahr 1950: Er war ihr erster Premierminister. (Quelle: United Archives International/imago-images-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

eine meiner ersten Erinnerungen an die Queen ist bunt: Briefmarken in allen erdenklichen Farben, so wie die Kostüme der Königin. Damals, als Kinder Anfang der 90er Jahre waren für uns die kleinen, gezackten Rechtecke mit dem Konterfei von Elizabeth II. ungeheuer wertvoll und sogar ein bisschen magisch.

Mit Wasserdampf lösten wir sie vorsichtig von Postkarten und Paketen aus dem Königreich ab, ließen sie trocknen, sortierten sie in Briefmarkenalben ein und tauschten doppelte Paare gegen Farben, die uns noch fehlten.

Briefmarken waren damals eigentlich auch schon total oldschool. Bald tauschten wir stattdessen Sticker in der Schule. Es war eine Zeit, in der viele sogar noch ein Telefon mit Wählscheibe zu Hause hatten und die Deutsche Telekom noch die gelbe Bundespost war. Ist das alles unvorstellbar lange her. Wie alt sind wir geworden? Die wenigsten von uns sind 96.

Loading...
Symbolbild für eingebettete Inhalte

Embed

Um den Tod der Queen und die Bedeutung für die britische Bevölkerung zu begreifen, kann man sich eines vor Augen führen: Während ihrer Regentschaft erlebte Elizabeth II. 15 Premierminister und Premierministerinnen, 14 US-Präsidenten, alle 8 deutschen Bundeskanzler und eine Bundeskanzlerin. Während Elizabeth II. auf dem Thron saß, amtierten 7 Päpste im Vatikan. Mit der Queen geht ein ganzes Jahrhundert.

Doch die Queen hinterlässt ihr Königreich in seiner wohl tiefsten politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Krise. Die Bevölkerung verarmt, das Gesundheitssystem ist marode, die Folgen des Brexits treten jetzt erst zutage, der Wert des britischen Pfunds fällt derzeit ins Bodenlose, die Premierminister und Premierministerinnen wechseln inzwischen fast so häufig wie die Kollegen in Italien.

Auch die Monarchie zeigt Auflösungserscheinungen und steht vor einer ungewissen Zukunft. Selbst das, was von dem einst stolzen Weltimperium noch übrig ist, droht infolge von aufflammender Konflikte, sei es in Nordirland oder Schottland, noch weiter zu zerfallen.

Obwohl das Vereinigte Königreich und mit ihm das sich weltweit erstreckende Commonwealth, in dessen Staaten rund 30 Prozent der Weltbevölkerung leben, längst keine Weltmacht mehr ist:

Die Queen verlieh dieser stolzen, traditionsreichen und nach wie vor reichen Nation bis zuletzt noch den glorreichen Glanz eigentlich längst vergangener Zeiten. Und das, obwohl unter ihr die ehemalige Kolonie Hongkong an China zurückging und etwa Barbados das Commonwealth verließ.

Die Briten singen bis heute lauthals "Rule, Britannia!" bei der legendären "Last Night of the Proms" in der Royal Albert Hall in Kensington, London. Außenstehende empfinden solche Veranstaltungen womöglich als überkommene, nationalistische Nostalgie. Vielen Briten dienen solche Anlässe aber auch der eigenen Selbstvergewisserung. Der Tod der Queen droht, hier ein Loch reißen.

Die Menschen sehnen sich nach Kontinuität. Sie verheißt Sicherheit, besonders in Zeiten der Krise. Nicht ohne Grund versammelten sich vor dem Buckingham Palace schnell Tausende Menschen und sangen halb trauernd, halb hoffend "God save the King" – eine Zeile der Nationalhymne, an die sich wohl jeder nach 70 Jahren erst einmal gewöhnen muss. Es muss irgendwie weitergehen. Irgendwie.

Wie bittere Ironie wirkt es, dass die Queen ihr Land und ihre Leute nun ausgerechnet jetzt verlassen hat. Nur wenige Stunden, nachdem sie der neuen, schon jetzt hochumstrittenen Premierministerin Liz Truss die Hand geschüttelt und sie zur Regierungschefin ernannt hatte. Die Nachfolgerin von Boris Johnson wurde bereits als "menschliche Handgranate" bezeichnet, weil sie so viel Chaos verursachen würde.

Die neue Premierministerin weiß, dass mit dem Tod der Queen noch mehr auf ihrem Amt lastet. "Königin Elizabeth II. war der Fels, auf dem das moderne Großbritannien errichtet wurde. Unser Land ist unter ihrer Herrschaft gewachsen und gediehen", sagte sie in einem Statement. Der Fels in der Brandung ist weg. Die Wellen schlagen jetzt umso höher.

Egal, wie chaotisch Boris Johnson als Premierminister gewesen ist. Die Queen wirkte trotz ihrer weitgehenden politischen Unsichtbarkeit wie ein stabilisierender Faktor. Selbst wenn alles schieflief, dann war da immerhin noch sie, die sich seit mindestens 40 Jahren gefühlt äußerlich kaum mehr verändert hatte. Elizabeth II. war für die meisten eben schon immer die Oma. Älter konnte eigentlich immer nur "Queen Mum" sein, die im Jahr 2002 mit 101 Jahren verstarb.

Jetzt folgt Elizabeth II. ihr ewig wartender, immer etwas glücklos und tollpatschig wirkender Sohn Prinz Charles nach. Seit dem 8. September ist er nun der König des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland. Ob er imstande ist, die historische Aura der Queen, die schon den Zweiten Weltkrieg und dessen einigende Wirkung voll miterlebt hat, im 21. Jahrhundert mit allen seinen Krisen weiterzuführen, wird von vielen bezweifelt.

Premierministerin Truss bat deshalb nicht ohne Grund um Unterstützung für den neuen König.

"Während wir trauern, müssen wir als Volk zusammenkommen, um ihn zu unterstützen. Ihm zu helfen, die enorme Verantwortung zu tragen, die er jetzt für uns alle trägt. Wir bieten ihm unsere Loyalität und Hingabe an, so wie sich seine Mutter so vielen, so lange, so viel gewidmet hat", so Truss.

Womöglich fehlt Charles aber das, was es immer schon brauchte: Die Aura der britischen Monarchen, die zugleich mit einer stets abgeschotteten Abwesenheit und kostspieligem Pomp einherging, immer aber auch Grund für heftige Kritik war. Aber die Queen hatte eine Art unsichtbaren Vertrag mit ihrem Volk geschlossen. Ihre Gegenleistung war es stets, das würdevolle Antlitz der Nation zu verkörpern. Einen Riss bekam es nur, nachdem Prinzessin Diana im 1997 tödlich verunglückt war. Niemand konnte damals verstehen, warum Elizabeth so kühl und scheinbar ungerührt wirkte angesichts des tragischen Tods von Lady Di, der Mutter der Prinzen William und Harry.

Die Queen aber vermochte es, selbst diesen Makel schließlich fast vergessen zu machen. In den vergangenen Jahren avancierte sie gerade bei der Jugend fast schon zu einer Art Kultfigur. Ihr berühmter Humor und ihre Bereitschaft, auch bei technologischen Trends der digitalen Medien mitzumachen, halfen dabei.

Loading...
Loading...
Loading...
Täglich mehr wissen

Abonnieren Sie kostenlos den kommentierten Überblick über die Themen, die Deutschland bewegen. Datenschutzhinweis

Zuletzt geschah das vor rund drei Monaten, als sie sich mit der berühmten Kinderfigur Paddington Bear zum "Tea" traf und so gar nicht kalt und stocksteif wirkte, wie Sie hier im Video sehen können.

Doch die Unruhen bei der Royal Family kratzten zuletzt immer mehr am Image der Monarchie. Ob es um den Missbrauchskandal um Prinz Andrew, dem zweitältesten Sohn der Queen ging. Oder Harry, der als Prinz dem königlichen Leben den Rücken kehrte, und dessen Frau Meghan, die öffentlich im Fernsehen gegen die Zustände in der Familie herzog.

Es ist viel ins Wanken geraten in Großbritannien – politisch, wirtschaftlich, gesellschaftlich. Elizabeth II. war womöglich das Letzte, worauf sich die Briten noch einigen konnten. Nostalgie reicht dazu nicht aus. Was jetzt noch kommen soll, darauf müssen sich die Menschen ohne die altehrwürdige Eminenz im Hintergrund verständigen.

Die Queen ist tot. Es lebt der King.


Was steht an?

In Brüssel kommen die EU-Energieminister zu einem Sondertreffen zusammen. Beraten wird über Notfallmaßnahmen wegen der stark gestiegenen Energiepreise. In einem ersten Diskussionspapier schlägt die EU-Kommission vor, sowohl Stromsparmaßnahmen einzuführen als auch übermäßige Gewinne von bestimmten Stromproduzenten abzuschöpfen.

Heute beginnt der Parteitag der CDU. Friedrich Merz steht dabei mehr unter Druck, als es den Anschein hat. Das liegt vor allem an seiner fragwürdigen Personalpolitik, wie meine Kollegin Miriam Holstein schreibt.

Mein Kollege Tim Kummert hat darüber hinaus mit dem dienstältesten Ministerpräsidenten Deutschlands, Reiner Haseloff, ein Interview geführt. Es geht um die Wandlung der Partei – und die Frage, ob Haseloffs Frau auch Ministerpräsidentin hätte werden können.


Was lesen?

Lügen und Propaganda sind ein Haupterzeugnis des Kremls. Doch möglicherweise hat es der Kriegstreiber Putin mittlerweile etwas damit übertrieben, meint unser Autor Wladimir Kaminer. Denn eine Gruppe von Russen wird sich nicht verschaukeln lassen.

Die deutliche Zinsanhebung der Europäischen Zentralbank ist historisch. Und doch wird selbst dieser Schritt wohl kaum ausreichen, um das Ziel der Preisstabilität zu erreichen. Mein Kollege Florian Schmidt erklärt Ihnen, warum.

In den USA könnte die unendliche Geschichte um Donald Trumps Vergehen dieses Mal tatsächlich zu einer Anklage führen. Der Umgang des Ex-Präsidenten mit Staatsgeheimnissen scheint das letzte Puzzlestück zu sein, das es dafür braucht. Aber Sie ahnen es, Trump hat schon wieder einen unglaublichen, gerissenen Plan.

Russland verzeichnet zunehmend Verluste, der Munitionsnachschub stockt und die Moral der Streitkräfte sinkt. Im Videointerview mit t-online erklärt Militärexperte Gustav Gressel, wie sich die aktuelle Lage auf die Moral der russischen Truppen auswirkt und warum der Winter für Putin kritisch werden könnte.


Die "Roma" war ein gewaltiges Schlachtschiff, das 1943 einem neuartigen Waffensystem der Deutschen zum Opfer fiel. Was geschehen ist, lesen Sie hier.


Was amüsiert mich?

Wenn ich telefoniere, muss ich seit einigen Wochen immer Kopfhörer dazu verwenden, weil die Lautsprecher meines iPhones den Geist aufgegeben haben. Noch befinde ich mich aber im Verweigerungsmodus: Ach, irgendwie geht es ja schon noch. Der Rest funktioniert einwandfrei. Nicht mal ein Kratzer im Display. Eine echte Leistung nach 3 Jahren.

Nur eine neue Schutzhülle wollte ich neulich in einem Apple Store kaufen. Die Verkäuferin blickte mich an, als wäre ich 80 Jahre alt, als ich ihr mitteilte, für welches Modell ich gerne eine Schutzhülle hätte. "Haben wir nicht mehr. Sie brauchen einfach mal ein Neues", sagte sie charmant. Willkommen im Zeitalter der Nachhaltigkeit.

Dass ich mit meinem Zögern richtig liege, beweist mir nun ausgerechnet Eve Jobs, die Tochter des verstorbenen Apple-Gründers Steve Jobs. Mit diesem Post auf Instagram machte sie sich lustig über die Vorstellung des neuen iPhone 14 (über das Sie hier mehr lesen können), das offenbar so gar keinen Mehrwert zum Vorgängermodell aufweist.

Morgen lesen und hören Sie wieder unseren Tagesanbruch zum Wochenende.

Ihr

Bastian Brauns
USA-Korrespondent in Washington, D.C.
Twitter @BastianBrauns

Was denken Sie über die wichtigsten Themen des Tages? Schreiben Sie es uns per E-Mail an t-online-newsletter@stroeer.de.

Mit Material von dpa.

Den täglichen Newsletter von Florian Harms hier abonnieren.

Alle Tagesanbruch-Ausgaben finden Sie hier.
Alle Nachrichten lesen Sie hier.

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



TelekomCo2 Neutrale Website