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Artensterben in Deutschland: Warum rotten wir die Tiere aus?


Tagesanbruch
Artensterben: Warum rotten wir die Tiere aus?

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 03.03.2023Lesedauer: 5 Min.
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Auch der Feldhamster ist in Deutschland vom Aussterben bedroht.Vergrößern des Bildes
Auch der Feldhamster ist in Deutschland vom Aussterben bedroht. (Quelle: S. Meyers/imago-images-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

heute möchte ich Ihnen von Klaus erzählen. Der spielt nämlich eine wichtige Rolle in meinem Leben. In den vergangenen Jahren habe ich einige Kläuse kennengelernt, manche herzensgut, andere weniger, aber keiner ist wie dieser: immer entspannt, immer fröhlich, immer genügsam. Dem Klaus reichen ein paar Quadratmeter für seinen Alltag, ein Dach über dem Kopf, Petersilie morgens und Möhren abends. Ah, und Dill natürlich, damit kann man ihm eine riesige Freude machen. Hält man ihm ein Sträußchen Dill vor die Nase, stürzt er sich begeistert darauf und verputzt es binnen Minuten, rümpft ein paarmal anerkennend das Näschen und schaut zufrieden in die Landschaft.

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Ich habe es sonst nicht so mit Haustieren, aber der ist richtig niedlich, der Klaus. Mit seinem weißen Fell leuchtet er nachts wie eine kleine Sonne, und wenn es mal schneit, dann hüpft er durch die Flocken wie ein Schneeball. Gemeinsam mit seinem Kumpel, einem anderen Zwergkaninchen, lebt er Wand an Wand mit mir: ich drinnen, er draußen im Hasenstall. Gemeinsam haben wir Corona überstanden und die Radicchio-Krise gemeistert (das war im Herbst, als es tagelang keinen Radicchio gab, lag wohl am Wetter, wir haben den bitteren Salat beide schmerzlich vermisst). Gemeinsam gehen wir durch dick und dünn.

So wie mir geht es Millionen Menschen: Sie mögen ihren Hasen oder ihren Wauwau, sie lieben ihre Katze, ihren Piepmatz oder ihre Fische, sie teilen ihr Leben mit Vierbeinern, Flossen- oder Flügelträgern. Das Schicksal von Tieren rührt viele Menschen sogar stärker als das anderer Zweibeiner. Als vor ein paar Wochen in einem Berliner Hotel ein riesiges Aquarium platzte und Tausende Fische verendeten, war die Anteilnahme größer als bei manchem Unglück mit menschlichen Opfern.

Nun frage ich mich: Wenn es so viele tierliebende Leute gibt – und das ist ja vielerorts auf dem Globus ähnlich –, warum misshandeln wir dann so viele Tiere so brutal, foltern sie oder rotten sie ganz aus? Warum kauft man Eier aus Käfighaltung im Wissen, dass Abertausende Küken geschreddert oder vergast werden? Warum trinkt man Billigmilch und isst Hackfleisch für 79 Cent die hundert Gramm, deren Spender in Mastknästen zu Eutermonstern aufgepumpt und in stickigen Lkw durch halb Europa gekarrt werden, bevor man sie in Schlachtfabriken verbluten lässt? Das Kostenargument allein lasse ich nicht gelten; jeder kann sich in einem Land wie unserem auch mit wenig Geld schmackhaft, aber tierschonend ernähren.

Wollen viele aber offensichtlich nicht. Ob auf dem Teller, auf der Straße oder im Kleiderschrank: Die Mehrheit der Menschen pflegt einen Lebensstil, der rücksichtslos ist und nach und nach Zigtausende Arten vom Antlitz des Planeten ausradiert. Mehr als 7.000 Tierarten in Deutschland gelten als gefährdet oder sind sogar vom Aussterben bedroht, darunter bekannte Gesellen wie der Feldhamster und das Birkhuhn, die Sumpfschildkröte und der Luchs. Weltweit sind es 41.000 Arten, neben Tieren auch viele Pflanzen.

Daran sollten wir uns nicht nur heute erinnern, am Tag des Artenschutzes. Der wurde vor zehn Jahren in Erinnerung an das Washingtoner Artenschutzübereinkommen von 1973 eingeführt. Damals schworen mehrere Länder, die Vielfalt des Lebens auf der Erde zu erhalten, nach und nach haben 183 Staaten den Vertrag ratifiziert.

Sie halten sich aber nicht daran. Obwohl seither viele Schutzprogramme eingerichtet worden sind, geht die Ausnutzung und Ausrottung ungebremst weiter. Weil das Abkommen mit 5.800 Tier- und 30.000 Pflanzenarten nur einen Bruchteil der mehrere Millionen Arten umfassenden Vielfalt betrifft. Weil sich der Mensch rapide vermehrt, immer mehr Lebensraum beansprucht und die Natur zubetoniert, die Meere zumüllt und die Atmosphäre verpestet. Weil nicht nur die Amerikaner und die Chinesen Wohlstand vor Genügsamkeit setzen, sondern auch wir in unseren europäischen Überflussgesellschaften ziemlich rücksichtslos unterwegs sind. Wenn ich sehe, wie viele Leute zwei Autos vor dem Haus stehen haben, im Supermarkt Kiwi aus Neuseeland kaufen und gedankenlos Essensreste wegwerfen, wie sie nach München, Malle oder Miami jetten und Billigklamotten aus Asien shoppen, die sie dann nur dreimal tragen, ja, dann schaue ich mir manchmal den Klaus mit seinen langen Ohren an und frage mich selbstkritisch: Warum nehmen wir uns kein Beispiel an so einem genügsamen Häschen? Muss ja nicht bedeuten, dass wir nur noch Dill und Petersilie knabbern, aber ein bisschen mehr Rücksicht auf all die anderen Lebewesen müsste doch machbar sein, oder?


Termine des Tages

Der Bundeskanzler besucht heute US-Präsident Joe Biden in Washington. Die beiden reden über den Ukraine-Krieg, Panzerlieferungen und klimafreundliche Subventionen. Kritische Fragen, zum Beispiel nach dem wochenlangen Panzerstreit, wollen sie wohl nicht öffentlich beantworten, weshalb keine gemeinsame Pressekonferenz geplant ist. Unser USA-Korrespondent Bastian Brauns ist trotzdem im Oval Office dabei – und weiß auch, warum dieser Besuch so wichtig ist.

Die Klimaschutzbewegung Fridays For Future ruft weltweit zu Protesten auf. Allein in Deutschland soll es mehr als 200 Aktionen geben. Die Aktivisten fordern den Kohleausstieg bis 2030, eine vollständig erneuerbare Energieversorgung bis 2035 und das sofortige Ende aller Subventionen für fossile Energieträger.

Fahren oder nicht fahren ist hier die Frage: Während FDP-Minister Volker Wissing die Verkehrsprognose bis 2051 vorstellt, ruft die Gewerkschaft Verdi zu Warnstreiks im öffentlichen Nahverkehr auf. Bundesweit wird wohl in vielen Städten Stillstand herrschen.

Die Raumfähre "Crew-Dragon" dockt an die Internationale Raumstation an. An Bord sind zwei Amerikaner, ein Russe und ein Emirati. Würden sich die Menschen doch überall so gut verstehen wie im Weltall!


Was lesen?

Erinnern Sie sich an das dramatische Fischsterben in der Oder? Greenpeace-Experten haben nun den wahrscheinlichen Grund gefunden.


Im Bundestag hat Olaf Scholz seine Ukraine-Politik verteidigt. Dabei hatte er eine kleine Sensation dabei, berichten unsere Reporter Johannes Bebermeier und Tim Kummert.

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Während der Flutkatastrophe jettete sie als Umweltministerin in den Mallorca-Urlaub – das erzürnte viele Menschen und beendete ihre Politikkarriere. Nun hat Ursula Heinen-Esser ein neues Tätigkeitsfeld: Lobbyismus. Unser Rechercheur Jonas Mueller-Töwe hat die Details.


Eklat im Bundestag: Die deutsch-iranische Parlamentariergruppe ist vorerst Geschichte. Unsere Reporterin Annika Leister hat die Hintergründe recherchiert.


Was war?

Im Jahr 2009 ereignete sich in der Kölner Innenstadt eine Katastrophe. Was geschah, erfahren Sie auf unserem Historischen Bild.


Was erfreut mich?

Erinnern Sie sich an Blessing, das Neugeborene im Hungergebiet Ostkenias, über das ich während meines dortigen Besuchs im Dezember berichtete? Damals war die Kleine abgemagert, krank und dem Tod näher als dem Leben. Nach dem Bericht im Tagesanbruch spendeten mehrere Leserinnen Geld für das Mädchen. Nun höre ich aus Nairobi: Es geht Blessing deutlich besser. Sie ist noch nicht vollständig genesen, aber dank der Spenden bekommt sie nun die nötige ärztliche Behandlung. Auch ihre Mama Christina ist glücklich.

Ich wünsche Ihnen einen glücklichen Tag.

Herzliche Grüße

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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