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Scholz besucht Biden: Warum es jetzt um alles geht


Scholz besucht Biden
Das wird ein richtig heikles Gespräch

  • Bastian Brauns
Von Bastian Brauns, Washington

Aktualisiert am 02.03.2023Lesedauer: 5 Min.
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Vor einem Jahr, kurz vor dem Krieg: Olaf Scholz zum Antrittsbesuch bei Joe BidenVergrößern des Bildes
Vor gut einem Jahr, kurz vor dem Krieg: Olaf Scholz zum Antrittsbesuch bei Joe Biden (Quelle: Leigh Vogel via www.imago-images.de)

Wie gut arbeiten Olaf Scholz und Joe Biden zusammen? Von der Antwort hängt mehr denn je ab, wie sicher die Welt insgesamt ist.

Um den deutschen Bundeskanzler zu beeindrucken, muss viel passieren. Zumindest lässt Olaf Scholz selten erkennen, wann ihm etwas oder jemand wirklich imponiert. Dem US-Präsidenten Joe Biden scheint aber genau das gelungen sein. Erzählungen aus seinem Umfeld nach soll Scholz von dem 80-jährigen Staatsmann und von dessen historischer Weitsicht nahezu begeistert gewesen sein, als sie sich zum ersten Mal trafen.

Rund ein Jahr nach seinem Antrittsbesuch im Weißen Haus, damals kurz vor dem russischen Einmarsch in die Ukraine, bricht der Bundeskanzler am Donnerstag nun zum zweiten Mal in seiner Amtszeit nach Washington auf. Am Freitag trifft er Joe Biden. Dieses Mal aber wird es ein abgespeckter Besuch. Der Kanzler nimmt keine deutschen Medienvertreter mit, eine Pressekonferenz mit Joe Biden bekommt er anders als im Vorjahr auch nicht.

Nach Russland kommt China

Will der Kanzler störenden Fragen ausweichen? Im vergangenen Jahr wollte er an der Seite von Biden nicht einmal den Namen der Pipeline Nord Stream 2 aussprechen. Oder weist der knappe Besuch auf Unstimmigkeiten zwischen Biden und Scholz hin? Warum war Biden eigentlich noch nicht in Berlin? Auch so eine Frage, die Kritiker stellen. Im Kanzleramt spricht man von dieser USA-Reise als einem "Arbeitsbesuch", der Terminplan sei nun mal eng. Scholz ist gerade erst aus Indien zurückgekommen. Ein ausführlicheres Treffen mit Biden wäre erst im April möglich gewesen, heißt es. Doch um so lange zu warten, dafür sei die politische Weltlage zu heikel.

Tatsächlich sind die im Weißen Haus zu besprechenden Themen problembehafteter denn je. Ein gutes Verhältnis der beiden Regierungschefs zueinander ist darum eine wichtige Grundlage. Zwar wollen sich Scholz und Biden hauptsächlich über das weitere Vorgehen im Krieg in der Ukraine austauschen. Daran hängt aber deutlich mehr als etwa nur das Thema Waffenlieferungen.

Seit Wochen verschärft die Biden-Regierung ihre Rhetorik gegen China, unter anderem, weil es nach Erkenntnissen der USA Waffenlieferungen an Russland erwägen soll. Das Weiße Haus soll derzeit zudem bei den Verbündeten, insbesondere bei den G7-Staaten, ausloten, ob sie mitziehen würden, sollten die USA deswegen Sanktionen gegen China beschließen. Dazu die Spannungen um Taiwan, die Affäre um mutmaßliche Spionageballons und zuletzt die Äußerungen des FBI, wonach das Coronavirus wahrscheinlich doch aus dem Labor in Wuhan stamme.

Wie wird sich Deutschland in einem zusätzlich drohenden, möglichen Konflikt mit China verhalten? Darüber könnte es nun ein heikles Gespräch geben. Womöglich führt man es besser persönlich als nur per Telefon, wie es Scholz und Biden ohnehin bereits regelmäßig tun.

Biden und Scholz im Gleichschritt

Verständnis füreinander scheint vorhanden zu sein. Das wurde unter anderem deutlich, als der US-Präsident in der umstrittenen Panzerfrage gegen die eigenen Berater schließlich einlenkte und dem deutschen Wunsch entsprechend ebenfalls Panzerlieferungen für die Ukraine ankündigte. Dass Scholz diesen Schritt nicht alleine gehen will, hat Biden begriffen. Zwar halten sich die Berichte darüber, dass die Amerikaner über Scholz' Drängen nach Abrams-Panzern aus den USA verstimmt gewesen seien. Dem Verhältnis zwischen Präsident und Bundeskanzler scheint all das aber wenig geschadet zu haben.

Seit Ausbruch des Krieges gehen die USA und Deutschland im Gleichschritt. So lautet die Erzählung aus dem Kanzleramt. Aber sie ist auch an der gemeinsamen Politik ablesbar. Dem deutschen Umdenken in Bezug auf Russland folgt auch eine Neubewertung der Beziehungen zu China. Deutschland ist auf Transatlantik-Kurs wie lange nicht.

Das mag einerseits an den Umständen liegen. Womöglich aber wirklich an einem sehr intakten Verhältnis zwischen Scholz und Biden. Sie eint eine gemeinsame Sicht auf die Welt. Ein deutscher Kanzler, der pragmatischer agiert als bisweilen die Sozialdemokraten, und ein US-Präsident, der sozialdemokratischer und klimabewusster denkt als viele andere demokratische Präsidenten vor ihm.

Die Vergleiche zwischen dem deutschen Kanzler und dem amerikanischen Präsidenten fingen früh an. Schon kurz nach der Bundestagswahl im Herbst 2021 tauchte in internationalen Publikationen die Frage auf: "Ist Olaf Scholz der deutsche Joe Biden?" Grund dafür waren schon damals ausgemachte Parallelen der beiden Politiker in ihren jeweiligen Wahlkämpfen.

Da ging es noch um Sozialpolitik und Mindestlöhne, aber auch um riesige staatliche Investitionen und Hilfen infolge der Corona-Pandemie. Olaf Scholz bezeichnete das schließlich als "Bazooka", "Wumms" und "Doppelwumms", Joe Biden nannte das "Build Back Better". Nachdem die amerikanischen Demokraten Bidens Wahlkampf mit dem Slogan "Vote for Respect" erfolgreich geführt hatten, entschied sich auch Scholz' Team in Deutschland für die davon abgewandelte SPD-Variante "Respekt für dich".

Weitreichende Entscheidungen

Heute aber müssen Scholz und Biden zeigen, dass sie auf die größten außen- und sicherheitspolitischen Herausforderungen seit dem Zweiten Weltkrieg die richtigen Antworten finden. Dabei mögen die Ziele die gleichen sein, aber die wirtschaftlichen Interessen sind durchaus unterschiedlich. Das wurde zuletzt unter anderem bei dem amerikanischen Investitionspaket, dem Inflation Reduction Act, deutlich, unter dem europäische Firmen das Nachsehen haben könnten.

Die Entscheidungen, die in diesen Tagen in Washington, Berlin und Brüssel getroffen werden, haben Auswirkungen für den Wohlstand und für den sozialen Frieden diesseits und jenseits des Atlantiks. Auch bei möglichen Sanktionen gegen China könnten bald Unterschiede deutlich werden. Abhängig von China sind beide Länder. Es steht viel auf dem Spiel, aber das gilt eben besonders für Deutschland: Dort ließ es sich jahrzehntelang gut leben, weil die Amerikaner es militärisch schützten, die Russen es mit günstigem Gas päppelten und China als günstiges Produktionsland die Gewinne zusätzlich steigerte.

Über Nacht lässt sich eine so über Jahrzehnte gewachsene Wirtschafts- und Außenpolitik nicht umkrempeln. Dafür bräuchte Scholz noch viele weitere Reden von der Zeitenwende. Aber die Amerikaner drängen Deutschland mehr und mehr in die Eigen- und Führungsverantwortung, gepaart mit neuen Abhängigkeiten wie beim Flüssiggas und Wasserstoff sowie mit weitergehenden Bündnisverpflichtungen. Das wird durch die zahlreichen Statements, in denen Scholz' Führungsrolle gelobt wird, immer wieder deutlich.

Möglichst viel gemeinsam

Mit Russland und China verbünden sich derzeit zwei gegnerische Atommächte, welche die Hegemonie der USA und die Nato als gemeinsamen Feind ganz klar ausgemacht haben und das auch nicht mehr verstecken. Im Rest der Welt kämpfen Staaten von Indien über Südafrika bis Brasilien mit einem neuen Selbstbewusstsein zuerst für ihre eigenen Interessen. Um solche Staaten und auch viele weitere Schwellenländer von den gemeinsamen Zielen zu überzeugen, steigen die Kosten. Für Deutschland wahrscheinlich mehr als für die USA.

Wie komplex diese Gemengelage ist, darüber sind sich Joe Biden und Olaf Scholz offensichtlich einig. Welche Schritte nun als nächstes gegangen werden, darüber müssen sie sich unterhalten. Der Krieg in der Ukraine ist dabei das zu bekämpfende Symptom einer neuen Weltordnung. Die Ursachen für die globalen politischen Verschiebungen können hingegen nicht mehr bekämpft werden. Man kann sich nur auf die drohenden neuen Gefahren einstellen – Scholz und Biden versuchen das möglichst gemeinsam.

Verwendete Quellen
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