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Robert Habeck ruft zum Krisengipfel: Der letzte Kipppunkt droht


Tagesanbruch
Das wäre das Worst-Case-Szenario

  • Annika Leister
MeinungVon Annika Leister

Aktualisiert am 27.11.2023Lesedauer: 4 Min.
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Robert Habeck: Der Wirtschaftsminister lädt zum Krisengipfel.Vergrößern des Bildes
Robert Habeck: Der Wirtschaftsminister lädt zum Krisengipfel. (Quelle: IMAGO/Chris Emil Janssen)

Guten Morgen liebe Leserin, lieber Leser,

heute ist Tag 12, nachdem das Verfassungsgericht die Finanzplanung der Ampelregierung in den Boden gestampft und die Bundesrepublik in den haushalterischen Ausnahmezustand versetzt hat. Staatskrise, Megakrise, finanzpolitische Katastrophe – das sind die Beschreibungen, die selbst sonst zurückhaltende Experten für diesen Zustand wählen.

Die Ampelregierung blieb angesichts des selbst gezimmerten Fiaskos bisher schmallippig. Finanzminister Christian Lindner (FDP) gab ein Mini-Statement, in dem er das Wesentliche nicht klar benannte, sondern verschleierte. Wirtschaftsminister Robert Habeck hatte auf dem Bundesparteitag seiner Grünen am Wochenende mit anderen Problemen zu kämpfen. Und Kanzler Olaf Scholz (SPD) ging – bis auf ein kurzes Videostatement – ganz auf Tauchstation. Staatsmännisch sieht anders aus.

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Das Wegducken aber wird in dieser Woche ein Ende haben. Zwangsweise. Termine stehen an, bei denen die Ampelchefs sich unbequemen Fragen stellen und skizzieren müssen, wie es weitergehen soll. Am Dienstag will der Kanzler eine Regierungserklärung im Bundestag abgeben, die Opposition dürfte ihn dort ausgiebig grillen. Bereits an diesem Montag lädt Wirtschaftsminister Habeck seine Kollegen aus den Bundesländern zum Krisengipfel in sein Haus.

Es wird kein angenehmer Termin für Habeck. Denn die Nervosität, die Anspannung in den Bundesländern ist maximal. Kein Wunder: Der Kahlschlag im Bundesbudget bedeutet für die Länder potenziell einen Kahlschlag für ihre wichtigsten Industrieprojekte. Selbst die CDU-Spitze, die erfolgreich gegen die Haushaltspläne der Ampel geklagt hatte, ist zurzeit erstaunlich leise angesichts der Tragweite der Entscheidung.

Besonders betroffen vom Finanzfiasko ist dabei ausgerechnet der Osten des Landes. Denn dorthin sollten viele Milliarden aus dem Klima- und Transformationsfonds fließen, dem das Bundesverfassungsgericht mit seinem Urteil zu großen Teilen rigoros den Riegel vorschob.

Mit den Geldern sollten Gigafabriken entstehen und alte Industriezweige grundlegend modernisiert werden. Der Osten sollte so in den kommenden Jahren grün produzierten Stahl, Wasserstoff, Halbleiter, Batterien für E-Autos liefern. Die Gelder sollten neue Arbeitsplätze schaffen und alte sichern. Seit Monaten machen die Länderchefs damit Werbung.

Statt Zukunftsmusik aber droht jetzt Trauermarsch.

Habecks Staatssekretär Michael Kellner wurde früh recht deutlich: Mit dem Wegfall des Transformationsfonds sei weder die Ansiedlung von Chipfabriken in Dresden und Magdeburg noch der Aufbau der Solarindustrie im gesamten Osten sicher. Und es darf gesichert davon ausgegangen werden: Es werden sich noch einige Positionen auf diese Liste dazugesellen. Sehr viel mehr Projekte haben nämlich noch keine finalen Förderzusagen. Einige haben trotzdem schon angefangen zu planen und zu bauen. Es könnte die Unternehmen nun teuer zu stehen kommen.

Der Druck aus den Bundesländern, besonders aus den CDU-geführten, ist deswegen groß. "Die Ampelregierung sollte nicht versuchen, Länder und Kommunen in das Haushaltschaos der Ampelregierung hineinzuziehen", sagte Berlins Finanzsenator Stefan Evers t-online mit Blick auf den Krisengipfel am Montag. "Wir erwarten, dass der Bund zu seinen Zusagen gegenüber Berlin steht." Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer dringt ebenso wie Sachsen-Anhalts Reiner Haseloff darauf, dass die Bundesregierung ihre Milliarden-Versprechen für die Chiphersteller hält.

Für den Osten wäre ein Wortbruch der Ampel das Worst-Case-Szenario – und das nicht nur aus wirtschaftspolitischer Sicht. Im nächsten Jahr nämlich wird in Sachsen, Thüringen und Brandenburg gewählt. Schon jetzt ist die AfD in allen drei Ländern stärkste Kraft. Die Sorgen sind groß, dass eine Regierungsbildung ohne die AfD schwer, vielleicht sogar unmöglich werden könnte. Und diese Sorgen sind berechtigt.

Die hohen AfD-Werte nähren sich dabei zu einem guten Teil aus Frust und Ärger über die Regierung in Berlin. Ein Lieblingsplakat, das die AfD im Wahlkampf im Osten immer wieder aus dem Keller holt und in Großformat an Autobahnen und in Ortschaften tapeziert: "Berlin macht mehr Mist als unser Vieh". Es bedient die Vorurteile der Landbevölkerung gegen die Städter, das Gefühl des Abgehängtseins und Nicht-Gesehen-Werdens, das Fäusteschütteln gegen die Regierung im Bund.

Nun hat die Ampel tatsächlich Mist gebaut. Sogar großen Mist, vom obersten Gericht verbrieft. Sie muss den Stall nun rasch kehren, für Lösungen, Sicherheit, Einhaltung ihrer Zusagen sorgen. Ansonsten könnte im Osten der finale Kipppunkt drohen.


Was steht an?

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) ist in Israel und trifft dort Präsident Isaac Herzog. Geplant sind außerdem Termine im Süden des Landes sowie in Ost-Jerusalem. Wichtige Fortschritte gab es bereits am Wochenende: Die Terroristen der Hamas ließen im Tausch gegen Gefangene Geiseln frei. Darunter befinden sich mit Margalit Moses (77), Doron Asher (34) und ihren beiden Töchtern Raz (4) und Aviv (2) auch vier deutsche Doppelstaatler.


Innenministerin Nancy Faeser (SPD) trifft an der Grenze zu Serbien ihre Amtskollegen aus Österreich, Tschechien, Ungarn, Polen und der Slowakei. Es soll um die Begrenzung der irregulären Migration und die Bekämpfung der Schleuserkriminalität gehen.


Was lesen?

Parteitag der Krisen für die Grünen: Die Spitze bezog Position zur Haushaltskrise, heftig stritt die Partei außerdem über die Migrationspolitik. Der ganz große Eklat blieb aus. Doch die Diskussion wird Folgen haben, berichtet mein Kollege Johannes Bebermeier aus Karlsruhe.


Der Haushalt am Ende – und was nun? Das erklärt Adam Tooze, einer der führenden Wirtschaftshistoriker, hier im Interview mit meinem Kollegen Marc von Lüpke.


Thomas Gottschalk hat sich am Samstag mit einer letzten Sendung "Wetten dass..?" vom ZDF verabschiedet. Doch statt Glanz und Wortwitz waren Versprecher und Fremdschämen angesagt. Mein Kollege Steven Sowa zieht hier Bilanz.


Ohrenschmaus

Manche Menschen haben Geld, manche Menschen brauchen es – in diesem Song der O'Jays aus den 70ern ist die Misere der Ampel bereits gut beschrieben. Hören Sie ihn hier.

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Zum Schluss

Schuldenbremse, ganz privat:

Ich wünsche Ihnen einen schuldenfreien Start in die Woche. Morgen schreibt meine Kollegin Heike Vowinkel hier für Sie.

Herzlichst

Ihre Annika Leister
Politische Reporterin im Hauptstadtbüro von t-online
Twitter: @AnnLei1

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Mit Material von dpa.

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