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Grünen-Parteitag | Robert Habeck sucht die Entscheidung bei Schuldenbremse


Grünen-Parteitag
Habeck sucht die Entscheidung – zwei Mal

  • Johannes Bebermeier
Von Johannes Bebermeier

Aktualisiert am 24.11.2023Lesedauer: 4 Min.
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Robert Habeck: Der Vizekanzler sucht in Karlsruhe die Entscheidung. (Quelle: Wolfgang Rattay/Reuters)

Die Welt ist in der Krise, die Bundesregierung auch. Wie verhalten sich die Grünen dazu? Robert Habeck hat auf ihrem Parteitag zwei deutliche Botschaften.

Robert Habeck will etwas loswerden. Das wird schon klar, als er am Donnerstagabend auf dem Grünen-Parteitag in Karlsruhe ans Rednerpult tritt. Er hat ein Manuskript dabei, liest seine Worte ab. Und er wird laut, manchmal sehr laut. Was beides ungewöhnlich ist für ihn. Doch ungewöhnliche Zeiten bedürfen ungewöhnlicher Maßnahmen.

Und die Zeiten sind natürlich mehr als ungewöhnlich. Es ist Krieg, es ist Krise, nicht nur eine Krise, sondern gleich viele. Klimakrise, Migrationskrise und jetzt noch Haushaltskrise. Manche sagen, die Grünen selbst stecken auch in einer. Jedenfalls hadern sie mit sich, mit ihrer Rolle, mit der Bundesregierung.

Robert Habeck will deshalb nicht nur etwas loswerden. Er sucht die Entscheidung, gleich zwei Entscheidungen. Er formuliert so klar wie noch nie, warum er die Schuldenbremse reformieren will – und zwar jetzt. Und er fordert von seiner Partei eine Entscheidung darüber, ob sie auch künftig regieren will – oder doch zurück in die Nische.

Schuldenbremsenreform gegen das Milliardenloch

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in der vergangenen Woche hat ein Milliardenloch in die Staatsfinanzen gerissen. Es hat die Ampel in ihre bisher größte Krise gestürzt. Und Robert Habeck, den Vizekanzler und Wirtschaftsminister, gleich mit. Scheitert der Umbau der Wirtschaft, dann scheitert die Ampel, dann scheitert der Wirtschaftsminister.

Alles drei will Robert Habeck nicht. Doch was tun mit dem Milliardenloch? Habeck formuliert in Karlsruhe erstmals sehr deutlich, was führende Grüne in den vergangenen Tagen eher verschüchtert angedeutet hatten. Und das obwohl es seit Jahr und Tag grüne Position ist: Die Schuldenbremse soll reformiert werden, um eine Regel ergänzt, die mehr Investitionen ermöglicht.

Nach dem Urteil stehe nun "plötzlich und endlich die Frage im Raum", sagt Habeck, "ob Regeln aus einer Zeit, als Klimaschutz nicht ernst genommen wurde, Kriege der Vergangenheit angehörten und China unsere billige Werkbank war, heute noch so gelten können. Ich denke: Nein."

Mit gefesselten Händen in den Boxkampf

Mit der Schuldenbremse habe man sich "freiwillig die Hände hinter dem Rücken gefesselt" und ziehe nun in einen Boxkampf. "So wollen wir den gewinnen? Die anderen wickeln sich Hufeisen in die Handschuhe – wir haben noch nicht mal die Arme frei."

Habecks Worte sind deshalb bemerkenswert, weil von manchen Grünen in den vergangenen Tagen zu hören war, man halte sich bewusst mit Schuldenbremsen-Forderungen zurück. Um Finanzminister Christian Lindner und die FPD nicht in eine Ecke zu drängen, in der sie sich noch energischer gegen eine Reform wehren.

Habeck scheint das an diesem Tag nicht umzutreiben. Er macht sich offenbar größere Sorgen um den Staatshaushalt als um Lindners Gefühlshaushalt. Er stehe "selbstverständlich zu unserem Koalitionsvertrag", sagt Habeck am Ende noch pflichtschuldig, weil eine Reform dort nicht vereinbart ist und er immer noch Vizekanzler. "Aber das entbindet uns ja nicht von der Aufgabe, unsere Regeln zu überdenken, wenn sie nicht mehr zu der Welt passen, wie sie ist."

Das Hadern der Grünen

Die zweite Entscheidung, die Robert Habeck an diesem Abend sucht, betrifft die Grünen, ihr Hadern und ihre Rolle als Regierungspartei. Es gibt Frust in der Partei, nicht erst seit gestern, aber wohl noch nie so großen wie in diesen Wochen. Viele Mitglieder sind frustriert von den vielen Kompromissen, die sie in der Regierung machen müssen. Vor allem jetzt wieder in der Migrationspolitik, aber eben längst nicht nur.

Die einen wollen diese Konflikte stärker austragen, die eigenen Positionen deutlicher markieren und für sie kämpfen. Irgendwie wieder grüner werden, wie es jetzt oft heißt. Die anderen halten das für keine gute Idee, wollen pragmatisch und möglichst geräuscharm regieren, ohne Maximalpositionsfolklore. Oder wie Habeck an diesem Abend auf Habeck-Deutsch sagt: "Unsere Ideologie ist die Wirklichkeit."

Für Robert Habeck hängt an dieser Frage nichts weniger als die Zukunft der Partei. Das ist nicht weiter überraschend, immerhin hat er die Grünen als Parteivorsitzender seit 2018 auf diesen Kurs eingeschworen, den Kurs der führenden Partei der linken Mitte, raus aus der viel beschworenen Nische.

Habeck sieht seinen Kurs in Gefahr

Bemerkenswert aber ist, dass Habeck diesen Kurs jetzt wieder in Gefahr sieht – und seine Partei zu einer Entscheidung drängt. Der Parteitag finde in "einer entscheidenden Phase in der Geschichte unserer Partei statt", sagt Habeck. "Er wird mit darüber entscheiden, ob sich in Zukunft Mehrheiten gegen uns finden oder ob wir die Mehrheiten organisieren und prägen." Heißt: Ob die Grünen regieren werden – oder eben nicht mehr.

Für Habeck ist die Sache klar. Regieren sei "unsere Aufgabe, unsere Pflicht, unsere Schuldigkeit!" Dafür seien die Grünen gegründet worden. "Um im Ring zu kämpfen, nicht am Rand zu stehen und Programme hochzuhalten."

Und Habeck macht auch klar, wie er sich die Entscheidung vorstellt, die er von seiner Partei einfordert. Der Unterschied zwischen Ring und Rand sei "konkret – und wir werden ihn dieser Tage wieder und wieder abstimmen". Bei der Migrationsdebatte zum Beispiel. Man könne das Abschiebegesetz der Ampelregierung richtig oder falsch finden. Aber die im Gegenzug erkämpften Verbesserungen beim Zugang zur Arbeit, die werde es nicht geben, "wenn sich eine Mehrheit gegen uns bildet".

Es ist ein Lob des Kompromisses, auch bei der Migration. Ob die Partei ihm da folgt, wird sich erst in der Nacht zum Sonntag zeigen. Die Grünen haben die heikle Debatte über die Flüchtlingspolitik verschoben. Auf Samstagabend, 22 Uhr.

Verwendete Quellen
  • Beobachtungen und Gespräche auf dem Grünen-Parteitag in Karlsruhe
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