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Überlastung im Steuerportal Elster: Deutschlands peinliche Verzwergung


Überlastung im Elster-Portal
Deutschlands peinliche Verzwergung

  • Jan Mölleken
MeinungEin Kommentar von Jan Mölleken

Aktualisiert am 11.07.2022Lesedauer: 3 Min.
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Datenerfassung mit VR-Brille: So könnte die Zukunft der digitalen Arbeitswelt in Deutschland aussehen. Die Realität sieht allerdings immer noch ganz anders aus. (Quelle: IMAGO/Eugenio Marongiu)

Millionen Menschen wollen digital ihre Grundsteuer erklären – und das Elster-Portal bricht unter dem absolut erwartbaren Ansturm zusammen. Peinlich!

"Nichts auf dieser Welt ist sicher, außer der Tod und die Steuern." Dieser Ausspruch soll vom Gründungsvater der USA, Benjamin Franklin, stammen. Wäre Franklin ein Zeitgenosse und noch dazu deutscher Staatsbürger, er würde sich wohl korrigieren müssen.

Denn in Deutschland muss sich selbst das Finanzamt einer noch größeren Gewissheit beugen: Deutsche Verwaltung und Digitalprojekte – das geht meistens schief.

Egal, wohin man schaut, der digitale Führerschein, die digitale Patientenakte oder digitalisierte Verwaltungsleistungen im Allgemeinen. Es scheint ein Naturgesetz zu geben, das besagt, dass digitale Verwaltungsprojekte in Deutschland es schwerer haben als Sisyphos mit seinem Stein.

Anders ist es wohl nicht zu erklären, dass Teile des Elster-Portals, die Informations- und Melde-Plattform der Finanzämter und eines der wenigen digitalen Erfolgsprojekte deutscher Verwaltung, derzeit flügellahm am Boden liegt.

Was war passiert? Seit dem 1. Juli müssen Hauseigentümer eine neue Grundsteuererklärung abgeben. Und das am besten digital via Elster-Portal. Und was geschieht, wenn man Millionen Menschen dazu verpflichtet, sich auf einer Webplattform anzumelden? Genau, sie tun das tatsächlich auch. Man sollte sich also technisch auf einen größeren Ansturm vorbereiten.

Sie können mir so weit folgen? Beim Elster-Portal hat man wohl nicht dieselben Schlüsse gezogen, denn dort wurde man von dem Ansturm mit Ansage offenbar vollkommen überrascht und hat nun seit Tagen mit Problemen zu kämpfen.

"Aufgrund enormen Interesses an den Formularen zur Grundsteuerreform kommt es aktuell zu Einschränkungen bei der Verfügbarkeit" heißt es seit Sonntag auf Elster.de.

Ist das wirklich die Möglichkeit? Im Jahr 2022? Das Aussteuern von Lastspitzen ist heute wirklich keine Geheimwissenschaft mehr. In der Privatwirtschaft bereiten sich Unternehmen auf hohen Nutzerandrang per Mausklick vor oder lassen automatisch nachregeln. Bei der deutschen Verwaltung bricht erst mal über Tage der Dienst zusammen.

Das ist peinlich – und ein weiteres Zeugnis dafür, dass wir im öffentlichen Sektor digital meilenweit abgehängt sind.

Ist es ungerecht auf das digitale Vorbild in der Verwaltung zu schimpfen? Nein.

Aber ist es nicht ungerecht, auf die Finanzämter verbal einzuprügeln? Mit Elster gehört man hier im Vergleich zur übrigen Verwaltung immerhin seit Jahren zu den digitalen Vorreitern. Von zusammenbrechenden Servern wegen zu vieler Anfragen können die meisten anderen Verwaltungszweige nur träumen. Außerdem seien die Probleme auch einer schadhaften Komponente in der Serverinfrastruktur geschuldet. Der Ersatz habe länger als gedacht auf sich warten lassen, erfuhr t-online von einem Insider.

Das mag alles sein, und dennoch: Die bescheidenen Erfolge mit Elster sind eigentlich das absolute Mindestmaß. Das jetzt zum entschuldbaren digitalen Vorbild zu verklären, wäre fatal und der endgültige Schritt zur digitalen Verzwergung. Wie soll Deutschland sicher durch Zeiten von Metaversen, Mega-Internet-Unternehmen und Cyberkriegen navigieren, wenn ihm noch heute jedes bessere Internet-Start-up in Sachen IT-Kompetenz den Schneid abkauft?

Wir sollten das alles längst besser können. Denn sonst ist der Gigabit-Zug bald abgefahren. Ein kleiner Trost, zumindest für Team Elster, ist immerhin: Die Finanzämter sind bereits seit Jahren auf einem guten Weg. Andere müssen jetzt erst richtig anfangen – und einen jahrelangen Rückstand aufholen.

Doch die Schuld und die Verantwortung liegt letztlich viel weiter oben: Wie oft schon wurde Deutschland von den Regierenden als Digitalrepublik ausgerufen und wie oft folgte auf diesen Appell – nichts. Diese Regierung hat gerade in digitaler Hinsicht im Vorfeld große Versprechungen gemacht und die kurze Zeit im Amt bereits ausführlich für erste Enttäuschungen genutzt.

Noch haben Scholz, Wissing und die anderen Zeit, echte Veränderung anzustoßen. Aber das gelingt nur, wenn Digitalisierung in dieser Regierung vom bloßen Lippenbekenntnis zur echten Priorität wird. Es ist höchste Zeit dafür.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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