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Theater für Kinder: Fantasie an die Macht


Erziehung
Fantasie an die Macht

t-online, Simone Blaß

28.03.2011Lesedauer: 6 Min.
Theater regt die Fantasie an.Vergrößern des BildesTheater regt die Fantasie an. (Quelle: imago)
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Um in die faszinierende Welt des Theaters einzutauchen, braucht es etwas mehr als einen Knopfdruck. Man muss sich bereits im Vorfeld überlegen, welches Stück man besuchen möchte und sich die Karten besorgen. Dann erlebt aber in der Regel ein paar ganz besondere Stunden. Doch bei vielen Eltern löst der Begriff "Theater" leider und völlig zu Unrecht eher staubige Assoziationen aus. Und somit ist die Lust, ihre Kinder mit der Welt der Bühne vertraut zu machen, auch nicht allzu groß. Dabei gibt es zahlreiche wunderschöne Angebote.

Gegen gemeinsame Fernsehzeit ist nichts einzuwenden

Es ist nicht zu leugnen: Viele Kinder werden tagtäglich stundenlang vor der Glotze geparkt. Wobei die Eltern oft gar nicht so genau wissen, was sich die lieben Kleinen alles so ansehen. Natürlich kann ein gemütlicher gemeinsamer Nachmittag vor dem Fernseher etwas sehr Schönes sein - wenn das Fernsehen nicht zur Dauereinrichtung wird und das Kind auch andere kulturelle Angebote bekommt. Viele Familien denken da an Kino, manche gehen vielleicht in ein Konzert oder ein Weihnachtsballett, aber es gibt noch eine weitere schöne Alternative: das Kindertheater.

Kulturelle Angebotsvielfalt nutzen

"Grundsätzlich kann man sowieso Kino, Fernsehen und Theater nicht in einen Wettbewerb stellen. Schließlich sind es verschiedene Kunstformen, die ihre Licht- und Schattenseiten haben", erklärt die Theaterpädagogin Eva Ockelmann. "Aber es geht auch gar nicht darum, die eine Kunstform ab- und die andere aufzuwerten, sondern vielmehr darum, die Angebotsvielfalt zu nutzen." Und Angebote gibt es diesbezüglich in jeder Stadt reichlich. Es gibt Theater mit Musik oder Masken, mit Puppen und Figuren, Erzählungen auf kleinen Bühnen und Inszenierungen an Großen. Es gibt Mitmachtheater, bei denen die Zuschauer integriert werden, und Stücke, die für sich stehen. "Die Geschichten werden natürlich anders erzählt als im Kino, mit anderen Mitteln, ohne 3D-Brille und ohne Popcorn. Sie sind dafür aber zum Greifen nah, mit echten Stimmen, Livemusik und fantasievollen Bühnenbildern. Es gilt, diese Kunst neu zu entdecken, den Zauber im gesprochenen Wort wiederzufinden, die Ruhe und die Lücken zuzulassen oder auch zu sehen, welche Übersetzungen oder Bilder ein Regisseur gewählt hat."

Nichts ist stärker als die Fantasie

Das Theater fordert also den Zuschauer auf mitzudenken, es lädt ein, die Fantasie zu benutzen und lässt Freiräume für eigene Interpretationen und Identifikationen. "Kein Bühnenbild ist so stark wie die eigene Fantasie und der wollen wir Platz einräumen." Eva Ockelmann arbeitet beim 1986 gegründeten Theater "Pfütze" in Nürnberg, das seinen Namen nicht nur daher hat, dass Kinder Pfützen einfach lieben, sondern auch daher, dass sich in einer Pfütze die ganze Welt spiegeln kann. Ihre Aufgabe als Theaterpädagogin ist es, zwischen dem Theater und dem Zuschauer zu vermitteln, den Sinn für die Gemeinschaft zu wecken und in gewisser Weise auch das Sozialverhalten zu trainieren. Das gelingt unter anderem durch theaterpädagogische Angebote, Betreuung von Theaterkursen für Kinder wie auch für Erwachsene und natürlich durch ihre Funktion als Ansprechpartner für Lehrerinnen und Lehrer, die sich für die Stücke interessieren. Begleitmaterialien zum Stück und Vor- und Nachbereitung in der Schule gehören zum Angebot genauso dazu wie die Beratung von Theater AGs in höheren Klassen.

Gutes Kindertheater gefällt auch Erwachsenen

"Die Geschichten, die zum Beispiel bei uns im Theater 'Pfütze' auf die Bühne kommen, sind Geschichten, die uns als Ensemble, als erwachsene Menschen ansprechen und die wir gerne mit den Mitteln unserer Kunst erzählen und teilen möchten." Richtig gutem Kindertheater gelingt es dabei, nicht nur die jungen Zuschauer, sondern auch deren erwachsene Begleiter zu begeistern. "Wir stehen hinter der Geschichte und meinen es ernst. Und ebenso ernst nehmen wir eben auch unsere Zuschauer."

Wobei diese Zuschauer vor allem unterhalten werden wollen. Kindertheater soll Spaß machen, einem Theaterbesuch haftet etwas Feierliches an. Die kleinen Zuschauer sind nach der Vorstellung reicher an Eindrücken, angeregt in ihrer Fantasie, wurden bestenfalls zum Träumen und Lachen gebracht und gehen mit einer Menge an neuen Eindrücken und inneren Bildern nach Hause. "Gutes Kindertheater verzichtet auf gefällige Gags und mundgerechte Handlungsstränge. Gutes Kindertheater darf anstubsen und ungemütlich sein, in einem guten Kindertheaterstück fühle ich mich als Zuschauer aufgehoben und wahrgenommen", so Eva Ockelmann.

Theater - ein überflüssiger Luxus für medienverwöhnte Kids?

Dass viele unserer Kinder heutzutage - genau wie wir auch - einer ziemlichen Reizüberflutung ausgesetzt sind, wird wohl niemand bestreiten. Das Theater aber lässt ihnen Zeit, sich auf die Geschichte einzulassen, die sinnlichen Eindrücke sind intensiver und bleiben viel länger in Erinnerung. Nicht zuletzt deswegen, weil man mehr oder weniger mitten im Geschehen ist, von anderen Kindern umgeben, mit denen man gleichzeitig hoffen, bangen, lachen und sich freuen kann. Durch die Gruppe wird das Erlebnis noch intensiver, durch das in der Regel danach stattfindende Gespräch mit Eltern oder Freunden besteht die Möglichkeit, das Erlebte besser zu verarbeiten und eventuelle Botschaften für sich herauszuziehen.

Kindertheater als Leseförderer

Gerade schlichte Darbietungen sprechen interessanterweise, genau wie das zu Unrecht oft als altmodisch betrachtete Vorlesen, vor allem Kinder an, die besonders medienverwöhnt sind. Eltern, die selbst gern ins Theater gehen, lesen in der Regel auch gerne, und nicht selten lesen sie auch gerne vor. Das heißt, diese Kinder sind die 'erzählte' Geschichte bereits gewöhnt, dürfen sie nun aber in einem anderen Licht erleben. Kindertheater ist durchaus auch als Leseförderung zu betrachten, denn man muss konzentriert über einen längeren Zeitraum zuhören, mitdenken, beobachten und manchmal auch reagieren. Die verschiedensten Sinne werden aktiviert, die Aufnahmebereitschaft wird gefördert und oft auch die Neugier auf weitere Geschichten geweckt.

Eine Generation, die ein bisschen Fantasie dringend nötig hat

Die bekannte österreichische Kinderbuchautorin Christine Nöstlinger, die unter anderem den Gurkenkönig erfand, sieht vor allem die Anregung der Fantasie im Vordergrund: "Da ist mein Auto, sagt der Schauspieler und zeigt auf eine Bierkiste. Ich bin das Pferd, sagt ein Kollege und wiehert. Und jetzt geht die Sonne auf, sagen beide und halten eine gelbe Scheibe hoch. Die Knirpse von heute müssen sich anstrengen, da mitzuspielen. Diese Anstrengung ist dringend notwendig für sie, denn diese Generation wird demnächst eine Menge Phantasie brauchen, um das Leben halbwegs lebenswert zu erhalten. Gutes Kindertheater kann dafür ein Unterrichtsfach sein."

Theater für Jugendliche hat andere Ansprüche

Kindertheater kann vielen Altersgruppen gleichzeitig Spaß machen. Auch Großeltern sind für den Tipp, mal mit den Enkeln in ein entsprechendes Stück zu gehen, oft dankbar, ist ihnen das doch meist viel vertrauter als Gameboy, Nintendo oder Wii. Kleine Kinder sind ganz besonders empfänglich für bunte Bühnenbilder und einfache Geschichten. Die älteren fangen bereits an, sich mehr für die Technik dahinter zu interessieren. Inhalte von Jugendtheater drehen sich natürlich oft um die Themen, die in diesem Alter besonders wichtig sind: Aufklärung, Liebe, manchmal auch Gewalt und Drogen. Ein perfektes Beispiel ist eines der bereits seit Mitte der 70er Jahre meistgespielten Stücke namens "Was heißt‘n hier Liebe?". Der Klassiker des Theaters "Rote Grütze" erzählt vom ersten Kuss und dem Danach, von Peinlichkeiten und Selbstverständlichkeiten.

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Modernes Kindertheater verschließt sich nicht dem Zeitgeist

Theateraufführungen speziell für Kinder sind wohl erstmals im 17. Jahrhundert bekannt geworden, vor allem Weihnachtsmärchen auf der Bühne gehörten zum deutschen Kulturgut. Schultheater beziehungsweise didaktisches Theater kamen hinzu und in den 1960ern dann das sozial- und teilweise auch politisch engagierte Theater. "Seit etwa 30 Jahren wächst in Deutschland kontinuierlich ein von tradierten Produktionsstrukturen unabhängiges Theater für junge Menschen", erklärt Martin Zels. Der Schauspieler und künstlerische Leiter sieht den Löwenanteil dieser Entwicklung bei den zahlreich gegründeten freien Theatern, für die ein Wachsen noch Veränderung bedeutet. Soziokulturelle Einflüsse und der Fortschritt der Technik gehören hier auch dazu. "Ein modernes Theater für Kinder setzt aktuelle, literarisch hochwertige und die Lebenswelt der Kinder betreffende Stoffe in künstlerisch vollwertige und ästhetisch anspruchsvolle Inszenierungen um. Das kann und will sich dem Zeitgeist gar nicht verschließen."

Das Kindertheater wird erwachsen

Dazu gehört unter anderem, dass man immer häufiger feststellen kann, dass sich das Kinder- und Jugendtheater dem "erwachsenen" Theater annähert. "Man wagt mehr und mehr den Gang ins Abstrakte, Fragmentarische, Rätselhafte. Elemente wie Oper, Tanz, Performance und Improvisation finden ihren Zugang auch zum Kindertheater." Und trotzdem wird diese Sparte des Theaters noch immer nicht entsprechend honoriert. Martin Zels ärgert sich darüber, dass trotz aller "künstlerischen Erwachsenwerdung" die namhaften deutschen Zeitungen noch sehr zögerlich reagieren. "Das Feuilleton negiert bislang weiter beharrlich eine der spannendsten Kunstformen der letzten Jahrzehnte!"

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