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"37 Grad"-Reportage "Nicht ohne meine Mutter" zeigt drei bewegende Schicksale


Erziehung
"37 Grad": Mit elf landet Michaela auf dem Babystrich

t-online, rev

20.03.2013Lesedauer: 4 Min.
Mit elf Jahren schickten Zuhälter Michaela auf den Babystrich (hier: Frankfurter Straßenstrich).Vergrößern des BildesMit elf Jahren schickten Zuhälter Michaela auf den Babystrich (hier: Frankfurter Straßenstrich). (Quelle: dpa-bilder)
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"Mutterliebe ist das innige und unzerstörbare Sympathiegefühl einer Mutter zu ihrem Kind (eine Form der Liebe)." Mit diesem Lexikoneintrag beginnt die ZDF-Sendung "Nicht ohne meine Mutter - Wenn die erste Liebe fehlt". Nicht jedes Kind erfährt Mutterliebe - wie zum Beispiel die heute 35-jährige Michaela, die von ihrer Mutter misshandelt wurde und bis heute darunter leidet. Mit ihr trafen sich die Reporter der "37 Grad"-Reihe genauso wie mit Nadja und Selina: Drei bewegende Schicksale, die zeigen, was Mutterliebe bedeutet und welche tragischen Folgen es haben kann, wenn sie fehlt.

"37 Grad": Nadja setzte ihr Kind aus

"Ich habe keine Erklärung dafür", sagt Nadja (23) über ihre schreckliche Tat: Als sie ihr zweites Kind zu Hause bekam, nabelte sie es ab, wickelte es in ein Handtuch und stellte es in einem Karton hinter einem Stromkasten ab. Es dauerte drei Tage, bis ein Nachbar das erfrorene Kind fand. Kurz darauf ermittelte die Polizei anhand von DNA-Proben die Mutter des toten Kindes. Nadja bekam zehn Jahre Haft wegen Totschlags.

Wie kann es zu so einer Tat kommen? Nadja kann es sich bis heute nicht erklären, was sie am meisten quält: "Ich liebe Kinder eigentlich über alles. Ich verstehe selbst nicht, warum ich es gemacht habe." Zur Zeit der Geburt lebte Nadja völlig vereinsamt zusammen mit einem Partner, der sie schlug und ihr drohte, falls sie noch einmal schwanger werden sollte. Als sie dann schließlich tatsächlich ein Kind erwartete, war sie sich Alternativen wie Babyklappe bewusst. Doch mit dem Einsetzen der Wehen setzte Nadjas Verstand aus. Als "emotionalen Ausnahmezustand" bezeichnen Neurobiologen die Situation nach einer Geburt. Denken und Fühlen seien dabei wie ausgeschaltet - und damit im Fall von Nadja auch jegliche Mutterliebe.

Ein Einzelfall? Keineswegs! Jede Woche wird in Deutschland ein Baby ausgesetzt, so die nüchterne Statistik. Nur etwa die Hälfte aller Säuglinge überlebt eine solche Verzweiflungstat der eigenen Mutter. Nicht jedes Neugeborene wird überhaupt gefunden, weiß die Polizei, und so ist die Dunkelziffer hoch.

Die Geburt kam vollkommen überraschend

Selina (22; Name von der Redaktion geändert) wurde mitten in der Nacht von der Geburt ihrer Tochter überrascht. Bis zu diesem Zeitpunkt wusste sie nicht, dass sie überhaupt schwanger ist. "Es gibt unbemerkte Schwangerschaften - und gar nicht so selten. Das kommt hier in der Klinik sicher einmal im Monat vor", erläutert Peter Seiffert, Chefarzt der Kinderklinik des St. Johannes-Hospitals in Duisburg, in deren Babyklappe Selina mit letzter Kraft das Kind nach der Geburt ablegte. Es war etwas zu früh geboren, unprofessionell abgenabelt und unterkühlt, doch es überlebte - dank Babyklappe.

Allerdings schwebte Selina kurz nach der Entbindung selbst in Lebensgefahr. Sie drohte zu verbluten und wurde in das selbe Krankenhaus eingeliefert, in das sie zwei Tage zuvor ihr Kind abgelegt hatte. Schnell vermutete Chefarzt Seiffert, dass Selina womöglich die Mutter des Babys sein könnte und er behielt recht. Nach einigen Gesprächen traf Selina auf ihre kleine Tochter. In diesem Moment fühlte sie zum ersten Mal Mutterliebe: "Als ich die Kleine auf dem Arm hatte, war es vorbei. Da wusste ich, dass sie bleibt!"

Michaela in "37 Grad": Schläge, Kinderheim, Babystrich

Seiffert weiß: "Mutterliebe ist nicht automatisch da, wenn die Mutter sich vorher nicht auf die Geburt vorbereiten konnte." Doch trotz unbemerkter Schwangerschaft und den schwierigen Umständen der Geburt hat sich bei Selina eine tiefe Mutterliebe entwickelt. Eine Liebe, die, wie Experten wissen, Kinder prägt - genauso wie emotionale Kälte, Demütigung und Gewalt, die man in seiner Kindheit durch die Eltern erfährt, einen Menschen meistens ein Leben lang begleiten. Kinder, die so aufwachsen, werden wahrscheinlich immer in einem Angstzustand leben und immer Schwierigkeiten haben, Vertrauen zu anderen aufzubauen. "Wenn meine Mutter mein größter Feind wird, dann ist jeder Mensch mein größter Feind", erklärt Thomas Litzenburger, Psychotherapeut in Markdorf.

Dieses Schicksal ereilte die heute in Essen lebende Michaela (35). Als Kind wurde sie brutal von ihrer Mutter geschlagen. Misshandlungen, die ihren weiteren Weg vorbestimmen sollten: Nachdem ihr von der eigenen Mutter mit Baseballschläger und Handfeger Finger und Hand gebrochen wurden, wurde das Jugendamt auf den Fall aufmerksam. Michaela kam erst in eine Pflegefamilie und mit elf Jahren in ein Kinderheim. Dort lauerten ihr Zuhälter auf, die sie "anfixten" und auf den Babystrich schickten. "Ich war eins von den Bahnhofkids", sagt Michaela fast 20 Jahre später. Auch Drogenprobleme ließen nicht lange auf sich warten. "Warum haben andere Leute Eltern, zu denen sie gehen können? Warum hast du das nicht?", fragte sie sich damals.

"37 Grad" zeigt eine Liebe, die ihr Ziel nicht findet

Kaum vorstellbar, doch bis heute hat Michaela den Kontakt zu ihrer Mutter nicht abgebrochen - obwohl gelegentliche Treffen immer im Streit enden. Psychotherapeut Litzenburger liefert eine einfache Erklärung: "Sie hat ja keine andere Mutter." Wie jeder andere Mensch sehne sich Michaela nach Mutterliebe - etwas, das sie nie erfahren hat. Stattdessen stößt sie immer wieder auf Ablehnung. Es entstehe dadurch eine Hassliebe, eine Liebe, die ihr Ziel nicht findet.

Unerwartet stimmt Michaelas Mutter im Rahmen der Sendung einem gemeinsamen Gespräch mit ihrer Tochter zu: Doch von Einsicht keine Spur. "Ich war eine Übermutter. Ich war zu 'begluckend', vielleicht war das zu viel", erklärt Michaelas Mutter was in der Kindheit ihrer Tochter falsch gelaufen sein könnte. Gleichzeitig gibt sie die Schuld weiter: "Michaela war ja selber auch schwierig. Sie hat viel gelogen, ging immer auf Distanz. Das fing an, als sie schon klein war." Über Schläge, Misshandlungen und Demütigungen spricht sie nicht. Sie scheinen für sie nie stattgefunden zu haben: Sie könne ihre eigenen Grausamkeiten nur ertragen, wenn sie es zu 100 Prozent verdrängt, vermutet Litzenburger.

Doch dann kippt die Stimmung. Als die Mutter über die Zeit spricht, in der Michaelas Vater die Familie verließ, ihr Stiefvater zum Alkoholiker wurde, bricht sie in Tränen aus. "Ich hätte nie gedacht, dass ich mal meine Kinder schlage." Sie weiß, dass sie sich selbst belügt. "Für einen Fehler kann man ein Leben lang bezahlen", sagt sie am Ende des Gesprächs, während Michaela weinend den Raum verlässt.

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