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"Menschen hautnah": Wenn plötzlich die Mutter stirbt


Familie & Beruf
"Menschen hautnah": Wenn plötzlich die Mutter stirbt

t-online, Tanja Zech

24.05.2013Lesedauer: 3 Min.
"Menschen hautnah": Nach dem überraschenden Tod seiner Frau war Michael von einem auf den anderen Tag mit seinen drei Kindern allein.Vergrößern des BildesNach dem überraschenden Tod seiner Frau war Michael von einem auf den anderen Tag mit seinen drei Kindern allein. (Quelle: WDR / Frank Hlawitschka)
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Seinen Namen, "Michael", und ein Seufzer - das ist das letzte, was der Familienvater auf dem Klinikflur von seiner Frau Celia hört, als Krankenschwestern sie eiligst auf die Intensivstation schieben. Kurz zuvor ist das dritte Kind geboren. Wenige Stunden später steht die Familie ohne Mutter da. Nach Komplikationen bei der Geburt können die Ärzte ihr Leben nicht retten. Ein Schicksalsschlag, der alles verändert.

Bis dahin war es ein eingespieltes Familienleben mit klassischer Rollenverteilung und gesichertem Einkommen: Ein glückliches Ehepaar mit einer Tochter und einem Sohn, in freudiger Erwartung des dritten Kindes. Der 48-jährige Michael ist der Ernährer der Familie und weil er als Maschinenbauingenieur beruflich viel unterwegs sein muss, ist er ein typischer Wochenendvater. Die zwölf Jahre jüngere Celia ist die Alltagsmanagerin, die sich um die Kinder kümmert und den Haushalt führt.

Den Kindern fehlt die Mutter, dem Mann die Partnerin

Plötzlich ist Michael mit drei Kindern alleine, muss kochen und waschen lernen, sich um die Hausaufgaben der Kinder kümmern - und mit dem Verlust der geliebten Partnerin klarkommen. "Sie war alles für mich." Nun fehlt ihm die Vertrauensperson - nicht zuletzt für alle Entscheidungen rund um die Kinder. "Ich muss jetzt alles mit mit selbst ausmachen."

Wer versorgt jetzt das Baby?

Die größten Sorgen bereitet ihm das Neugeborene, das unmittelbar nach der Geburt die Mutter verloren hat. Wer soll die kleine Linda-Maria nun versorgen? Für Michael ist das unmöglich, auch wenn er kurz zuvor einen neuen Arbeitsplatz in Wohnortnähe angetreten hat. Oma Gerda springt ein. Mit über 70 schlüpft sie noch einmal in die Mutterrolle und zieht das Baby auf. Für die Familie ist dies die beste Lösung - und trotzdem ist es für Vater Michael und die Geschwister Anna (10) und Paul (8) belastend, dass die Kleinste nicht bei ihnen lebt. "Manchmal stelle ich mir vor, wie es wäre, das kleine Würmchen hier zu haben", sagt Anna. Wenn Linda-Marie für ein Wochenende zu Besuch ist, kümmert sie sich liebevoll um die kleine Schwester.

Die Familie ist mit der Trauer und mit dem Alltag überfordert

Ein Jahr lang hat "Menschen hautnah"-Autorin Justine Rosenkranz die Familie begleitet, und es wird deutlich, wie sehr die Situation alle Familienmitglieder überfordert, auch wenn an der Oberfläche alles zu funktionieren scheint. "Für uns alle ist es schwer zu begreifen, was geschehen ist und wo wir nun alle stehen", sinniert Michael. "Linda-Marie wächst bei den Großeltern auf und hat mit uns noch eine Familie, die aber immer wieder wegfährt." Der Kontakt mit Celias Familie ist kompliziert. Ihre Eltern leben in Portugal, nach Celias Tod kann sich Michael mit ihnen nur noch mit Hilfe von Dolmetschern verständigen.

Zu wenig Unterstützung vom Staat

Michaels Arbeitskollegen halten ihm bestmöglich den Rücken frei, ein Schulfreund und dessen Familie bieten Rat und Hilfe an. Der Freund äußert sich "entsetzt, wie wenig Unterstützung es von der Gemeinde und vom Staat in dieser Situation gibt. Dass die Gemeinde nicht jemand schicken kann, der einen halben Tag im Haushalt hilft." Michael musste auf eigene Faust eine Tagesmutter suchen. Der ersten kündigte er schon bald wieder, mit der zweiten klappt es besser. Aber sie weiß nicht, wie sie mit dem Schicksalsschlag umgehen soll, den die Kinder erlitten haben.

Die Trauer wird verdrängt

Der Knackpunkt: Es bleibt kaum Zeit für Trauer. Ohnehin ist Michael ein Mensch, der seine Gefühle nicht nach außen trägt. "Trauern - das macht man abends auf dem Kopfkissen." Ausgerechnet ein Pastor hat ihn in dieser Haltung bestärkt. Auch die große Tochter Anna frisst ihre Trauer buchstäblich in sich herein. Freunden der Familie fällt auf, dass sie immer dicker wird und sich immer mehr in zurückzieht. Sie verschlechtert sich in der Schule, wird wahrscheinlich die sechste Klasse wiederholen müssen.

"Mamas Tod - darüber rede ich nur mit meinem Kuscheltier"

Es wird klar, dass die Familie den Tod der Mutter nicht aus eigener Kraft verarbeiten kann und dringend Hilfe von außen braucht. Ein Jahr nach Cecilias Tod engagiert Michael eine Trauerbegleiterin. Ihr gesteht Anna, dass sie ihre Gefühle bis dahin nur ihrem Kuscheltier anvertraut hat. In der Familie mag sie mit niemandem darüber reden. Allenfalls per Facebook mit der Patentante.

Erstmals wird in der Familie direkt über Tod und Schmerz gesprochen und nicht nur darüber, "dass Mama jetzt im Himmel ist". Michael entwickelt langsam die Zuversicht, mit seinen drei Kindern zu einem normalen Familienleben zurückfinden zu können. Allerdings wird er ihnen die fehlende Mutter trotz allem niemals ersetzen können. "Der Papa ist ja auch ein Mann. Mit dem redet man ja auch anders. Nicht so über Mädchensachen. Wenn man mal verliebt ist, sowas sagt man doch eher der Mama", sagt Anna.

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