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Ein Kindheitstrauma hält oft lebenslang


Psychologie
Verprügelt, vergewaltigt, überfallen: Ein Trauma hält oft lebenslang

dpa

24.03.2010Lesedauer: 3 Min.
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Ein Trauma aus der Kindheit kann einen Menschen lebenslang begleiten. (Bild: imago)Vergrößern des Bildes
Ein Trauma aus der Kindheit kann einen Menschen lebenslang begleiten. (Bild: imago) (Quelle: imago-images-bilder)

Traumatische Erlebnisse sind schon für Erwachsene schlimm - für Kinder sind sie jedoch oft katastrophal. "Sie haben noch kein Wertegerüst wie ein Erwachsener", sagt Friedrich Haux von der Fachklinik für Psychotraumatologie in Diez (Rheinland-Pfalz). Erwachsene wissen, dass zum Beispiel Schläge, Tritte oder Vergewaltigungen etwas Schlechtes sind. Ein Kind erlebt das schlimme Geschehen und kann es nicht einordnen - und kaum bis gar nicht darüber reden. Das Trauma festigt sich, im schlimmsten Fall bleibt es ein Leben lang erhalten.

Verprügelt, vergewaltigt, überfallen - traumatisiert

Das Wort Trauma bedeutet so viel wie Wunde, der Mensch bleibt in diesem Fall also lebenslang seelisch verwundet. Dieses Los möchte die Psychotherapeutin Sabine Ahrens-Eipper jungen Menschen ersparen. Sie hat gemeinsam mit Kolleginnen in Halle das bundesweit einmalige Projekt "Trauma First" gegründet. Menschen im Alter zwischen drei und 26 Jahren werden hier behandelt. Sie wurden verprügelt, vergewaltigt, überfallen, haben einen Toten gefunden oder schreckliche Unfälle erlebt. Der Vorteil von "Trauma First": Es gibt kurzfristige Termine, die Therapeuten machen auch Haus- und Schulbesuche, arbeiten mit Sozialämtern und Kinderärzten zusammen. Mittlerweile haben die ersten Patienten ihre Therapie erfolgreich hinter sich gebracht.

Je jünger, desto komplizierter

"Normalerweise gibt es bei den Psychotherapeuten eine lange Wartezeit", erklärt Ahrens-Eipper. Bis zu einem Jahr könne es dort alleine bis zu einem Erstgespräch dauern. Für die schwer traumatisierten Kinder und Jugendlichen, die bei dem von Krankenkassen unterstützten Projekt behandelt werden, ist das viel zu lang. In dieser Zeit festigt sich ihr Trauma, damit wird die Therapie immer schwieriger. Ohnehin sind junge Menschen viel schwerer zu therapieren als Erwachsene - je jünger sie sind, desto komplizierter wird es. Das hängt zum einen mit dem noch unausgebildeten Wertegerüst zusammen. Auch können Kinder weder auf frühere Erfahrungen zurückgreifen noch das Geschehen zumindest rational begreifen. Die am schwierigsten zu behandelnden Traumata entstehen, wenn das Kind von Vertrauenspersonen, etwa einem Lehrer oder den Eltern, missbraucht wird. "Das ist sehr, sehr schwer zu verkraften, weil es so unnatürlich ist", sagt Ahrens-Eipper. Schließlich sollen Eltern ihre Kinder beschützen und ihnen eine Basis für das Leben mitgeben. Mit dem Missbrauch wird diese zerstört, oder sie entsteht erst gar nicht.

Gezeichnet fürs ganze Leben?

"Aus diesen Kindern werden oft Erwachsene ohne Orientierung und Sicherheitsgefühl", beschreibt Karin Wagner vom Trauma- und Opferzentrum Frankfurt/Main die Auswirkungen. Krankheiten begleiten diese Menschen oft auf ihrem Lebensweg, die Suchtgefahr steigt enorm. Ein unverarbeitetes Trauma macht sich bis ins hohe Alter immer wieder bemerkbar. "Das ist wie bei einem Müllhaufen, auf den man Erde schüttet. Von draußen sieht man nichts mehr, aber innen stinkt es", sagt Haux und erzählt von einem Patienten, bei dem nach 64 Jahren quälende Kriegserinnerungen nach oben kamen. Das Tröstliche: "Traumata können auch nach langer Zeit noch behandelt werden", sagt Ahrens-Eipper.

Von den eigenen Eltern gequält

Zu ihren Patienten gehören auch Kinder, die in ihrem Zuhause durch die Hölle gegangen sind. Da ist zum Beispiel ein sechsjähriges Mädchen, das von seinen Eltern gequält wurde. Und ein vierjähriger Junge, der immer wieder von seinem Vater verprügelt wurde. "Laut Studien wachsen etwa 30.000 Kinder eines Jahrgangs in Deutschland in Hochrisikofamilien auf", sagt Ahrens-Eipper. In diesen Familien sind Vernachlässigungen oder Misshandlungen alles andere als selten. Nicht immer sind es die unteren sozialen Schichten - dort häufen sich allerdings Risikofaktoren, zu denen auch Armut gehört.

Was geschieht in der Therapie?

In der Therapie geht es zunächst darum, ein Vertrauensverhältnis aufzubauen und den jungen Menschen Sicherheit zu geben. Die Eltern - entweder die leiblichen oder die Pflegeeltern - sind sehr wichtig. "Je stabiler sie sind, desto besser können die Kinder ihr Trauma verarbeiten", erklärt Wagner. Zu der Therapie bei den Kleinen gehören auch Spiele, manche Kinder spielen ihr traumatisches Erlebnis unzählige Male durch. Oder sie reisen mit einem Spielzeug-Schiff auf verschiedene Inseln, zum Beispiel zu der "Insel der Träume", wo die bösen Albträume bleiben sollen. Für die Älteren gibt es auch eine Verhaltenstherapie. So besuchen sie zum Beispiel den Ort, an dem sie ihr Trauma erlitten haben. Oder sie üben, anderen Menschen wieder in die Augen sehen zu können.

Trauma-Symptome bei Kindern erkennen

Die Symptome eines Traumas bei Kindern sind unterschiedlich. Manchmal fallen sie in frühere Entwicklungsstufen zurück, indem sie wieder anfangen zu nuckeln oder ins Bett zu machen. Manche haben plötzlich Angst im Dunkeln oder können kaum schlafen. Einige Kinder werden hyperaktiv, andere erstarren regelrecht. Jungs drücken ihre Aggression eher aus, indem sie andere schlagen oder drangsalieren. Mädchen richten ihre Wut dagegen oft gegen sich selbst, manche verletzen sich oder werden magersüchtig.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
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