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WDR-Doku "Schattenland" über Kindesmisshandlung in Deutschland


Kindergesundheit
Kindesmisshandlung im "Schattenland": Sie erleben täglich "unvorstellbares Elend"

t-online, rev

Aktualisiert am 07.12.2012Lesedauer: 4 Min.
Dieses Mädchen (11 J.) wurde zuhause mit Lederriemen (Hundeleine) mehrmals geschlagen.Vergrößern des BildesDieses Mädchen (11 J.) wurde zuhause mit Lederriemen (Hundeleine) mehrmals geschlagen. (Quelle: WDR)
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"Wir sehen jeden Tag unvorstellbares Elend, sehen Kinder, die mit drei Jahren nicht einmal Mama sagen können oder zu Tode gequälte Säuglinge", sagt Hauptkommissarin Gina Graichen vom Berliner LKA 125, dem einzigen Kommissariat in Deutschland, das sich ausschließlich um Misshandlungen von Kindern und anderen hilflosen Personen kümmert. Die WDR-Doku "Schattenland" aus der Reihe "die story" zeigt den oft bedrückenden Arbeitsalltag der Ermittler.

Die Autoren folgen den Ermittlern in die Absurdität zwischen normaler Routine im Büro und den abscheulichsten Verbrechen an Kindern. Sie sprechen mit den Polizisten über die Bitterkeit, die aufkommt, weil wieder mal alle weggesehen haben und die Hilfe zu spät kommt. Jenseits der Zeitungsschlagzeilen fragen die Autoren auch nach den Ursachen: Warum werden in Deutschland Kinder missbraucht, gequält und getötet?

Vom Vater gegen das Bett geschleudert

Das Telefon klingelt im Berliner LKA 125, ein Anruf aus dem Krankenhaus. Ein Säugling wurde mit Blutergüssen und schweren Kopfverletzungen vom Rettungswagen in die Notaufnahme gebracht und die Ärzte glauben nicht an einen Unfall. Das Einsatzteam des Kommissariats muss sofort los. Sie sind Dauergäste im Krankenhaus und können sich schnell ein Bild machen von dem, was geschehen sein könnte. Die Ärztin ist sich sicher: "Der Säugling wurde misshandelt." Aus dem Gespräch mit der leitenden Ärztin der Berliner Charité ergibt sich die Vermutung, dass das zwei Monate alte Baby - vermutlich vom Vater - an den Füßen genommen wurde und gegen das Bett geschleudert wurde. Später stellt sich heraus, dass das kleine Kind nicht zum ersten Mal misshandelt wurde.

Mit Löffeln verbrannt: Zu einer Verurteilung wegen Kindesmisshandlung wird es nicht kommen

Ein weiterer Fall: Die WDR-Reporter begleiten das Ermittlungsteam des LKA 125 zu einer Zeugenvernehmung in die Schule. Lehrer haben auffällige Brandwunden bei einem 17-jährigen körperlich behinderten Mädchen festgestellt. Zunächst behauptete sie gegenüber ihren Lehrern, dass sie sich beim Kochen verbrüht habe. Nachdem die Pädagogen ihr das aber nicht glauben, gesteht sie, dass ihr Vater sie mit einem heißen Gegenstand - ein heißer Löffel, wie Untersuchungen ergeben - verbrannte, als sie nicht aus ihrem Bett aufstehen wollte. Das Mädchen, das inzwischen in einem Heim lebt, gesteht dies im Vertrauen, bereit, es auch vor Gericht auszusagen, ist sie nicht. Die Kommissare gehen deshalb davon aus, dass die Beweislage für eine Verurteilung des Vaters nicht ausreichen wird.

Tag für Tag erleben die Ermittler Unvorstellbares

Für "Schattenland" hat erstmals ein Fernsehteam die Möglichkeit, die Kriminalbeamten des Berliner LKA 125 bei ihrer Arbeit zu begleiten: im Kommissariat, am Schreibtisch und bei den Ermittlungen vor Ort. Was die Reporter und die Zuschauer sehen, ist erschreckend und frustrierend zugleich. Auf die Frage, wie viele Kinder das Team schon retten konnte, antwortet eine der Kommissarinnen: "Viele!" Schnell ergänzt sie aber ernüchternd: "Aber leider nicht genug."

Und tatsächlich werden Jahr für Jahr rund 3500 Fälle in Deutschland aktenkundig. Die Dunkelziffer ist nach Schätzung von Fachleuten mindestens doppelt so hoch. Bei Gina Graichen, die diesen Job seit 26 Jahren macht, landen jeden Tag acht bis zwölf neue Fälle von Misshandlungen auf dem Schreibtisch. Dabei unterscheiden die Kommissare zwischen Fällen von Verwahrlosung, in denen Kinder nicht richtig versorgt werden, nicht genug zu essen bekommen oder zwischen Müll leben müssen, und Fällen, in denen Kinder Opfer von Gewalttaten werden: Kinder, die gefesselt, getreten, verbrannt, gedemütigt und totgeschlagen werden. Andere werden in dunkle Räume eingesperrt, in einem Fall wurde ein Kind gezwungen Urin vom Boden zu lecken - die Ermittler erleben Unvorstellbares.

Wie kann es zu Kindesmisshandlung kommen?

Es bleibt die Frage: Wie kann es zu solchen Taten kommen? Warum werden Kinder hierzulande misshandelt? Die Experten vom Berliner LKA glauben nicht, dass die Täter aus Prinzip gerne Kinder misshandeln: "Es gibt ganz selten Fälle, in denen wir einen orientierten Täter haben, der ein Kind nur deshalb schlägt, weil er Kinder schlagen will", erklärt Dezernatsleiter Hans-Joachim Blume.

"Typischerweise ist es so: Wir haben eine Mutter und wir haben einen Mann dazu - vielleicht den Vater oder den Lebensgefährten, der irgendwann mit dem Kind allein gelassen wird", so Blume. "Das kleine Kind fängt an zu schreien und dem Mann fehlen die Instrumente damit umzugehen, zu sagen: 'Gut, jetzt schreit das Kind, vielleicht kann ich noch irgendetwas probieren, damit es von selber ruhig wird, oder es soll eben weiter schreien, irgendwann wird es ja zu Ende sein.' Nein, das Kind wird stattdessen 'ruhig gestellt.'" Das heißt "ruhig gestellt" im wahrsten Sinne des Wortes: Das Kind wird geschüttelt und geschlagen, zum Teil, bis es komatös ist.

Bilder, die nicht mehr aus dem Kopf wollen

Die Reporter von "die story" bekommen mit, dass es immer wieder Fälle gibt, die die Ermittler trotz langjähriger Erfahrung nicht verdauen können und Bilder, die sie zwar kaum noch einem konkreten Fall zuordnen können, aber einfach nicht mehr aus dem Kopf bekommen. Trotzdem machen sie weiter. Sie sind sich bewusst, dass hinter jeder Tat Schicksale stecken - meistens die Schicksale hilfloser Kinder. Das motiviert sie.

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Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
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