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Drogen: Crystal Meth zerstört Familien


Drogensüchtige Eltern
Wenn Mama mit den Möbeln redet - Crystal Meth zerstört Familien

dpa, Birgit Zimmermann

23.02.2015Lesedauer: 3 Min.
Drogensucht: Eva Robel-Tillig, Chefärztin am Klinikum St. Georg in Leipzig, leitet ein Nachsorgeprogramm für Kinder drogensüchtiger Mütter.Vergrößern des BildesEva Robel-Tillig, Chefärztin am Klinikum St. Georg in Leipzig, leitet ein Nachsorgeprogramm für Kinder drogensüchtiger Mütter. (Quelle: Waltraud Grubitzsch/dpa-bilder)
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Jede Modedroge zieht eine Welle von Folgeschäden in der nächsten Generation nach sich. Weil sich Crystal Meth in Sachsen, Thüringen und Bayern ausbreitet, ist das Suchtproblem auch auf der Frühchenstation des Klinikums St. Georg in Leipzig angekommen. Dort gibt es immer mehr "Crystal-Babys".

Die Kinderärztin Eva Robel-Tillig ist in den vergangenen Jahren ungewollt zur Expertin für Crystal Meth geworden. "Das Problem hat sich massiv verstärkt", sagt sie. "Wir haben permanent zwei bis drei Kinder mit Drogenproblemen der Mutter auf der Station." Immer mehr Menschen greifen zu der billigen Droge, die meist aus Drogenküchen im benachbarten Tschechien kommt. Auch Eltern sind der Droge verfallen.

2009 seien 25 Kinder am Klinikum St. Georg stationär mit Drogenproblemen behandelt worden, 2013 bereits doppelt so viele. Je nach Droge müssten die Kinder unterschiedlich versorgt werden. Die Palette reiche von den klassischen Suchtmitteln Alkohol und Nikotin bis hin zu opiatabhängigen Müttern, die mit Methadon oder Polamidon substituiert werden.

Robel-Tillig hat auf ihrer Station die Nachsorge modellhaft ausgebaut, um die Entwicklung der Kinder länger zu beobachten und den Familien helfen zu können.

Erhöhtes ADHS-Risiko für Kinder von "Crystal-Eltern"

Die Kinder von Eltern, die Crystal Meth konsumieren, seien eher ruhig und unauffällig, sie rutschten leicht als "liebe Kinder" durch, sagt Robel-Tillig. "Crystal Meth erzeugt keine körperliche Abhängigkeit, sondern eine rein psychische." Deswegen zeigten die Kinder auch keine Entzugserscheinungen. Die Probleme begännen erst im Kita- und Grundschulalter.

Betroffene Kinder bildeten Beziehungsprobleme aus, seien häufig Kandidaten für das Aufmerksamkeitsdefizit ADHS. Allerdings räumt die Ärztin ein: "Es gibt noch nicht viele Untersuchungen dazu, gerade Langzeitbeobachtungen fehlen."

Crystal Meth zerstört Familien

Eine erste Bestandserhebung versucht jetzt das Deutsche Institut für Sucht- und Präventionsforschung der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen. An vier Standorten in Leipzig, Chemnitz und im Vogtland werde bis zum Sommer untersucht, wie sich Crystal-Meth-Konsum der Eltern auf die Kinder auswirkt, erläutert Institutsleiter Michael Klein. Die Studie wird vom Bundesgesundheitsministerium gefördert. Das Zentrum für Drogenhilfe im St. Georg in Leipzig ist einer der vier Standorte, in denen die Forscher Daten sammeln.

Aus Amerika sei bekannt, dass dauerhafter Konsum von Crystal Meth Familien zerstöre, sagt Klein. Konsumenten zeigten ein stark verändertes Verhalten mit wahnhaften Zügen. Etwa 60 Prozent entwickelten psychotische Zustände, sagt Klein. "Für ein Kind ist es natürlich sehr verstörend, wenn das in der häuslichen Umgebung passiert. Wenn die Mutter zum Beispiel beginnt, mit den Möbeln zu reden." Die meisten Kinder von Crystal-Meth-süchtigen Eltern in Deutschland seien bisher im Grundschulalter und jünger. Erst seit 2007/08 sei das Crystal-Problem als solches erkennbar, sagt Klein.

Viele Kinder müssen von ihren Familien getrennt werden

Kinderärztin Robel-Tillig betreut Kinder bis zum Alter von drei Jahren. An vier Nachsorgeterminen pro Jahr prüft sie den Entwicklungsstand. Wenn die Drogenprobleme in der Familie bekannt sind, greife zudem automatisch das Suchthilfesystem und die Familienhilfe. Wenn die Eltern wegen ihrer Drogensucht auf ganzer Linie versagten, würden die Kinder auch aus den Familien genommen. "Nur etwa ein Drittel der Drogenkinder ist tatsächlich nach einem Jahr noch in den leiblichen Familien", sagt Robel-Tillig.

"Auch süchtige Eltern können gute Eltern sein"

Die Unterstützung drogenabhängiger Eltern sei immer eine Gratwanderung, sagt Markus Thörmer, Leiter des Fachbereiches Familienhilfe im Zentrum für Drogenhilfe am St. Georg. "Man darf nicht grundlos suchtbelasteten Eltern die Erziehungsfähigkeit absprechen", sagt Thörmer. Mehr noch: "Wir haben die Erfahrung gemacht, dass auch suchtbelastete Eltern gute Eltern sein können."

Ein großes Problem sei immer die Co-Abhängigkeit der Kinder. "Dadurch, dass die Eltern nicht funktionieren, nehmen die Kinder nicht altersgerechte Aufgaben wahr. Sie fangen etwa an, ihre Mütter zu beschützen." Das sei belastend für die Kinder - und sie trete häufig erst offen zutage, wenn die Kinder in die Schule gingen. "Dann merken die Kinder: Bei mir zu Hause stimmt etwas nicht."

"Wir müssen vermeiden, dass die nächste Generation abrutscht"

Aus Sicht von Thörmer und Klein muss vor allem die Prävention gestärkt werden. "Da fehlt eine Menge Geld", sagt Klein. "Der gesamte Gesundheitssektor ist rund 200 Milliarden Euro schwer. Aber nur 30 Millionen Euro fließen in die Suchtprävention. Das ist ein krasses Missverhältnis."

Auch Thörmer sagt, es sei mehr Aufklärung über Drogen wie Crystal nötig: "Wir müssen vermeiden, dass die nächste Generation in die Sucht abrutscht."

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
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