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Teenager mit Kaufsucht: Zehn Tipps für Eltern


Wenn Kinder die Kaufsucht packt

t-online, Nicola Wilbrand-Donzelli

Aktualisiert am 16.01.2016Lesedauer: 5 Min.
In den meisten Fällen beginnt eine Kaufsucht während der Pubertät.Vergrößern des BildesIn den meisten Fällen beginnt eine Kaufsucht während der Pubertät. (Quelle: Thinkstock by Getty-Images-bilder)
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"Shoppen gehen" das gehört zu den beliebtesten Freizeitbeschäftigungen von Jugendlichen. Dann pilgern sie mehrmals wöchentlich, meist begleitet von den besten Freunden, durch die Geschäfte anzuprobieren und oft auch zu kaufen. Doch was für die einen ein normales Freizeitvergnügen ist, wird für andere zu einer teuren Gewohnheit, die in der Kaufsucht endet, bei der innerer Zwang den Konsum bestimmt. Doch was sind die Ursachen für die übertriebene Lust am Shoppen und wie können Eltern frühzeitig gegensteuern? Diese zehn Tipps können helfen.

Noch nie waren Kinder und Jugendliche so umworben wie heute - sei es durch auffällige Plakate, TV-Werbung oder Product-Placement im Internet. Vor allem modische Markenprodukte und bestimmte Handymodelle gelten als Statussymbole und haben eine große Anziehungskraft auf Heranwachsende. Verschiedene Studien belegen, dass das Interesse an prestigeträchtigen Labels bei keiner Altersgruppe so groß ist wie bei 13- bis 18- Jährigen. Im Jahr 2006, so fand die Marktforschungsagentur "Icon Kids" in München heraus, investierten deutsche Jugendliche vier Milliarden Euro in Bekleidung. Insgesamt summierten sich die Ausgaben auf über 22 Milliarden Euro. Die Konsumforscher stellten außerdem fest, dass die Zahl der Kinder hierzulande zwar Jahr für Jahr um etwa ein Prozent abnimmt, doch die Geldmenge, die sie ausgeben, jährlich um etwa drei Prozent steigt.

Onlineshopping verstärkt die Begehrlichkeiten

Angesichts der prallen, bunten Konsumwelt, in der schon die Jüngsten zum Kaufen animiert werden, ist die Versuchung groß, ausgiebig zu shoppen. Das ist beim unkomplizierten Online-Einkaufsbummel besonders verführerisch: Schnell landet hier ein Produkt per Klick im Warenkorb, ohne dass sofort Bares über den Ladentisch wandert. Bezahlt wird später. So nehmen nicht nur die Begehrlichkeiten zu, sondern auch die Kaufentscheidung wird erleichtert und die Hemmschwelle sinkt.

Konsum stärkt das Selbstwertgefühl

Warum Jugendliche vor allem bei Mode leidenschaftliche Konsumenten sind, hat der Bielefelder Soziologe Elmar Lange in seinem Buch "Jugendkonsum im 21. Jahrhundert" erläutert. Vor allem während der Pubertät, so der Wissenschaftler, glaubten die Heranwachsenden erwünschte Persönlichkeitseigenschaften auch über bestimmte Kleidungsstücke zum Ausdruck bringen zu können, indem sie damit cool, lässig oder flippig wirkten. Zudem machten sie durch die Handlung des Kaufens die Erfahrung, dass sie als finanziell potente Konsumenten, als gleichberechtigte Partner von Erwachsenen angesehen würden. Dieser Wunsch nach sozialer Anerkennung kann schließlich Tendenzen verstärken, auch dann zu kaufen, wenn kein Bedarf besteht.

Dass "exzessives Shoppen" keine Randerscheinung bei jungen Menschen ist, belegen Studien aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, die alle zu ähnlichen Ergebnissen kamen: Danach sind etwa ein Drittel aller Konsumenten von Kaufsucht gefährdet, die Hälfte davon ist zwischen 14 und 24 Jahren alt und überwiegend weiblich. Unter einer pathologischen Kaufstörung, so die Ergebnisse einer Untersuchung der Techniker Krankenkasse, leiden bundesweit sogar rund 800.000 Menschen, darunter etwa fünfzig Prozent Teenies und junge Erwachsene - Tendenz steigend.

"Ich kaufe und kaufe - ich kann nicht anders!"

Die Grenze zwischen echter Sucht, bei der typischerweise die Kontrolle über das eigene Handeln verloren geht, und "Kompensations- und Frustkäufen" ist nur schwer zu ziehen. Die Krankheit schleicht sich oftmals über Jahre in den Alltag hinein, denn das Verhalten ist zunächst nicht sonderlich auffällig. Man geht eben ein bisschen öfter als andere einkaufen. Erst der impulsgesteuerte, regelmäßig wiederkehrende, zwanghafte Drang etwas zu erwerben, ist typisch für eine echte Kaufsucht. Doch Anzeichen für ein krankhaftes Kaufverhalten werden häufig von den Betroffenen nicht wahrgenommen.

Davon kann man sich ein Bild in einschlägigen Internetforen machen, wo sich vor allem junge "kaufwütige" Frauen austauschen und nicht selten "ihr Problem" schönreden. Da erzählt beispielsweise die siebzehnjährige Kristin, dass sie etwa vier Mal wöchentlich einkaufen geht: "Angesagte Mode ist mir eben wichtig und dafür gebe ich gerne Geld aus. Das macht mich glücklich." Die gleichaltrige Nathalie schwärmt sogar über ihren "Rausch": "Ich kaufe und kaufe - ich kann nicht anders. Ich ziehe durch die Läden, shoppe aber am liebsten im Internet, kaufe alles, was mir unterkommt. Das ist eine schöne Beschäftigung. Da habe ich das Gefühl wichtig zu sein."

Kaufsucht beginnt meist in der Pubertät

Auch Sieglinde Zimmer-Fiene kennt das drängende Gefühl, konsumieren zu müssen. Jahrelang ging sie mehrmals täglich auf "glücksbringende" exzessive Einkaufstouren. Sie gab dabei ein Vermögen für Kleidung aus. Heute hat sie die Krankheit im Griff, hat ein Buch über das Phänomen "Kaufsucht" geschrieben und berät in einer 2002 von ihr initiierten Selbsthilfegruppe im Raum Hannover ehrenamtlich andere Betroffene. Aus ihrer Erfahrung weiß die Expertin, dass fast alle, die im Erwachsenenalter in diesen Konsumstrudel geraten sind, in den meisten Fällen bereits als Teenager die verstärkte Neigung verspürt hatten, sich mit Einkaufen etwas Gutes zu tun und sich positive Gefühle zu verschaffen: "Diese Tendenz ist heute stärker denn je", erklärt Sieglinde Zimmer-Fiene gegenüber der Eltern-Redaktion von t-online.de, "denn durch den extremen Konsumdruck in unserer Gesellschaft, wo es hauptsächlich um das Materielle geht, wollen die Jugendlichen mithalten. Wer das kann, wird anerkannt, wer nicht, bekommt sehr schnell das Gefühl vermittelt 'Du gehörst nicht dazu'. Der Gruppenzwang ist da enorm hoch."

Eltern unterschätzen das Problem häufig

Wenn Jugendliche, die übrigens aus allen Gesellschaftschichten kommen, sich bei der Selbsthilfegruppe telefonisch meldeten, hätten sie meist schon finanzielle Schwierigkeiten. Weil sie sich aber dafür schämten, gäben sie häufig vor, im Namen eines kaufsüchtigen Freundes anzurufen, erzählt Sieglinde Zimmer-Fiene. "Bei solchen Gesprächen wird auch oft deutlich, dass Eltern das Problem häufig eher belächeln. Oder Väter und Mütter, aber auch Großeltern versuchen die Angelegenheit manchmal mit besten Absichten zu beheben, indem sie ihren Kindern beziehungsweise Enkeln Geld dazugeben - in der Hoffnung, dass dann die Sorge aus der Welt ist. Das funktioniert aber fast nie." Manchmal seien es aber auch verzweifelte Eltern, die sich meldeten und das Problem sehr wohl erkannt hätten, aber von den Kindern keinerlei Gesprächsbereitschaft vorhanden sei.

Doch nicht nur in vielen Familien, sondern auch in der gesellschaftlichen Wahrnehmung werde Kaufsucht nicht ernst genug genommen, weiß Zimmer-Fiene: "Der Begriff Konsum ist bei uns sehr positiv besetzt und in unserem System ausdrücklich erwünscht. Da kann sich einfach keiner vorstellen, dass übertriebene Kaufwut zu einer bedrohlichen Krankheit wird. Man sieht ja auf den ersten Blick nichts Besorgniserregendes. Die Betroffenen - und gerade Jugendliche- treten ja meist sehr schick auf. Das suggeriert: 'Guck mal, mir geht es gut.'" Das Dilemma wird deshalb nicht sofort sichtbar, wie etwa bei Drogenabhängigen, denen es auch körperlich schlecht geht.

Die dramatischen Folgen

Die Folge von Kaufsucht ist nicht selten, dass Jugendliche sich hoffnungslos verschulden oder gar mit dem Gesetz in Konflikt geraten, wenn sie sich auf illegale Weise Geld besorgen, unter falschen Namen Bestellungen tätigen oder gar stehlen, um sich ihre materiellen Wünsche zu erfüllen. Leider bitten die Betroffenen meist erst zu diesem späten Zeitpunkt um Unterstützung, weil sie vorher das Problem nicht wahrhaben wollten, so die Erfahrungen von Sieglinde Zimmer-Fiene.

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Konsum muss kritisch beleuchtet werden

Um diese Spirale frühzeitig zu stoppen, rät sie deshalb Eltern, einerseits mit ihren Kindern verstärkt über moralische Werte zu sprechen und andererseits zu versuchen, den positiv besetzten Konsumbegriff zu hinterfragen. Dabei können Eltern ihrem Nachwuchs die Mechanismen der schönen bunten Konsumwelt aufzeigen - warum etwa Auslagen oder Regale nach einer bestimmten Art sortiert sind und wie Konsumenten durch Marketingstrategien manipuliert und zum Kauf von Dingen verführt werden, die sie eigentlich nicht brauchen.

Eine besondere Rolle beim Kampf gegen exzessives Kaufverhalten bei Jugendlichen könnte aber den Schulen zukommen, so Sieglinde Zimmer-Fiene: "Es sollte unbedingt angemessenes Konsumverhalten und der Umgang mit Geld unterrichtet werden und dabei gleichzeitig über das Wertesystem in unserer Gesellschaft gesprochen werden. Gerade das Diskutieren in der Klasse kann sehr wirkungsvoll sein. Die Schüler hätten dann die Möglichkeit sich zu öffnen und sich untereinander über ihre 'Ersatzreligion Shoppen' auszutauschen und kritisch auseinanderzusetzen. Das wäre vielleicht heilsam."

Neben einer professionell betreuten Psychotherapie und der Unterstützung einer Selbsthilfegruppen, die es bundesweit gibt, können auch diese zehn praktischen Tipps gegen exzessives Kaufen helfen

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