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Panorama: "Wir Drogenkinder - die letzte Chance"


TV-Dokumentation
"Warum bin ich geboren?" Die brutalen Schicksale drogensüchtiger Teenager

t-online, rev

05.02.2014Lesedauer: 3 Min.
Der drogensüchtige Mussaj (rechts) bereut seine Gewalttaten. Ob er jedoch jemals den Drogen entsagen kann, bleibt fraglich.Vergrößern des BildesDer drogensüchtige Mussaj (rechts) bereut seine Gewalttaten. Ob er jedoch jemals den Drogen entsagen kann, bleibt fraglich. (Quelle: NDR)
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Sie haben Amphetamine, Speed, Crack oder Kokain genommen und gekifft hat ohnehin jeder von ihnen. Dabei waren sie alle noch Kinder - elf, zwölf, 13 Jahre alt. Dies trifft auf die meisten im "Come In!" zu, einer Fachklinik für suchtkranke Teenager. Die Jugendlichen haben Geschichten zu erzählen, die nicht zu ihren jungen Gesichtern passen. Die Reporter der NDR-Sendung "Panorama" haben sich für ihre Doku "Wir Drogenkinder - die letzte Chance" diese bewegenden Storys angehört.

Er sieht aus wie ein ganz normaler Jugendlicher: Jannik ist 17, hat aber schon mehr erlebt als die meisten Erwachsenen. "Das Geld, was ich mir durch die Nase gezogen habe, dafür hätte ich mir eine Doppelhaushälfte kaufen können", sagt er. Jahrelang war er auf Speed. Angefangen hat er mit chemischen Drogen, als er gerade einmal 13 war.

15 Mal Körperverletzung, fünf Mal Erpressung, 25 Raubüberfälle

Noch härter klingt der Lebensweg des 16-jährigen Mussajs. Noch vor wenigen Monaten hat er eine Spielhalle überfallen, um an Geld für Drogen zu kommen. Er hat die Kassiererin mit einer scharfen Waffe bedroht. Jetzt sitzt er in der Therapierunde und liest einen Zettel vor. Darauf steht: 15 Mal Körperverletzung, fünf Mal Erpressung, 25 Raubüberfälle, Dutzende Einbrüche und Diebstähle. Die Bilanz seines Lebens: "Ich könnte weinen wegen dem, was ich denen angetan habe, darüber, wie ich die Leute geschlagen habe", erklärt er.

Das Hamburger "Come In!" ist für Mussaj und die anderen drogensüchtigen Teenies vielleicht die letzte Chance. Den harten körperlichen Entzug haben sie hinter sich. Jetzt müssen sie Orientierung, Struktur und den Weg zurück in ein normales Leben finden, ein Leben ohne Drogen.

Die drogensüchtigen Teenager müssen sich ihren Gefühlen stellen

Therapiesitzungen, Schule, Praktika, Arbeitsgemeinschaften: Jeden Tag müssen Gespräche geführt und öffentlich Bekenntnisse abgelegt werden. Wer sich früher noch in den Drogenrausch zurückgezogen hätte, muss jetzt den Mut zur schonungslosen Offenheit aufbringen. Die Folge: Es gibt oft Wut und Tränen.

Doch es besteht keine Alternative, denn viele der Jugendlichen sind auf Bewährung oder mit gerichtlicher Auflage in der Klinik. Brechen sie die Behandlung ab, droht ihnen in den meisten Fällen das Gefängnis. Um dem zu entgehen, müssen sich die Kids im "Come In!" vor allem an die drei obersten Gebote halten: keine Drogen, keine Gewalt, keine sexuellen Beziehungen.

Jannik gelingt der Hauptschulabschluss mit 1,6

Es sind viele kleine Etappen und jede Menge Rückschläge, die die Jugendlichen vor sich haben. Janniks größter Wunsch: "Nochmal neu anfangen." Er möchte Bürokaufmann werden. Dafür arbeitet er hart, diszipliniert sich immer wieder selbst - verzweifelt aber auch häufig.

Trotzdem lohnen sich die Strapazen. "Nur Einsen und Zweien", berichtet Jannik am Schluss der Dreharbeiten glücklich in die Kamera. Er hat seinen Hauptschulabschluss mit Note 1,6 bestanden.

"Warum bin ich geboren? Was mache ich auf dieser Welt?"

Mussaj haute schon zwei Mal von der Therapie ab. Jedesmal erlitt er einen Rückfall und rauchte in kurzer Zeit große Mengen Cannabis. Die Konsequenzen könnten ihm vorerst seine letzten Aussichten auf ein besseres Leben verbauen. Doch es wirkt, als habe er sich längst aufgegeben: "Ich denke manchmal: Warum bin ich geboren? Was mache ich auf dieser Welt?"

Gegen Ende des Films jedoch gibt es Lichtblicke. Mehr und mehr wird Mussaj Teil der Gemeinschaft in der Klinik. Er bereut seine früheren Taten. Auch er will endlich einen Neuanfang. So scheint es.

Nach Drehschluss erfuhren die Reporter von "Panorama", dass Mussaj ein drittes Mal rückfällig wurde. Daraufhin musste er die Suchtklinik verlassen. Die Therapeuten verloren den Kontakt zu ihm.

Keiner der Jugendlichen stammt aus einer intakten Familie

Von ihren Familien dürfen die Jugendlichen nur alle zwei Wochen besucht werden. Weitere Kommunikation nach außen findet über Briefe statt.

"Die Eltern sind viel mit sich selbst beschäftigt", erklärt einer der Therapeuten von "Come In!". "Keiner der Patienten hat ein intaktes Zuhause." Viel mehr erfährt man in der Doku nicht über die Verhältnisse, aus denen die Jugendlichen stammen und die sie in die Drogensucht trieben.

Die Drogenstatistiken sind unvollständig

Laut der Drogenbeauftragten der Bundesregierung sinkt der Cannabiskonsum bei Minderjährigen. Die Zahl der Drogentoten im Jahr 2012 sei mit 944 Personen ebenfalls auf dem niedrigsten Stand seit 1988.

Es sind eher Nebensätze, in denen auf den Anstieg synthetischer Drogen hingewiesen wird. Und auch der Mischkonsum - das wilde Einwerfen völlig unterschiedlicher Mittel - ist viel zu wenig erfasst. Kinder wie Jannik gehen daher in den statistischen Jubelmeldungen schnell unter.

Ein Rest Hoffnung

Die Schicksale von Mussaj und Jannik spiegeln den Alltag im "Come In!" wieder. Etwa die Hälfte der Jugendlichen bricht die Therapie ab. Das klingt ernüchternd. Es bedeutet aber zugleich, dass hier jeder zweite Jugendliche eine echte Chance bekommt: ein Rest Hoffnung auf ein normales Leben.

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