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Wenn Kinder Redewendungen wörtlich nehmen


Tomaten auf den Augen?
Achtung, Redewendungen können Kinder verwirren

Simone Blaß

08.03.2017Lesedauer: 3 Min.
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Ein Junge hält sich zwei Tomaten vor die Augen.Vergrößern des Bildes
Manche Redwendungen verwirren Kinder, weil sie sie wörtlich nehmen. (Quelle: Symbolbild/Mito/imago-images-bilder)

Ein Kind kann schon einmal große Augen machen, wenn ein Erwachsener einem anderen Würmer aus der Nase ziehen will oder aus allen Wolken fällt. Solche Ausdrücke, über die Eltern nicht einmal nachdenken, klingen für Kinder äußerst seltsam – und manchmal auch beängstigend.

Das Geheimnis des Spracherwerbs liegt im Austausch zwischen Eltern und Kind. Und der bleibt natürlich nicht auf einzelne Wörter beschränkt. Da kommen Gestik und Mimik ins Spiel, Körperhaltung, Stimme beziehungsweise Stimmlage und natürlich auch das, was man als Redewendungen bezeichnet. Kleinkinder übernehmen sie gerne von ihren Bezugspersonen und sorgen damit oft ungewollt für Heiterkeit.

Redewendungen können Kinder ganz schön verwirren

Für Erwachsene sind Redewendungen ganz normal. Sie denken nicht darüber nach. Und wörtlich nehmen sie sie schon gar nicht. Im Gegensatz zu Kindern, die gleich die Nachbarschaft über den Läusebefall informieren wollen, wenn der Mama eine Laus über die Leber gelaufen ist. Oder ihre wärmsten Socken anschleppen, wenn der Papa wegen irgendetwas kalte Füße bekommt.

Erst das Einordnen in die richtigen Zusammenhänge ergibt den Sinn

Wer schon einmal ernsthaft versucht hat, eine fremde Sprache zu erlernen, weiß, wie sich das Kind fühlen muss, wenn es mit einer Redewendung in Berührung kommt. Bei den Franzosen muss man kein Meer austrinken, wenn man etwas schaffen kann. Die Engländer warnen vor einem Missverständnis, indem sie einen darauf hinweisen, dass man den falschen Baum anbellt. Und sie reden vom Knie der Biene, wenn es darum geht, dass etwas nicht das Gelbe vom Ei ist.

Die Türken dagegen sprechen von Kamelohren, wenn etwas nichtig ist und die Norweger versuchen, die Zahncreme wieder in die Tube zu bekommen, wenn sie etwas schwierig finden.

„Redewendungen sind im Prinzip so etwas wie eine Art Kurzkommunikation“, erklärt Sprachwissenschaftler Alfred Klepsch von der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg. „Ihr Ursprung liegt meist lang zurück und über die Herkunft macht man sich keine Gedanken. Aber die Bedeutung, die kennt jeder.“

Kinder grübeln tagelang über Redewendungen nach

Ein Kind hingegen noch nicht – deshalb wundert es sich oft. Zum Beispiel darüber, dass die Mutter sich nicht einmal umzieht, wenn ihr jemand ans Bein pinkelt. Aber gleich einen Riesenzirkus veranstaltet, wenn man selbst mal in die Hosen macht. Kein Wunder, dass Kinder manchmal tagelang darüber nachgrübeln, was jemand wohl damit gemeint haben könnte, wenn er erst zu einer Freundin sagt, dass der Hund in der Pfanne verrückt wird und der später irgendwo begraben liegt.

Oder sie sich fragen, ob die Eltern neuerdings eine Tierhandlung besitzen, weil sie die Kuh vom Eis holen, den Frosch im Hals haben, die Katz im Sack kaufen, der Hase im Pfeffer liegt oder sie jemandem einen Bären aufgebunden haben. Und das alles an einem Tag.

Redewendungen sprechen die metasprachliche Ebene an

Sprachwissenschaftler Alfred Klepsch schätzt, dass Erwachsene täglich bis zu 20 Redewendungen verwenden, ohne es überhaupt zu merken. „Wobei das stark abhängig ist von der Person und vor allem auch von ihrem Umfeld." Oft sei eine bestimmte Redensart auch mit einem ganz bestimmten Menschen verbunden. Mit der Oma zum Beispiel, die einem jedes Mal, wenn man zum Sport ging, Hals- und Beinbruch wünschte und einen damit reichlich verwirrte.

„Redensarten fördern das Nachdenken über Sprache, denn hier wird mit Wörtern etwas ausgedrückt, was irgendwie nicht zu dem momentanen Thema zu passen scheint“, so der Experte. „Redewendungen schulen also das sogenannte metasprachliche Bewusstsein. Die Kinder merken, dass Sprache kein Naturphänomen ist, sondern etwas, auf das man einen Einfluss hat. Das wirkt sich positiv auf die sprachliche Intelligenz aus.“

Da kann einem schon mal das Herz in die Hose rutschen

Allerdings können Redewendungen auch noch andere, weniger schöne Auswirkungen haben. So manch einer erinnert sich vielleicht an die Pumuckl-Geschichte, in der Meister Eder aufgrund eines feuchtfröhlichen Abends einen Kater hat. Der kleine Kobold wird völlig panisch bei dem Gedanken, die Katze könnte ihn fressen.

Ähnlich geht es Kindern bisweilen, wenn sie in der Phase des Spracherwerbs mit Redewendungen konfrontiert werden, die wörtlich genommen durchaus schlechte Gefühle hervorrufen können. Kleine Kinder denken sehr bildhaft. Man kann sich also ausmalen, was in ihren Köpfen los ist, wenn jemand abgebrüht ist oder Blut und Wasser schwitzt, die Mutter sich in einer Schlange anstellt oder der große Bruder bei seiner Flamme abgeblitzt ist.

Redewendungen können Kindern auch Angst machen

Manches von dem, was man einfach nur so dahinsagt, kann auch richtig Angst machen. Man nehme nur den Opa, der im Krieg (hin)gefallen ist und nie mehr wiederkam. Oder die Panik, die einem im Nacken sitzt, das Pulver, das der böse Nachbar noch nicht verschossen hat oder das Herz, das einfach so mal in die Hose rutschen kann. Durch solche unbedachten Aussagen können beim Kind diffuse Ängste entstehen, die oft erst Jahre später durch Zufall zur Sprache kommen.

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