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Vorpubertät: So beginnt die Phase der Pubertät


Vorpubertät
"Die Kinder sind weder Fisch noch Fleisch"

t-online, Simone Blaß

Aktualisiert am 17.05.2013Lesedauer: 6 Min.
Mädchen leben in der Vorpubertät ihre Stimmungsschwankungen meistens heftiger aus als Jungs.Vergrößern des BildesMädchen leben in der Vorpubertät ihre Stimmungsschwankungen meistens heftiger aus als Jungs. (Quelle: Thinkstock by Getty-Images-bilder)
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Es ist wie bei einem Gewitter: Die Wolken türmen sich, die Vorboten sind bereits zu spüren, irgendetwas liegt in der Luft. Zu sehen aber ist nichts. Ungefähr zum Ende der Grundschulzeit hin kündigt sich das Hormongewitter an und die Pubertät beginnt. Ab sofort kann es immer wieder kräftig donnern und auch mal ziemlich viele Tränen regnen. Hier finden Sie Tipps im Umgang mit der Vorpubertät.

Schutzlos wie ein Hummer ohne Schale

Ein einziger Blick ins Kinderzimmer genügt, um zu wissen, woran man ist. Teddybären und andere Kuscheltiere teilen sich den Raum mit Postern von Popstars, Legosteinen oder Barbies und coolen Videospielen. Riechen kann man sie meistens, sehen allerdings kann man sie erst mal nicht, die Hormone auf dem Vormarsch.

Was ganz allgemein in den letzten Jahren als Vorpubertät bezeichnet wird, ist die Zeit, die der sogenannten Latenzzeit folgt. Dieser Begriff aus der Entwicklungspsychologie umspannt das sechste bis zehnte Lebensjahr, den Zeitraum, in dem die Sexualität "schläft" und jetzt ganz langsam erwacht. In der Waldorfpädagogik spricht man hier vom Rubikon, angelehnt an den Grenzfluss, den Caesar einst überschritt. Das neun- bis zehnjährige Kind erwirbt die Fähigkeit zur inneren Distanz. In seinem Erleben trennen sich das Ich und die Welt. Das Kind leidet unter dem sogenannten "Hummerkomplex": Der alte Panzer der Kindheit wird abgeworfen, man steht momentan schutzlos da.

Die Vorpubertät ist nichts anderes als der Beginn der Pubertät

"Entwicklungspsychologisch gibt es die Vorpubertät gar nicht. Wir haben es hier bereits mit dem Beginn der Pubertät zu tun", erklärt Dr. Andreas Hundsalz, Leiter der städtischen Erziehungsberatungsstelle in Mannheim. "Die Kinder sind in dieser Phase ihres Lebens sozusagen weder Fisch noch Fleisch. Äußerlich sind sie immer noch Kinder, aber sie verhalten sich komisch und das macht es für die Eltern oft so schwierig." Auf der einen Seite Schmusekätzchen, auf der anderen Seite ein stacheliger Igel, auf der einen Seite kindliches Verhalten, auf der anderen starkes Abgrenzen - mit dem gleichzeitigen Auftauchen dieser Phänomene kommen viele Eltern nicht zurecht.

Mädchen probieren sich aus auf dem Weg zur Frau

Wobei sich hier Jungs und Mädchen deutlich unterscheiden. Nicht nur dass Mädchen ganz allgemein früher dran sind, ihre Stimmungsschwankungen sind auch heftiger beziehungsweise werden heftiger ausgelebt. Die Freundinnen und das Gekicher mit ihnen werden immer wichtiger, wechseln aber mit Phasen, in denen sich das Kind komplett zurückzieht.

Zwischen Unternehmungslust und Trägheit liegt bei Mädchen in diesem Alter nur ein schmaler Grat. Sie probieren sich aus auf dem Weg zur Frau und das kann mit all den Medienbildern im Kopf schnell schiefgehen. Eine Zehnjährige mit bauchfreiem Top und Make-up deswegen zu verurteilen, wäre verkehrt. Position zu beziehen dagegen richtig: "Ich kann allen Eltern nur Mut machen, ihre Meinung auch zu vertreten", verdeutlicht Hundsalz. "Die Neigung, heute liberaler zu sein, als man eigentlich vom inneren Herzen her ist, ist groß. Doch man sollte nicht verlernen, auf sein Bauchgefühl zu hören."

Früher nannte man es die Flegeljahre

Auch Jungs orientieren sich in dieser ersten Phase der Pubertät nicht nur an Gleichaltrigen, sondern auch an Medienfiguren. Gruppenkodex und Begrüßungsrituale gewinnen an Bedeutung. Besonders auffällig aber ist der ausgeprägte Bewegungsdrang. Die Energie muss raus, der Wettkampf beginnt. Geräusche, Lichteffekte, das Streben nach einem "Höher, Schneller, Weiter" zeichnen diese früher als "Flegeljahre" bezeichnete Phase aus. Die übrigens auch Inhalt zahlreicher Bücher ist: Die wilden Kerle, die ersten Bände von Harry Potter, aber auch Erich Kästners fliegendes Klassenzimmer oder "Greg´s Tagebuch" drehen sich um die "Vorpubertät" und helfen dabei, sich zu identifizieren.

Manches geht unter die Gürtellinie

Kinder in diesem Alter sind Rotzlöffel. Die eine mehr, der andere weniger. Das hängt vom Temperament ab. Aber sie haben alle eines gemeinsam: Sie müssen mit den Veränderungen, die der Spagat vom Kind zum Erwachsenen mit sich bringt, erst einmal fertig werden. Doch sie sind nicht die einzigen, die sich hier einer neuen Situation stellen müssen. "Das generelle Ziel des Erwachsenwerdens ist es, ein selbstständiger Mensch zu werden, unabhängig von den Eltern und dazu ist es von ganz großer Bedeutung, dass die Kinder sich mit diesen auseinandersetzen und sich von ihnen abgrenzen. Für die Eltern ist das oft schmerzlich und manchmal auch sehr kränkend", so Hundsalz.

Den richtigen Zeitpunkt für Gespräche finden

Das heißt nicht, dass Eltern sich alles gefallen lassen müssen. Gerade jetzt, bevor die Pubertät so richtig loslegt, ist eine gute Phase, um Kindern das nahezubringen, was einem wirklich wichtig ist. Besonders geeignet dafür sind die Momente, in denen der kleine Besen plötzlich wieder ganz sanft wird, eine Gute-Nacht-Geschichte vorgelesen haben möchte oder zum Schmusen und Auftanken kommt. Der Familientherapeut Jesper Juul rät in seinem Buch "Vier Werte, die Kinder ein Leben lang tragen", die Gelegenheit zu nutzen und mit dem Nachwuchs über dessen Gedanken, Wünsche, Träume, Ziele, aber auch Ängste und Unsicherheiten zu sprechen. Stattdessen könne man aber auch jahrelang kämpfen und leiden, das Kind als unmöglich einstufen und sich damit rechtfertigen, dass es eben extrem schwierig war. "Damit sind Ihnen die Sympathie und das Mitleid vieler Erwachsenen sicher, doch riskieren Sie damit, dass Sie beide einen schmerzhaft hohen Preis zahlen müssen."

Es ist in Ordnung, auch mal eigene Fehler zuzugeben

"Gut wäre eine Haltung, die auf der einen Seite verständnisvoll ist, auf der anderen Seite aber auch Höflichkeit und Respekt einfordert. Es ist wichtig, eine Position zu beziehen und diese gegebenenfalls auch zu wiederholen. Und natürlich ist es schwer, in manchen Situationen die Balance zu halten. Auch die notwendige Ruhe und Gelassenheit hat man nicht jeden Tag und umso weniger, je mehr andere Probleme man hat." Hundsalz rät davon ab, sich in lange Debatten hineinziehen zu lassen. Geht es zum Beispiel um das Thema Höflichkeit, dann sollte man die Grenze klar benennen und die Botschaften knapp und kurz formulieren. "Mehr gibt es nicht zu sagen." Für den Moment, denn natürlich ist es äußerst wichtig, dass sozusagen die Kommunikationskanäle offenbleiben, man den Draht zum Kind behält. Hat man sich also mal verrannt, dann kann man das auch zugeben, ohne sein Gesicht zu verlieren.

Das Gleiche gilt für Entschuldigungen. "Wenn Eltern die Fehler, die sie machen auch zugeben können, dann ist das toll. Denn wenn man übers Ziel hinausschießt und das passiert nun mal gelegentlich, dann ist man ein gutes Vorbild, wenn man auch in der Lage ist, sich dafür zu entschuldigen. Denn in der Erziehung wirkt nichts so sehr wie das eigene Vorbild."

Eine Gedankenreise in die eigene Jugend gefällig?

Nicht jeder hat einen Partner, der diese Vorbildfunktion gemeinsam mit ihm erfüllt, mit ihm zusammen durch diese Zeit zwischen Engel und Bengel geht - als Stütze, als Gesprächspartner, Kummerkasten oder auch als Feedback. Hier bekommen Freunde einen ganz besonderen Stellenwert. Es entlastet einfach ungemein, wenn man hört, dass es bei anderen auch nicht anders zugeht, dass sie dieselben Konflikte austragen. Und nichts ist befreiender, als gemeinsam darüber zu lachen.

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Wenn man ganz viel Glück hat, dann hat man sogar Freunde, die einen schon gekannt haben, als man selbst diese Lebensphase durchlebte und die einen daran erinnern, wie man gewesen ist. So wie Barbara: "Neulich war meine Sandkastenfreundin Martina bei uns zu Besuch und bekam mit, wie ich meine Tochter entsetzt fragte, ob sie tatsächlich mit dieser zerrissenen Hose zu einem Geburtstagsfest wolle? Ein Blick genügte und wir sind vor Lachen zusammengebrochen: Ich war die Königin der Flickenjeans und habe sie tausendmal aus der Mülltonne meiner Eltern gerettet. Zugegeben, meine Tochter war leicht verwirrt, aber ich wieder total entspannt. Das hat tagelang angehalten, dieses innere Lachen über mich selbst."

Die Erinnerung an sich selbst kann einen gut durch die Zeit der frühen und auch der späten Pubertät bringen: Was hat man sich gewünscht, was gebraucht, was vermisst? Mit einer kleinen Gedankenreise in die Vergangenheit bekommt man gute Anhaltspunkte. Man darf dabei aber nicht vergessen, dass man es heute nicht mit einem Abziehbild des eigenen Ichs zu tun hat, sondern mit einem eigenständigen Menschen. Der unter anderen Bedingungen aufwächst.

Es geht vorüber

Die Pubertät kommt nicht von heute auf morgen. Sie ist auch kein Schreckgespenst. Eher gleicht sie dem Verpuppen der Raupe bevor diese zum Schmetterling wird. Der Gehirnforscher Ralph Dawirs spricht in diesem Zusammenhang ebenfalls von einer Metamorphose. Man weiß nicht alles, was innendrin vorgeht, muss man auch nicht. In Kontakt bleiben ist wichtig, sich interessieren ist wichtig und nicht aufgeben, wenn es schwierig wird - das ist besonders wichtig. Denn Eltern sind und bleiben die entscheidenden Vertrauten und Ansprechpartner ihrer erwachsen werdenden Kinder. Und der größte Fehler wäre, zu resignieren und keinen Konflikt mehr zu riskieren. Das Kind braucht ein starkes Gegenüber, das auch mal sagt: Bis hierher und nicht weiter. Das aber auch zu echten Kompromissen bereit ist.

"Dass man mal an sich zweifelt und auch verunsichert ist, das ist normal", beruhigt Hundsalz. "Keiner schafft es, hier immer cool und souverän zu bleiben. Das geht nicht!" Es gilt, eine Mischung zu finden zwischen Großzügigkeit und Verständnis, garniert mit klarer Festigkeit und Grenzen und das Ganze ohne zu viel Autorität und auch ohne zu viel Laissez-faire.

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