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Pubertät: Jugendlichen fehlt eine Stunde Schlaf pro Nacht


Jugendlichen fehlt eine Stunde Schlaf pro Nacht

t-online, Simone Blaß

28.09.2015Lesedauer: 4 Min.
Der Gehirnumbau in der Pubertät führt dazu, dass Teenager oft unter chronischem Schlafmangel leiden. Das ist besonders in der Schule zu spüren.Vergrößern des BildesDer Gehirnumbau in der Pubertät führt dazu, dass Teenager oft unter chronischem Schlafmangel leiden. Das ist besonders in der Schule zu spüren. (Quelle: imago-images-bilder)
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In der Pubertät verschiebt sich der Schlaf-Wach-Rhythmus nach hinten. Schuld ist der Umbau des Gehirns bei Jugendlichen. Das führt oft zu chronischem Schlafmangel und zu schlechteren Leistungen in der Schule. Die ersten weiterführenden Schulen reagieren auf Forderungen von Wissenschaftlern – mit späterem Schulbeginn.

Es ist Sonntag, zwölf Uhr mittags, das Essen steht auf dem Tisch. Nur langsam schleppt sich der Jugendliche direkt vom Bett in Richtung Teller. Ein typisches Familien-Wochenendszenario. Eltern wundern sich: Wo sind sie hin, die Kinder, die ihnen Sonntagmorgens um sechs auf dem Bauch herumhüpften, um sie zum Aufstehen zu bewegen? Sie fragen sich, wann sich das eigentlich geändert hat. Und warum?

Das Gehirn braucht Schlaf

Der Kinderarzt und Schlafmediziner Alfred Wiater erklärt: "Jugendliche haben normalerweise ein Shifting der Schlafenszeiten hin zum Spättyp. Das ist unabhängig von der Art der abendlichen Aktivitäten." Schuld sei die innere Uhr. "Daran beteiligt sind viele Parameter des Hirnstoffwechsels. Ein Zusammenhang mit der Reorganisation des Gehirns in der Pubertät ist naheliegend." Denn das Gehirn, das sich in dieser Zeit im Umbau befindet, braucht die Zeit, um sich zu sortieren. Frühmorgendliches Aufstehen ist für einen Jugendlichen also fast undenkbar.

Das Melatonin ist schuld

Die Verschiebung der Einschlafzeiten beginnt im Alter zwischen neun und elf Jahren. Der durch das Schlafhormon Melatonin getaktete Rhythmus verschiebt sich immer weiter in die Nacht hinein. Das haben Forscher vom Rush University Medical Center in Chicago herausgefunden. Sie haben das Schlafverhalten und die Tagesrhythmen von Neun- bis Fünfzehnjährigen über Jahre hinweg verfolgt.

Hinzu kommt: Je älter die Jugendlichen wurden, desto länger blieben sie über den Zeitpunkt hinaus wach, an dem ihr Gehirn durch die Ausschüttung von Melatonin eigentlich auf Schlaf gepolt war. Die zu kurze Schlafdauer führt dazu, dass das Melatonin während der Nacht nicht komplett abgebaut werden kann. Chronische Müdigkeit ist die Folge.

Erste Schulen reagieren mit späterem Schulbeginn

"Das jugendliche Schlafverhalten ist nicht den Jugendlichen vorzuhalten", so der Erlanger Hirnforscher Ralph Dawirs. Dass die Schüler morgens unausgeschlafen seien, sei den starren Vorstellungen der Schulplaner vorzuhalten.

Ein Schluss, zu dem auch die Chicagoer Wissenschaftler gekommen sind. Schüler einfach früher ins Bett zu schicken, hilft ihrer Ansicht nach wenig. Sinnvoller sei es, so heißt es in der Studie, den Schulbeginn nach hinten zu verschieben.

Es gibt erste Schulen, die entsprechend reagieren, so wie die Eichendorff-Schule in Erlangen: "Wir haben uns für einen späteren Unterrichtsbeginn entschieden, weil wir auf den Biorhythmus der Jugendlichen besser eingehen wollen. Das basiert zum einen auf Studien, zum anderen aber auch auf Beobachtungen unsererseits", erklärt Schulleiter Helmut Klemm gegenüber t-online.de.

In der Eichendorff-Schule beginnt der Unterricht seit diesem Schuljahr um 8.30 Uhr. Die Rückmeldungen sind durchwegs positiv. "Die Schüler können viel besser ankommen, man kann jetzt nach kurzer Zeit schon spüren, dass sie weniger gehetzt sind. Der Beginn ist entspannter – nicht nur für die Schüler, auch für Eltern und Kollegium." Die häufig genannten bürokratischen Hürden findet Klemm gar nicht so hoch. "Das ist rechtlich relativ einfach. Es war eine gemeinsame Entscheidung der Lehrer, der Eltern- und der Schülervertretung. Und jetzt werden wir das beobachten."

Das morgendliche Aufstehen wird schnell zum Konfliktherd

Doch in den meisten Familien müssen die Teenager nach wie vor früh zur Schule. Morgendliches Gezeter gehört oft dazu. "Da gibt es keine allgemeingültigen Rezepturen", bedauert der Leiter des Caritas Beratungs- und Jugendhilfezentrums St. Nikolaus in Mainz, Ulrich Gerth. "Manchmal ist alles auch ganz unproblematisch. Aber gerade, wenn die Kinder älter werden, ist das morgendliche Aufstehen oft ein Teil eines größeren Konfliktfeldes."

"Zum Schlafen zwingen kann man einen Teenager nicht mehr. Aber man kann dafür sorgen, dass Konflikte tagsüber und in ruhigen Momenten angegangen werden – und nicht abends oder morgens auf der Bettkante", sagt Gerth.

Manchmal braucht das Gehirn ein bisschen Hilfe

Schlafforscher sind der Meinung, dass es sinnvoll ist, sein Kind schon früh an Schlafhygiene zu gewöhnen. Das bedeutet, eine schöne, konfliktfreie und aufgeräumte Schlafumgebung zu schaffen und ruhige Rituale einzuführen, die aufs Schlafen hinweisen und dem Gehirn so zu verstehen geben, dass es jetzt Zeit ist, ein bisschen herunterzufahren. Der Klassiker ist hier das abendliche Bilderbuch bei Nachtlicht. Studien belegen, dass die Gehirnströme von Kindern, die vor dem Einschlafen ferngesehen haben, ganz andere Kurven zeigten als die der Kinder, die sich ein Buch angesehen haben.

Schlaf kann man begrenzt nachholen

Das individuelle Schlafbedürfnis ist bereits bei Babys sehr unterschiedlich. Das ist bei Jugendlichen nicht anders. Aber es gibt Durchschnittswerte, an denen man sich orientieren kann. "Im Alter von 16 Jahren liegt die Gesamtschlafzeit bei durchschnittlich acht Stunden, der Schlafbedarf liegt jedoch vermutlich eine Stunde höher", so Wiater.

Diese fehlende Stunde will aufgeholt werden. Einige schlafen nachmittags nach der Schule ein, andere heben sich das bis zum Wochenende auf. Denn Schlaf kann man tatsächlich bis zu einem gewissen Grad nachholen: "In einem engen zeitlichen Rahmen von ein, zwei Tagen kann man vor- oder nachschlafen. Es ist aber nicht möglich, sämtliche Schlafdefizite der Woche am Wochenende auszugleichen."

Wer jedoch denkt, der Spuk sei in ein paar Jahren vorbei, der täuscht sich. Denn der Gehirnumbau dauert insgesamt rund ein Jahrzehnt, und erst mit Anfang zwanzig ändert sich das Schlafverhalten wieder. Vorausgesetzt, der junge Erwachsene gehört vom Typ her eher zu den Frühaufstehern als zu den Nachteulen.

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