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Heizreform | Vaillant-Chef: "Mit Verboten allein funktioniert die Wärmewende nicht"


Wärmepumpen-Einbau
"Spätestens dann wird es teuer"


Aktualisiert am 13.05.2023Lesedauer: 7 Min.
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Vaillant-Deutschland-Chef Tillmann von SchroeterVergrößern des Bildes
Vaillant-Deutschland-Chef Tillmann von Schroeter: "2022 hat sich die Nachfrage nach Wärmepumpen mehr als vervierfacht." (Quelle: FUENF6/Joachim Stretz)

Für Vaillant ist die Wärmepumpe ein großes Geschäft. Dennoch hält Firmenchef Tillmann von Schroeter einen späteren Start des Gasheizungsverbots für richtig.

Die Wärmepumpe ist auf dem Vormarsch, die Gasheizung gehört schon bald zum alten Eisen. Mit viel Druck treibt die Ampelregierung gerade die Wärmewende voran – und verunsichert damit viele Hauseigentümer, die horrende Kosten bei der Umrüstung fürchten.

Doch nicht alle leiden unter dem Vorhaben, es gibt auch Profiteure. Einer von ihnen ist Tillmann von Schroeter, Deutschland-Chef der Firma Vaillant. Diese zählt neben Viessmann zu den größten Heizungsherstellern des Landes und setzt bereits seit mehreren Jahren voll auf die Wärmepumpen-Technik. Im Interview mit t-online erklärt von Schroeter, wann sich die Wärmepumpe rechnet, was er von der Politik erwartet und worauf Hauseigentümer jetzt achten sollten.

t-online: Herr von Schroeter, warum ist die Wärmepumpe in Deutschland so unbeliebt?

Tillmann von Schroeter: Mein Eindruck ist: Die Wärmepumpe ist sehr beliebt. Dass sie aktuell trotzdem in der Kritik steht, liegt nicht an der Technik, sondern wohl eher daran, dass sie ein Symbol ist. Sie steht für eine sehr abrupte Veränderung.

Nötig wird diese Veränderung, weil Deutschland zu lange auf billiges Gas aus Russland gesetzt hat. Haben wir die Wärmewende verschlafen?

Im Neubau kommen Wärmepumpen bereits seit 2007 im großen Stil zum Einsatz, da sind wir gut unterwegs. Bei der Sanierung alter Häuser aber haben wir uns als Land tatsächlich etwas schwergetan. Hier müssen wir jetzt Tempo machen, wenn wir die Klimaziele erreichen wollen.

Die Ampelregierung tritt gerade wieder auf die Bremse. Selbst die Grünen können sich inzwischen vorstellen, das faktische Gasheizungsverbot von 2024 auf 2025 zu verschieben. Wie finden Sie das?

Ich denke, das verschafft vielen Menschen erst einmal Luft. Und das ist auch gut so, damit sie Zeit haben, sich umfassend zu informieren und gute Entscheidungen treffen können. Mit Verboten allein, zumal wenn sie so schnell greifen, funktioniert die Wärmewende nicht. Wir müssen die Menschen von der Wärmewende überzeugen, sie dabei mitnehmen, und wir dürfen sie nicht überfordern.

Und wie kann das gelingen?

Dafür müssen wir nur einmal aufs vergangene Jahr schauen. 2022 hat sich die Nachfrage nach Wärmepumpen mehr als vervierfacht.

Was vor allem an den extrem hohen Gaspreisen gelegen hat. Die sind jetzt aber wieder deutlich gefallen.

Richtig. Und genau da liegt der Schlüssel. Die Wärmepumpe muss sich rechnen. Strom, den Sie für die Wärmepumpe brauchen, darf nicht zu teuer sein. Konkret: Erst wenn Strom im Vergleich zu Erdgas nicht mehr als das Zweieinhalbfache kostet, können Hauseigentümer mit der Wärmepumpe langfristig Geld sparen.

Das heißt, der Gaspreis muss rauf – oder der Strompreis muss runter. Wie soll der Staat das anstellen?

Die Bundesregierung hat Anfang April den Strompreis für Wärmepumpen auf 28 Cent pro Kilowattstunde gesenkt. Das trägt erheblich zu einem wirtschaftlichen Einsatz von Wärmepumpen bei. Zudem sollte die Politik erklären, dass Gas künftig mehr kostet. Denn gerade denken viele Menschen noch: So günstig wie Gas jetzt wieder ist, bleibt es bestimmt auch in Zukunft. Das ist ein Trugschluss. Spätestens 2027, wenn für das Heizen ein steigender europäischer CO2-Preis gilt, wird es teuer.

Geht es nach Wirtschaftsminister Robert Habeck, sollen künftig 500.000 Wärmepumpen pro Jahr verbaut werden. Ist das zu schaffen?

Sicher.

Das müssen Sie jetzt sagen.

Ich kann es mit gutem Gewissen sagen. In den vergangenen drei Jahren hat sich die Zahl eingebauter Wärmepumpen verzwanzigfacht. Die Kapazitäten in der Produktion sind da, auch die Handwerker können das mittelfristig stemmen. Wenn dann noch die politischen Rahmenbedingungen stimmen, kann es in diesem Tempo weitergehen. Dann schaffen wir das.

Kritiker sind da skeptischer. In vielen Häusern ließe sich die Technik gar nicht verbauen. Was sagen Sie dazu?

Bei der klassischen Gründerzeitvilla, in der während der gesamten Lebenszeit des Gebäudes keine Maßnahmen zur energetischen Sanierung stattgefunden haben, mag das stimmen. Das Gros der Immobilien aber ist wärmepumpentauglich. Wir schätzen, dass sie sich in rund 70 Prozent der bestehenden Immobilien einbauen lässt – ohne größere Umbauten am Gebäude.

Einer Ihrer größten Konkurrenten, Viessmann, hat sich durch den Einstieg des US-Unternehmens Carrier Global unlängst Verstärkung geholt. Der Waffenbauer Rheinmetall will nun auch in Wärmepumpen machen. Was bedeuten solche Nachrichten für die Wärmewende?

Das Interesse an Wärmepumpen zeigt, wie viel Potenzial in der Technologie steckt. Wir haben dies frühzeitig erkannt und bereits 2016 begonnen, unseren strategischen Fokus auf Wärmepumpen zu setzen. Wir haben unser Produktportfolio kontinuierlich ausgebaut und erheblich in Produktionskapazitäten investiert. Heute zählt Vaillant zu den drei führenden Wärmepumpenanbietern in Europa.

Wie viele Wärmepumpen werden Sie denn dieses Jahr produzieren?

Viele.

Etwas konkreter bitte.

Schon in den vergangenen Jahren haben wir unsere bestehenden Werke in Deutschland umgebaut und unsere Kapazität auf über 300.000 gesteigert. Jetzt haben wir gerade eine neue Megafabrik eröffnet. So werden wir die Kapazität noch einmal verdoppeln können, also auf potenziell ungefähr 600.000 im Jahr.

Warum bauen Sie diese Großfabrik nicht in Deutschland, sondern in der Slowakei?

Wir wollten und mussten sehr schnell sein. Da hat die Slowakei das Standortrennen gewonnen. Genehmigungsprozesse dort sind ähnlich aufwändig wie bei uns oder in anderen europäischen Ländern. Auch in der Slowakei müssen beispielsweise Umweltgutachten erstellt werden. Aber der Zeitrahmen bis zur Genehmigung ist kürzer und verlässlicher zu kalkulieren. Außerdem gab es etwa in Remscheid, wo unsere Firmenzentrale liegt, gar nicht genug Platz für eine so große Fabrik, die eine Länge von über einem Kilometer hat.

Aber wäre es nicht schöner gewesen, sagen zu können: Wärmepumpen-Hochlauf, made in Germany?

Das können wir ja. Der jüngste Produktionshochlauf kommt komplett aus Deutschland. Hier haben wir in den letzten Jahren das Personal in der Wärmepumpen-Produktion mehr als verdoppelt. Zudem bauen wir in Remscheid gerade eine neue Fabrik für Elektronikkomponenten. Wir investieren also auch an unserem Unternehmenshauptsitz.


Quotation Mark

Die Wärmepumpe ergibt technologisch einfach sehr viel Sinn.


Tillmann von Schroeter


Sie setzen als Unternehmen voll auf die Wärmepumpe. Wäre die viel beschworene Technologieoffenheit nicht auch für Sie besser?

Es wird ja auch in Zukunft nicht verboten sein, ein Gasheizgerät einzubauen. Für Gebäude mit einem sehr niedrigen Isolationsstandard ist der Einbau von einem sogenannten Hybridsystem eine Lösung, eine Kombination von einer Gasheizung mit einer Wärmepumpe. Dabei kommt die Gasheizung nur an den wenigen Tagen mit extrem niedrigen Außentemperaturen zum Einsatz. So kann die 65-Prozent-Regel erfüllt werden.

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Warum aber der starke Schwerpunkt auf Wärmepumpen?

Die Wärmepumpe ergibt technologisch einfach sehr viel Sinn. Aus einer Einheit Strom macht sie durch die kostenlose Nutzung von Wärme aus der Erde oder der Umgebungsluft drei Einheiten Wärmeenergie. Wenn der Strom aus erneuerbaren Energiequellen kommt, ist sie gänzlich emissionsfrei.

Aber?

Eine technisch machbare Alternative kann sein, mit grünem Gas zu heizen.

Sie meinen Wasserstoff-Heizungen.

Ja. In diesem Segment gibt es bei uns gerade umfassende Tests. Zum Beispiel stellen wir in Ingolstadt das erste bestehende Wohngebiet auf Wasserstoff um.

Aber brauchen wir den Wasserstoff nicht vor allem als Energieträger für die Industrie?

Es stimmt schon: Für energieintensive Industrie und den Schwertransport gibt es kaum wirtschaftliche Alternativen zu Wasserstoff. Wo er am sinnvollsten eingesetzt wird, muss politisch ausdiskutiert werden.

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Vaillant Logo mit Hasen vor Gebäude, Marke für Heizung, Lüftung und Klima, Wärmepumpen, Düsseldorf, Nordrhein-Westfalen, Deutschland, Europa *** Vaillant Logo with Hares before Building, Brand for Heating, Ventilation and Climate, heat pumps, Dusseldorf, North Rhine Westphalia, Germany, Europe Copyright: imageBROKER KarlxF.xSchöfmann iblkas08701142.jpg (Quelle: IMAGO/imageBROKER/Karl F. Schöfmann)

Vaillant zählt neben Viessmann zu den größten Heizungsbauern Deutschlands. Das Familienunternehmen (Jahresumsatz rund 3,3 Milliarden Euro) wurde 1874 von Johann Vaillant gegründet und beschäftigt weltweit rund 16.000 Mitarbeiter. CEO der Vaillant Group mit Sitz in Remscheid ist Norbert Schiedeck, Deutschland-Geschäftsführer ist Tillmann von Schroeter.

Die Bundesregierung scheint dabei auch an die Verbraucher zu denken, will künftig "H2-ready"-Heizungen erlauben. Wie wasserstoffbereit sind die Vaillant-Heizungen?

Unsere aktuellen Gasheizgeräte können ohne technische Veränderungen Erdgas mit einer Beimischquote von 20 Prozent Wasserstoff nutzen. Geräte, die zu 100 Prozent mit Wasserstoff betrieben werden, befinden sich in der Testphase. Aber diese Frage stellt sich ja noch gar nicht. Die Technologie ist da. Allerdings fehlt die Infrastruktur. Also ein Wasserstoff-Netz. Zudem ist nicht klar, ob und wie viel grüner Wasserstoff letztendlich für die Beheizung von Gebäuden vorhanden sein wird.

Zum Abschluss: Wenn ich als Hauseigentümer absehbar meine Heizung austauschen muss – worauf sollte ich achten?

Erst einmal müssen Sie sich die Frage stellen: Was will ich? Eine langfristige Investition in eine CO2-freie Heizung oder eine kurzfristige Lösung, weil die Heizung gerade kaputtgegangen ist? Dann sollten Sie sich beraten lassen. Aktuell sind viele überfordert – kein Wunder! Diese Gedanken macht man sich normalerweise nur alle 20 Jahre, darin hat niemand Routine. Ich rate deshalb immer, sich Hilfe zu holen, zum Beispiel bei einem unserer Fachhandwerkspartner. Und dann treffen Sie gemeinsam eine Entscheidung und holen ein Angebot ein.

Wie viel Zeit muss ich dafür einplanen?

Sie sollten sich drei Monate Zeit nehmen. Der gesamte Prozess, vom ersten Gedanken bis zum ersten Angebot, dauert. Das ist so ähnlich wie bei einem Auto, das kauft man ja auch nicht einfach so.

Und auf welche Kosten muss ich mich einstellen?

Es gibt keine Pauschalrechnung. Die Summe hängt ab davon, wie groß das Haus ist, in welchem energetischen Zustand es sich befindet und welchen Warmwasserkomfort Sie haben wollen: Sind Sie pragmatisch und haben nur eine Dusche, oder wollen Sie drei Badewannen gleichzeitig füllen?

Teuer machen den Wärmepumpe-Einbau vor allem die Sanierungskosten. Es kursieren Beträge weit im sechsstelligen Bereich.

Wenn Sie in drei Jahren sowieso die maroden Fenster tauschen wollen oder über eine Fassadendämmung nachdenken, sollten Sie das vorziehen. Sonst stehen Sie am Ende mit einer völlig überdimensionierten Wärmepumpe da. Und nicht zuletzt spielt es eine Rolle, wo sich Ihr Heizkeller befindet. Anders gesagt: Wie einfach ist die Installation?

Okay, also noch einmal: Wie viel kostet das alles?

Bei einer einfachen Umstellung auf ein Wärmepumpensystem: circa 30.000 Euro. Zieht man davon die Förderungen ab, bleibt für den Hauseigentümer ein Betrag in den mittleren Zehntausend Euro. Wenn das Haus schlecht isoliert ist, können wärmedämmende Maßnahmen an der Gebäudehülle oder der Austausch von Heizkörpern sinnvoll sein. Das sollte unbedingt ein Fachhandwerker vor Ort prüfen. Aber wie schon gesagt: Bei sehr vielen Gebäuden ist eine Wärmepumpe wirtschaftlich einsetzbar ohne aufwändige Sanierungsmaßnahmen.

Es sei denn, der verschärfte Wettbewerb drückt die Preise für Wärmepumpen. Wie viel wird die Vaillant-Pumpe in fünf Jahren kosten?

Das kann ich so genau nicht sagen, das hängt von vielen Faktoren ab. Ich gehe nicht davon aus, dass sich die Preise in den nächsten Jahren stark reduzieren. Die Herstellungskosten haben nur einen kleinen Anteil am Gesamtpreis. Ganz grob kann man sagen: Ein Drittel sind Herstellungs- und zwei Drittel Installationskosten.

Herr von Schroeter, vielen Dank für dieses Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Persönliches Gespräch mit Tillmann von Schroeter am 9. Mai 2023
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