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Rente mit 70? "Das Renteneintrittsalter muss steigen"


Rente mit 70?
Das ist respektlos

  • Florian Schmidt
Pro & KontraVon Florian Schmidt und Miriam Hollstein

Aktualisiert am 03.08.2022Lesedauer: 1 Min.
Interview
Was ist ein Pro & Kontra?

Die subjektive Sicht zweier Autoren auf ein Thema. Niemand muss diese Meinungen übernehmen, aber sie können zum Nachdenken anregen.

imago images 163056647Vergrößern des Bildes
Ein Straßenarbeiter schwitzt in Hannover: Gesamtmetall-Chef Stefan Wolf fordert die Anhebung des Rentenalters auf 70 Jahre. (Symbolfoto) (Quelle: Rainer Droese/imago-images-bilder)

Auf immer mehr Rentner kommen weniger Beitragszahler: Um dieses Problem zu lösen, könnten alle länger arbeiten. Eine gute Idee?

Deutschland diskutiert eine Idee des Chefs des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, Stefan Wolf: ein höheres Renteneintrittsalter, die "Rente mit 70". In einem Interview mit den Zeitungen der Funke-Mediengruppe argumentiert er mit dem demografischen Wandel und den geringen finanziellen Rücklagen der Rentenkasse, die das Umlagesystem der Rentenversicherung ins Wanken bringen könnten.

Ist dieser Vorstoß richtig? t-online-Chefreporterin Miriam Hollstein und Florian Schmidt, Ressortleiter Wirtschaft und Finanzen, diskutieren im Pro und Kontra.

Pro
Florian SchmidtFlorian SchmidtLeiter Hauptstadtbüro

Ja, das Renteneintrittsalter muss steigen

Auf Regen folgt Sonne, Wasser fließt bergab, früher oder später sind wir alle tot: Es gibt Dinge im Leben, die niemand infrage stellt. Und dann gibt es Themen, über die viele gerne streiten – obwohl sie von ähnlicher Gewissheit sind.

Die Anhebung des Renteneintrittsalters – die "Rente mit 70" – ist ein solches Thema. Mit seinem auf Nachfrage wiederholten Vorstoß spricht Gesamtmetall-Chef Stefan Wolf lediglich aus, was längst allen klar sein dürfte, die eins uns eins zusammenzählen können:

Deutschlands Rentensystem steht vor dem Kollaps. Schon Ende dieses Jahrzehnts dürften nach aktuellen Prognosen auf einen Rentner nur noch 1,5 Beitragszahler kommen, statt wie derzeit knapp zwei. Tendenz: weiter fallend, denn die Senioren werden aufgrund des medizinischen Fortschritts immer älter.

Die Folge dieser unausweichlichen demografischen Entwicklung: Der Generationenvertrag, in dem die Jungen die Bezüge der Alten finanzieren, funktioniert bald nicht mehr – zumindest, wenn wir nicht an wenigstens einer der drei Stellschrauben des Umlagesystems drehen.

Dass der Staat die derzeitigen und künftigen Rentner mit einem geringeren Rentenniveau, also weniger Geld im Verhältnis zu den Arbeitnehmern, wird abspeisen können, ist unwahrscheinlich. Schließlich werden die Alten immer mehr, ihr Gewicht bei demokratischen Wahlen wächst. Gegen höhere Rentenbeiträge wiederum würden die damit noch stärker zur Kasse gebetenen Arbeitnehmer Sturm laufen.

Bleibt also nur, die Zahl der Menschen zu steigern, die Geld in die Rentenkasse einzahlen. Klar, kurzfristig ginge das auch, indem wir die Zuwanderung erhöhten, mehr Frauen als heute arbeiten gingen. Langfristig jedoch werden ebendiese Extra-Arbeitnehmer auch zu Rentenbeziehern – das Problem wäre dasselbe wie zuvor.

Schon jetzt landen jährlich rund 108 Milliarden Euro Steuergeld in der Rentenkasse. Wollen wir verhindern, dass noch mehr Geld auf diese Weise verplempert wird, statt es etwa für den nachhaltigen Umbau des Landes zu nutzen, führt deshalb kein Weg daran vorbei: Das Renteneintrittsalter muss steigen. Das ist so sicher wie, Achtung, ein letzter platter Spruch, das Amen in der Kirche.

Kontra
Miriam HollsteinChefreporterin Politik

Nein, das ist eine Mogelpackung für Privilegierte

Stellen Sie sich vor, Sie arbeiten seit Jahren fleißig und zuverlässig in einem Unternehmen. Eines Tages kommt der Chef zu Ihnen und teilt Ihnen mit, dass man die Firma nicht gut für die Zukunft aufgestellt habe. Es fehle an Personal, und weil die Mitarbeiter immer älter würden, müssten sie nun eben einfach länger arbeiten, um ihre Betriebsrente zu bekommen. Ist das gerecht?

Nein, ist es nicht. Richtig ist, dass angesichts der steigenden Lebenserwartung und des wachsenden Mangels an Arbeitskräften unser Rentensystem in einer tiefen Krise steckt. Falsch ist die Haltung, dass das die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen alleine ausbaden sollen.

Die "Rente mit 70"-Diskussion ist eine Mogelpackung für Privilegierte. Geführt von Menschen in so genannten White-collar-Jobs, die ihre Arbeit überwiegend vom Schreibtisch aus erledigen. Die es sich im Zweifelsfall auch leisten können, früher in Rente zu gehen und die damit verbundenen Abschläge aus eigener Tasche zu finanzieren.

Für alle anderen, die sich täglich den Rücken krumm schuften, bedeutet die Rente mit 70 nichts anderes als eine heimliche Rentenkürzung. Denn die meisten werden es rein körperlich nicht schaffen, bis 70 zu arbeiten. Sie müssten früher gehen und bei einer ohnehin kleinen Rente mit noch weniger Geld auskommen. Oder sie würden den Ruhestand nur noch in krankem Zustand erreichen.

Es ist respektlos, die Rente mit 70 zu fordern, ohne davon zu sprechen, wie man mit diesen Menschen umgehen will. Und es ist interessant, dass die Forderung oft von Arbeitgebern erhoben wird, die beim Thema Frauenerwerbstätigkeit oder Fachkräftegewinn durch Zuwanderung nicht durch übergroßes Engagement auffallen.

Dabei wäre es ein ganz wichtiger Schritt, zunächst dort anzusetzen. Man könnte auch mal laut über kreative Modelle wie altersgerechte Jobs oder berufsspezifische Altersgrenzen nachdenken. Nur eines sollte man nicht: plumpe Pauschalforderungen in den Raum werfen, um das Sommerloch zu füllen.

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Sollte das Renteneintrittsalter steigen? Schreiben Sie uns eine E-Mail an Lesermeinung@stroeer.de. Bitte nutzen Sie den Betreff "Rente". Berichten Sie uns Ihre Meinung in ein paar Sätzen. Eine Auswahl der Beiträge veröffentlichen wir mit Nennung des Namens in einem separaten Artikel.

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Verwendete Quellen
  • Funke-Medien: Interview mit Stefan Wolf
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