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Viessmann-Deal: Droht der deutschen Wärmepumpen-Industrie nun das Aus?


Viessmann steigt aus
"Hier muss Minister Habeck aufpassen"


Aktualisiert am 26.04.2023Lesedauer: 5 Min.
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Wirtschaftsminister Robert Habeck: Er lässt den Verkauf der Wärmepumpensparte in einen US-Konzern überprüfen. (Quelle: Michael Kappeler/dpa)

Die Wärmepumpe ist auf dem Vormarsch – und der wichtige Hersteller Viessmann steigt aus dem Geschäft aus. Wie passt das zusammen?

Es ist eine Erfolgsgeschichte "made in Germany", die nun eine unerwartete Wendung nimmt: Das Familienunternehmen Viessmann, einer der größten Heizungshersteller des Landes, verkauft seine komplette Klimasparte und damit die Wärmepumpen-Produktion an den US-Konkurrenten Global Carrier.

Ausgerechnet jetzt, wo die Bundesregierung die Heizwende beschleunigt, dafür das Ziel ausgibt, jährlich eine halbe Million Wärmepumpen zu verbauen, scheint damit einer der Schlüsselspieler in Deutschland aufzugeben. Das Unternehmen will offenbar lieber eine Verkaufssumme in Milliardenhöhe kassieren, statt selbst länger im neuen Wachstumsmarkt mitzuspielen.

Doch ist das tatsächlich so verwunderlich? Ereilt die Wärmepumpen-Branche nun ein ähnliches Schicksal wie einst die Solarzellenindustrie? Und was heißt all das für die Verbraucher in Deutschland? t-online beantwortet die wichtigsten Fragen zum Viessmann-Deal.

Wie genau sieht der Deal aus?

Viessmann verkauft seine komplette Klimasparte an das Unternehmen Carrier Global. Preis: 12 Milliarden Euro. Das ist angesichts des absehbaren Jahresgewinns für 2023 eine enorm hohe Summe. Laut Carrier Global entspricht der Kaufpreis dem 13-fachen des operativen Gewinns (Ebitda), was laut Branchenkennern widerspiegelt, welch großes Geschäft das US-Unternehmen in Deutschland erwartet.

Der Großteil des Preises soll bar beglichen werden. 20 Prozent will Carrier Global in Form eigener Aktien bezahlen, die Viessmann-Gruppe und die Familie hinter der hessischen Firma werden damit zum Großaktionär beim Konkurrenten aus Florida.

Vereinbart ist, dass Allendorf in Nordhessen für zehn Jahre Hauptsitz von Viessmann bleibt. Weitere Standorte sind für mindestens fünf Jahre vertraglich gesichert. Damit bleibt die Wärmepumpenproduktion von Viessmann auf absehbare Zeit in Deutschland erhalten.

Was wird aus den Mitarbeitern?

Viessmann beschäftigt in der Klimasparte rund 11.000 Mitarbeiter. Sie werden jetzt in das Unternehmen Carrier Global wechseln. Negative Auswirkungen soll es für sie zunächst nicht geben, im Gegenteil: Viessmann plant nach eigenen Angaben, rund 106 Millionen Euro als Sonderprämie "für 106 Erfolgsjahre" an seine Beschäftigten auszuschütten. Im Schnitt bekäme jeder Angestellte damit knapp 10.000 Euro.

Der Chef von Carrier Global, David Gitlin, hat sich nach der vereinbarten Übernahme bemüht, Befürchtungen zu drohenden Sparmaßnahmen auszuräumen. "Es geht nicht um Job-Abbau. Wir kommen nicht, um Fabriken zu schließen – im Gegenteil", sagte Gitlin bei einer Konferenz mit Investoren und Finanzanalysten. "Wir kommen, um in Deutschland zu investieren, um in die Belegschaft zu investieren, in Wachstum zu investieren", verkündete er.

Wegen der Bestandsgarantien für die aktuellen Standorte dürfte Carrier Global zudem auch in naher Zukunft kaum über Jobabbau nachdenken. Branchenkenner halten es sogar für wahrscheinlich, dass das US-Unternehmen angesichts der politisch gewollten Wärmewende seine Produktion eher noch ausweitet und dafür weitere Mitarbeiter einstellen wird.

Hat Viessmann zu spät auf erneuerbare Heizmethoden gesetzt?

Jein. Die Firma hat in der jüngeren Vergangenheit stark in den Ausbau der Wärmepumpen-Produktion investiert – sonst würde Carrier Global auch kaum einen solch hohen Preis für den Kauf der Klimasparte bezahlen. Allerdings scheint sich die Firma Viessmann, hinter der eine Familie steht, nicht zuzutrauen, aus eigener Kraft noch mehr Geld in den Hochlauf der Wärmepumpenproduktion zu stecken.

Der Zeitpunkt des Verkaufs ist deshalb für Branchenkenner auch nicht allzu überraschend: Aktuell kann Viessmann noch einen sehr hohen Verkaufspreis erzielen, da sich Carrier Global damit zum Auftakt des großen Reibachs mit Wärmepumpen in Deutschland einen entscheidenden Vorteil sichert. In einigen Jahren, wenn der Markt etwas mehr gesättigt ist, wäre der Preis sicherlich niedriger gewesen.

Der Ökonom Jens Südekum von der Universität Düsseldorf bedauert den Schritt dennoch: "Die Firmenleitung scheint sich gedacht zu haben: Die große Herausforderung der Wärmewende schaffen wir nicht allein", sagte er t-online.

"Das ist schade. Denn das Unternehmen hätte auch andere Möglichkeiten als den Verkauf gehabt, etwa die Fusion mit Global Carrier oder die Aufnahme eines großen Kredits für den Ausbau der Wärmepumpenproduktion. Viessmann hätte das Potenzial gehabt, ein 'grüner Champion' zu werden, nutzt es jetzt aber nicht selbst."

Droht der deutschen Wärmepumpenindustrie nun das Aus?

Nach derzeitigem Stand der Dinge wohl nein – auch wenn davor vor allem Politiker aus der Opposition warnen. Jens Spahn (CDU) etwa kritisierte im Gespräch mit dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland" Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne): "Die Wärmewende mit der Brechstange erzeugt großen Druck auf deutsche Hersteller."

Habeck selbst hielt am Dienstagabend dagegen. Beim Jahresempfang des Bundesverbands Wärmepumpe (BWP) sprach er mit Blick auf den Viessmann-Deal von einem "Kompliment an die Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft". Wichtig sei nun, dass die Produktion und die Wertschöpfung in Deutschland verbleibe.

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Genau das sei jetzt auch gegeben, betonte am Mittwoch BWP-Vorstandsvorsitzender Paul Waning. "Mich macht der Verkauf nicht nervös", sagte er t-online. "Global Carrier und Viessmann bekennen sich nachdrücklich zum Ziel, 500.000 Wärmepumpen in Deutschland einzubauen. Zudem handelt es sich hier um eine individuelle Entscheidung von Viessmann, von einem Ausverkauf der Branche kann keine Rede sein."

Neben Viessmann bauen in Deutschland unter anderem Firmen wie Bosch, Buderus oder Vaillant Wärmepumpen. Für sie dürfte die Konkurrenz im deutschen Markt nun schnell größer werden, meint Ökonom Südekum.

"Hier muss Minister Habeck aufpassen"

"Bislang war der deutsche Markt für Wärmepumpen sehr klein, jetzt wird er quasi über Nacht interessant", sagte Südekum t-online. Vor allem aus Asien dürften absehbar große Hersteller mit ihren Produkten nach Deutschland kommen, etwa Samsung, Panasonic oder LG. "Das heißt aber nicht, dass deshalb die deutsche Industrie vor dem Aus steht."

Zugleich warnte Südekum: "Zentral ist, dass die Entwicklung der Wärmepumpen von morgen weiter in Deutschland stattfindet. Dafür braucht es immer auch Produktion der Anlagen hier vor Ort."

Sonst könnte die Wärmepumpenindustrie tatsächlich dasselbe Schicksal ereilen wie einst die Solarbranche um den einstigen Branchenprimus Q-Cells, die Anfang der 2000er-Jahre fast gänzlich nach China abwanderte. "Hier muss Minister Habeck aufpassen", so der Experte. "Ähnlich wie bei der Halbleiterindustrie sollten wir dann einzelne Projekte gezielt staatlich unterstützen."

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Habeck versicherte am Mittwoch, den Deal genau prüfen zu wollen, um mögliche Nachteile für Deutschland zu verhindern. Es sei wichtig, dass die Vorteile der deutschen Energiepolitik und Gewinne, die damit erwirtschaftet würden, "auch weiter dem Standort Deutschland zugutekommen", fügte der Minister hinzu. "Darauf werden wir achten."

Was heißt das für Verbraucher?

Für Verbraucher und Hauseigentümer ist der Viessmann-Deal wahrscheinlich eine gute Nachricht. "Wärmepumpen dürften schon bald viel günstiger werden", sagt Südekum. Weniger als Viessmann und Carrier Global dürften dafür vor allem asiatische Hersteller sorgen.

"Die Wärmepumpe ist inzwischen ein Serienprodukt geworden", so der Ökonom. "Es macht für den Endverbraucher keinen Unterschied, woher sie stammt. Die asiatischen Produzenten haben den Vorteil, dass sie bereits seit vielen Jahren im großen Stil auf die Technologie setzen und jetzt auch Deutschland für sich entdecken."

Wie schnell die Preise fallen, ist dabei noch offen. Aktuell werden Wärmepumpen in Deutschland je nach Produkt für rund 15.000 Euro gehandelt. Hinzu kommen etwaige Kosten für die Dämmung des Hauses sowie möglicherweise für größere Heizkörper.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Paul Waning, BWP-Vorstandsvorsitzender
  • Gespräch mit Jens Südekum, Ökonom an der Universität Düsseldorf
  • Beobachtungen beim BWP-Jahresempfang am 25. April 2023
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