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Deutschland | Konjunktur bricht ein: Schuldenbremse gut oder schlecht?


Konjunktur bricht ein
Dann zieht das Problem immer weitere Kreise


Aktualisiert am 05.09.2023Lesedauer: 1 Min.
Interview
Was ist ein Pro & Kontra?

Die subjektive Sicht zweier Autoren auf ein Thema. Niemand muss diese Meinungen übernehmen, aber sie können zum Nachdenken anregen.

Finanzminister Christian Lindner (FDP): Bis Freitag berät der Bundestag noch über den Entwurf seines Haushaltsgesetzes.Vergrößern des Bildes
Finanzminister Christian Lindner (FDP): Bis Freitag berät der Bundestag noch über den Entwurf seines Haushaltsgesetzes. (Quelle: Markus Schreiber/dpa)

Die Konjunktur bricht ein. Gleichzeitig spart der Bund im neuen Haushalt 30 Milliarden Euro ein. Müsste er jetzt nicht vielmehr Schulden aufnehmen, um die Wirtschaft anzukurbeln?

In dieser Woche diskutiert der Bundestag über den künftigen Haushalt: 16,6 Milliarden Euro neue Schulden will die Bundesregierung aufnehmen, rund 30 Milliarden weniger als im Vorjahr. Finanzminister Christian Lindner pocht darauf, die Neuverschuldung nicht noch weiter ansteigen zu lassen, die in der Verfassung festgeschriebene Schuldenbremse einzuhalten. Daran wird viel Kritik geübt, die Regierung spare damit das Land kaputt, heißt es.

t-online diskutiert daher die Frage: Sollte Deutschland besser noch mehr Schulden machen, um damit die Wirtschaft anzukurbeln?

Pro
Christine HolthoffChristine HolthoffSenior Redakteurin Finanzen

Bei Zukunftsausgaben darf der Staat nicht knausern

Marode Straßen und Schienen, lahmes Internet, zu wenig Windräder, schwerfällige Behörden – die Liste an Baustellen, die Deutschland abarbeiten muss, ist lang. Und sie kostet sehr viel Geld. Doch gerade bei Ausgaben in die Zukunft sollte der Staat nicht knausern. Im Gegenteil.

Immer da, wo es um Investitionen geht, von denen auch noch die nächste Generation profitieren wird, sind Staatsschulden sinnvoll. Es wäre geradezu fahrlässig, sich nicht so früh wie möglich um sie zu kümmern. Wie viel anstrengender es wird, wenn man das jahrzehntelang versäumt, erleben wir gerade beim Kampf gegen die Klimakrise.

Die Schuldenbremse sollte hier nicht im Weg stehen. Für echte Investitionen muss immer genug Geld da sein – egal, wie gut oder schlecht die Wirtschaft läuft. Doch genau das war in den vergangenen Jahren nicht der Fall: Statt in Zeiten von Negativzinsen Geld aufzunehmen, hat man lieber gewartet, bis Kredite wieder teuer wurden – und die Baukosten gleich mit anstiegen. Dass Deutschlands Schulen jetzt vor sich hin schimmeln, aus allen Nähten platzen und Lehrer fehlen – egal. Hauptsache, die Schwarze Null stand.

Doch das Problem zieht noch weitere Kreise: Wer nur nach Kassenlage investiert, bremst auch die Wirtschaft aus. Denn wenn nie sicher ist, dass weiter Geld fließt, fehlt die Planungssicherheit. Weder Industrie noch Verwaltung halten auf gut Glück Personal vor. Und so können selbst dann keine Brücken saniert, Breitbandkabel verlegt oder Anträge genehmigt werden, wenn der Staat – ganz Schuldenbremsen-konform – gerade das Geld dafür hätte.

Nicht dass wir uns missverstehen: Es ist richtig, der Regierung Grenzen bei den Ausgaben zu setzen. Sie soll schließlich nicht zu viele Dinge finanzieren, die nur den jetzigen Wählern zugutekommen. Doch sie darf eben auch nicht die nächste Generation aus dem Blick verlieren.

Damit das gelingt, muss der Staat klar unterscheiden: Will er Schulden aufnehmen, um Konsum zu finanzieren oder um zu investieren? Geht es um Letzteres, darf er nicht auf der Bremse stehen. Denn Investitionen sichern nicht nur die Zukunft des Landes, sondern kurbeln schon heute die Wirtschaft an. Und erhöhen so ganz nebenbei die Steuereinnahmen – was wiederum das Einhalten der Schuldenbremse erleichtert.

Kontra
Tim KummertPolitischer Reporter

Noch mehr Schulden bringen den Bankrott

Zunächst: Natürlich ist es wichtig, dass der Staat in der Krise nicht übermäßig spart. Wenn es den Bürgern schlecht geht, muss ihnen unter die Arme gegriffen werden. Aber zur Wahrheit gehört auch: Genau das tat der deutsche Staat. Erst in der Corona-Pandemie mit diversen Hilfen und Zahlungen, dann in der Energiekrise. Einzelne Steuern wurden gesenkt, Fristen für Zahlungen aufgeschoben, Unternehmen unterstützt. Und zwar im großen Stil. Entlastungspakete wurden geschnürt, ein erstes, ein zweites und ein drittes.

All das kostete Geld. Sehr viel Geld. Und für diese Ausgaben wurden bereits zusätzliche Schuldentöpfe eingerichtet. Deutschland konnte es sich leisten, einer soliden Finanzlage aus den Vorjahren sei Dank. Doch irgendwann muss damit Schluss sein. Es ist ein wenig wie beim privaten Haushalt: Ausgegeben werden kann nur, was auch eingenommen wird. Sonst steht langfristig eben der Gerichtsvollzieher vor der Tür.

Dass die FDP zurückkehren will zu einer geringeren Staatsverschuldung, ist richtig. Die Einhaltung der Schuldenbremse ist gut – doch gilt sie ohnehin nur für den regulären Haushalt. Es gibt ja zusätzliche Geldtöpfe, wie den Klima- und Transformationsfonds und auch die 100 Milliarden Euro Sondervermögen, die für die Bundeswehr ausgegeben werden. Es ist schlicht falsch zu behaupten, dass die Bundesregierung in der Krise das Land kaputtspart.

Nur: Das Geld fällt nun mal nicht vom Himmel, im Gegenteil: Alleine die Kosten für die Zinsen des Staates entwickeln sich exorbitant. Für den Bundeshaushalt stiegen diese von vier Milliarden Euro im Jahr 2022 auf fast 40 Milliarden Euro im Jahr 2023. Wenn zusätzlich die Ausgaben in enorme Höhen klettern, lässt sich das kaum noch gegenfinanzieren.

Es ist schon wahr, was mancher sparsame Haushaltspolitiker sagt: Das Geld, das jetzt munter auf Kredit ausgegeben wird, muss die nächste Generation erst einmal erwirtschaften. Die Staatskasse ist kein unendlich großes Sparschwein, wo jeder sich nach Gutdünken bedienen darf und wo das mit dem Geld schon irgendwie hinhaut. Auch große Zahlen haben eine Grenze.

Hinzu kommt: Wenn die Bundesrepublik viele Milliarden sprudeln lässt, würde das der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank zuwiderlaufen. Die Folge wäre: Die Inflation würde nicht nachlassen, sondern steigen. Ein Teufelskreis, an dessen Ende nur eines steht: der Zusammenbruch der Wirtschaft.

 
 
 
 
 
 
 

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Verwendete Quellen
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