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Russland | Fliegen wird gefährlicher: Dieses Jahr schon 120 Unfälle


Sanktionen sorgen für Pannenserie
In Russland wird Fliegen lebensgefährlich

Von t-online, ts

23.09.2023Lesedauer: 4 Min.
RUSSIA-AIRPLANE/LANDINGVergrößern des BildesEin Airbus A320 der russischen Airline "Ural Airlines": Die Maschine musste im September bei Nowosibirsk notlanden. (Quelle: ALEXEY MALGAVKO/imago-images-bilder)
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In keinem Land der Welt sind seit dem Jahr 2000 so viele Menschen durch Flugzeugabstürze gestorben wie in Russland. Die Sanktionen gegen Putin erhöhen die Gefahr weiter.

Wer in Russland in ein Flugzeug steigt, plant ein hohes Risiko mit ein: Die Maschinen der Russen sind in diesem Jahr doppelt so fehleranfällig wie noch vor dem Krieg. In nur knapp eineinhalb Jahren hat sich die Sicherheit der russischen Luftfahrt stark verschlechtert. Und dabei war sie schon vor dem Krieg nicht gut.

Erst am 12. September musste eine Airbus-Maschine der Fluggesellschaft Ural Airlines auf einem Feld im sibirischen Gebiet Nowosibirsk notlanden. An Bord des A320 waren 167 Personen – auf dem Weg von Sotschi am Schwarzen Meer nach Omsk in Sibirien.

Das Flugzeug soll Probleme mit der Hydraulik gehabt haben, sagte der Gouverneur der Region der staatlichen Nachrichtenagentur Tass. Nach Angaben von Ural Airlines meldete der Pilot den Notfall während des Fluges und steuerte statt Omsk den besser ausgerüsteten Flughafen Nowosibirsk an. Dafür habe aber der Treibstoff nicht gereicht, sodass die Maschine schließlich mit ausgefahrenem Fahrwerk auf einem großen Weizenfeld landete.

Die Crew und die Passagiere hatten Glück: Die Notlandung glückte – der Rumpf des Flugzeugs blieb heil, es gab kein Feuer. Alle 161 Passagiere und sechs Besatzungsmitglieder konnten das Flugzeug verlassen, einige Menschen wurde leicht verletzt.

Russen dürfen nicht mehr über Europa fliegen

Die Internationale Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) führt Russland seit einem Jahr auf der "roten Liste". Den Status halten aktuell nur vier Staaten: Fliegen ist neben Russland nur in Bhutan, im Kongo und in Liberia derart gefährlich.

Seit dem Angriffskrieg gegen die Ukraine hat die EU scharfe Sanktionen gegen die Luftfahrtindustrie in Russland verhängt. Russische Flugzeuge dürfen nicht mehr über europäisches Territorium fliegen, schon gar nicht auf Flughäfen in der EU landen oder abheben.

Auf der Brüssler Sanktionsliste stehen einige Manager der russischen Flugindustrie, darunter der größten russischen Airline, Aeroflot-Chef Mikhail Poluboyarinov. Aeroflot sei "Dienstleister der russischen Regierung" und eine "wichtige Einnahmequelle", heißt es auf der Sanktionsliste als Begründung. Poluboyarinov gehöre zu den "führenden Geschäftsleuten" in Russland. "Aeroflot bot illegale Flüge in die besetzte Krim an."

Von März bis Oktober fliegt Aeroflot nach Simferopol auf der von Russland besetzten Halbinsel Krim. "Heutzutage ist Simferopol das 'Tor zur Krim', hier beginnen alle Straßen und jede Reise in die Region", bewirbt die Fluggesellschaft die Destination auf der Webseite. Die Krim ist mit der Schwarzmeerküste eine bei den Russen beliebte Urlaubsregion.

Doppelt so viele Unfälle wie in den Jahren zuvor

Doch für die Russen ist das Fliegen extrem gefährlich, wie eine Untersuchung der oppositionellen Zeitung "Nowaja gaseta Europa" zeigt. In den ersten acht Monaten dieses Jahres gab es schon mehr als 120 Flugunfälle mit russischen Passagierflugzeugen. Im gleichen Zeitraum wurden zwischen 2018 und 2022 durchschnittlich 55 Unfälle verzeichnet.

Die Zahl an Flugunfällen ist in Russland damit mehr als 2,2-mal höher als im Zeitraum vor dem Krieg. In diesem Jahr gab es von Januar bis August schon mehr Flugunfälle als in ganzen Jahren zuvor, hat die "Nowaja gaseta Europa" errechnet.

In Russland sind seit dem Jahr 2000 schon 1.712 Menschen bei Flugzeugunglücken ums Leben gekommen – so viele wie in keinem anderen Land der Welt. Herausgerechnet sind die Zahlen von terroristischen Anschlägen oder Flugzeugentführungen, schreibt die "Nowaja gaseta Europa". Acht von zehn der tödlichen Flugzeugabstürze in Russland gingen auch auf russische Flugzeuge zurück. Die Wahrscheinlichkeit, in einem solchen Flugzeug zu sterben, ist 20-mal höher als in einem nicht-russischen Flugzeug.

Viele russische Flughäfen sind geschlossen

Gleichzeitig mit steigenden Unfallzahlen hat aber das Flugaufkommen stark abgenommen. Ein Viertel weniger beträgt das Flugaufkommen dieses Jahr im Vergleich zum Vor-Pandemie-Jahr 2019. Im Vergleich zum vergangenen Jahr, dem Jahr des Kriegsausbruchs, nahm das Flugaufkommen um 13 Prozent ab, berichtet "Nowaja gaseta Europa" unter Berufung auf Rosawiazija, die russische Agentur für Lufttransport. Die Zahlen sind allerdings nicht unabhängig überprüfbar und könnten noch höher sein.

Viele internationale Flüge fallen weg. Gleichzeitig seien elf russische Flughäfen im Süden – nahe der ukrainischen Grenze – und drei von fünf Terminals am Moskauer Flughafen Scheremetjewo geschlossen, berichtet ein Flugexperte der russischen Zeitung.

Iran bietet Russland Hilfe an

Außerdem können Flugzeuge wegen fehlenden Ersatzteilen immer häufiger nicht mehr abheben. Denn auch Boeing und Airbus sanktionieren die Russen: Die Flugzeugbauer liefern keine Ersatzteile mehr für die russischen Maschinen. Die Airlines in Russland sind gezwungen, alte Maschinen auszuschlachten oder sich Ersatzteile über Umwege aus anderen Ländern zu besorgen.

Vor allem der Iran bietet sich dafür an, steht aber selbst auch auf der westlichen Sanktionsliste. Die russischen Maschinen sind verhältnismäßig jung – 14,6 Jahre alt. Allerdings haben die Iraner weniger Erfahrung mit den modernen Maschinen. "Aeroflot ist stolz darauf, einen der niedrigsten Altersdurchschnitte in Europa zu haben", sagt ein nicht namentlich genannter Experte "Nowaja gaseta Europa".

Die Flugzeuge sind allerdings auch mit viel Elektronik ausgestattet, beispielsweise mit Steuerpulten, die regelmäßig aktualisiert werden müssen. "Der Iran ist nicht in der Lage, damit zu arbeiten. Es gibt ein russisches Flugzeug, das bereits seit einem halben Jahr zur Wartung im Iran ist."

Russland will nun eigene Flugzeuge bauen, bis 2030 sollen es mehr als Tausend sein. Ob das möglich ist, ist fraglich. Bis dahin bleibt für jeden Russen eine Flugreise durch das größte Land der Erde ein Spiel mit dem Feuer.

Verwendete Quellen
  • novayagazeta.eu: "Flying blind" (Englisch)
  • icao.int: "Safety Audit Results: USOAP interactive viewer" (Englisch)
  • easa.europa.eu: "EU restrictive measures against Russia" (Englisch)
  • eur-lex.europa.eu: "Verordnung (EU) Nr. 269/2014 des Rates vom 17. März 2014 über restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen"
  • aeroflot.ru: "Simferopol: About the city" (Englisch)
  • mit Material der Nachrichtenagentur dpa
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