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Aktienmärkte 2024: Dieses Jahr brauchen Anleger viel Geduld


Zeitenwende an den Märkten
Geldanlage 2024: Jetzt sind starke Nerven gefragt

Von Leon Bensch

Aktualisiert am 06.01.2024Lesedauer: 5 Min.
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Ausblick für die Aktienmärkte 2024Vergrößern des Bildes
Börsengeschehen 2024 (Symbolbild): Die Euphorie an den Aktienmärkten über sinkende Leitzinsen steht nicht im Einklang mit den erwarteten Unternehmensgewinnen. (Quelle: Thinkhubstudio)

Die Kurse an den Börsen kannten im vorigen Jahr nur eine Richtung: nach oben. Wer nicht dabei war, hatte das Nachsehen. Wie geht es 2024 weiter? Ein Ausblick.

Im vergangenen Jahr hat der deutsche Leitindex knapp 20 Prozent zugelegt, eine überdurchschnittliche Performance. Im Mittel legte der Dax in den zurückliegenden 30 Jahren 7,9 Prozent pro Jahr zu. Auch der S&P 500 stieg, um etwa 26 Prozent, und der Technologie-Index Nasdaq beendete das Jahr mit einer Performance von knapp 58 Prozent.

Wer weder in Aktien noch in ETFs investiert war, konnte nur von der Seitenlinie aus zusehen, wie die Kurse in die Höhe gingen. Aber die Börse ist bekanntlich keine Einbahnstraße und die wirtschaftliche Lage in den USA und Europa ist alles andere als rosig, um diese Kursgewinne zu rechtfertigen. Wie geht es 2024 weiter? Haben Anleger eine Chance, günstiger einzusteigen?

Struktureller Bruch seit der Corona-Pandemie

Die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Märkte haben sich seit Ausbruch der Corona-Pandemie nachhaltig verändert. "Wir befinden uns in einem anderen Investmentumfeld als noch vor der Pandemie", erklärt Ann-Katrin Petersen, Kapitalmarktstrategin beim Blackrock Investment Institute (BII). "Wir sprechen von einem strukturellen Bruch – im Vergleich zu den drei bis vier Jahrzehnten davor."

Das derzeitige Investmentumfeld ist geprägt durch ein schwächeres Wirtschaftswachstum in den Industrieländern und durch eine weiterhin hartnäckige Inflation über der Zielmarke von zwei Prozent. Hinzukommen hohe Zinsen und straffere Finanzierungsbedingungen als vor der Pandemie. Mit anderen Worten: eine Rückkehr zum Niedrigzinsumfeld ist so schnell nicht zu erwarten.

Herausforderung Arbeitskräftemangel

Obwohl die weltweiten Lieferketten größtenteils wieder funktionieren, existieren auch nach Abebben der Pandemie noch immer Produktionshemmnisse und Angebotsengpässe. Das Ganze wird nicht nur in Deutschland begleitet von einem Mangel an Arbeitskräften. "Wir sprechen nicht mehr von Fachkräftemangel, sondern von Arbeitskräftemangel", so Petersen. "Dies ist demografisch bedingt und einer der Gründe, weshalb wir in den USA aufgrund des damit verbundenen Lohndrucks davon ausgehen, dass die Inflation noch einmal ansteigen könnte."

Die Folge von fehlenden Arbeitskräften und höheren Löhnen liegen auf der Hand: Die Unternehmen sind gezwungen, mehr Geld für gute Mitarbeiter auszugeben, sie besser zu bezahlen, und sie sind nicht bereit, sie in schlechten Zeiten zu entlassen. Die Folge: Unternehmensgewinne und die Produktivität sinken. Schrumpfende Gewinne werden an der Börse jedoch in der Regel nicht mit höheren Aktienkursen belohnt.

Straffes Zinsumfeld bleibt bestehen

Es ist davon auszugehen, dass die Leitzinsen ein Plateau erreicht haben und die Zentralbanken keine weiteren Erhöhungen vornehmen werden. Im Gegenteil: Experten gehen davon aus, dass die amerikanische Fed spätestens Mitte des Jahres 2024 die Zinsen bereits wieder senken wird. Aber ein Abrutschen der Zinsen auf ein Niedrigzinsniveau ist nicht zu erwarten.

"Die Zinswende kommt, doch das Zinsumfeld bleibt straff", sagt Petersen. "Damit einhergeht auch ein gebremstes Wirtschaftswachstum sowie ein moderater Ausblick für die Unternehmensgewinne. Vor diesem Hintergrund gehen wir umsichtig und mit Fingerspitzengefühl ins neue Jahr, was Aktien anbelangt, insbesondere an den US-amerikanischen und europäischen Börsen."

Und was bedeutet das nun für Anleger?

Zinsen weiterhin bei Staatsanleihen attraktiv

Zinseinkommen bleibt für Anleger 2024 weiterhin attraktiv – vor allem bei kurzlaufenden Staatsanleihen beziehungsweise Bonds. "Wenn wir auf das kurze Ende der Staatsanleihenkurve schauen, beispielsweise auf US-Staatsanleihen oder Bundesanleihen mit 2-jähriger Restlaufzeit, dann sind diese sehr eng mit der Ausrichtung der Zinspolitik der Zentralbanken verknüpft", sagt Petersen.

"Von daher glauben wir, dass Zinseinkommen nicht nur im vergangenen Jahr an Attraktivität gewonnen haben, sondern auch attraktiv bleiben." Dabei sollten Anleger 2- und 5-jährige Anleihen den 10-jährigen vorziehen in einem Umfeld sinkender Zentralbanknachfrage nach Staatspapieren, hoher Staatsschuldenberge und schwankungsreicher Inflation.

Künstliche Intelligenz spielt weiterhin große Rolle

Ein Investmentthema, das für 2024 interessant bleiben wird, ist die digitale Disruption rund um Künstliche Intelligenz (KI). Generative KI wird auch über das Jahr 2023 hinaus langfristig eine bedeutende Rolle spielen. Immer mehr Firmen integrieren Künstliche Intelligenz in ihre Produktionsprozesse.

Damit verbunden bleibt die Halbleiterindustrie im Fokus, die vom Aufbau der Infrastruktur für KI-Anwendungen profitiert. Inwieweit KI die Produktivität auch von Industrieunternehmen erhöht, wird neben der Arbeitskräftesituation einen erheblichen Einfluss auf das Wachstum und damit auf die Unternehmensgewinne haben.

Aktienmärkte übers Ziel hinausgeschossen

"Die Zinssenkungsfantasien der Anleger insbesondere in den USA und die damit verbundene Euphorie an den Aktienmärkten, ist derzeit mit Skepsis zu betrachten", sagt Pertersen vom Blackrock Investment Institute weiter. Die erwarteten Zinssenkungen werden nicht in Umfang und Geschwindigkeit so stark ausfallen wie in der Vergangenheit.

Die Zentralbanken werden die Wirtschaft zwar bei Bedarf stützen, doch die Gewährleistung von Preisstabilität bleibt oberste Priorität. "Die Fed hat im historischen Vergleich typischerweise die Zinsen in den zwei, drei Jahren nach Erreichen des Zinsgipfels um drei Prozentpunkte gesenkt. Es ist mit einem Fragezeichen behaftet, ob wir bis 2026 derartige Zinssenkungen erwarten dürfen“, so Petersen.

Die amerikanische Wirtschaft hat sich bis jetzt noch widerstandsfähiger gezeigt als die europäische, obwohl bei genauerer Betrachtung der Zahlen sich die US-Wirtschaft seit anderthalb Jahren in einer Stagnation befindet – das ist kein Grund zur Euphorie.

Gesundheitssektor bleibt für Anleger interessant

Der demografische Wandel bleibt eine Herausforderung für westliche Industriegesellschaften. Zum einen dürfte das mit Blick auf die kommenden sechs bis zwölf Monate Unternehmen im Gesundheitssektor zugutekommen. Aber auch für langfristig ausgerichtete Portfolios mit einem Anlagehorizont von fünf und mehr Jahren bietet dieser Bereich große Wachstumschancen.

Lohnt sich ein Einstieg beim Dax?

Aufgrund seiner Bewertung steht der Dax im Vergleich zu den amerikanischen Indizes S&P 500 und Nasdaq zwar besser da. Das erwartete Kurs-Gewinn-Verhältnis ist mit 11,4 relativ günstig – im historischen Vergleich – Median der vergangenen 20 Jahre – liegt das KGV bei durchschnittlich 12,3. Der Wert beinhaltet jedoch die erwarteten zukünftigen Gewinne der größten deutschen börsennotierten Unternehmen. Ob diese erreicht werden, ist fraglich.

"Aktuell müssen wir uns durch die Konjunkturschwäche in Deutschland und dem Euroraum durcharbeiten. Es gibt bei den Gewinnerwartungen nach wie vor Enttäuschungspotenzial", sagt Petersen. "Sobald die Konjunktur auch auf globaler Ebene ihre Schwäche überwunden hat und das Wachstum wieder an Dynamik gewinnt, dürften auch die Aktienmärkte wieder interessante Investmentchancen bieten."

Aufschwung noch nicht in Sicht

Anleger sollten sich auf Rückschläge an den Aktienmärkten einstellen. Ein schwankungsreiches Umfeld und eine größere Streuung der Renditen belohnen jedoch eine sorgfältige Auswahl der Investitionen, sowohl auf regionaler Ebene (zum Beispiel bei japanischen Aktien) als auch auf sektoraler Ebene (beispielsweise im Gesundheits- oder europäischen Finanzsektor).

Für langfristig orientierte Anleger, die einen sogenannten Value-Ansatz auf Basis von Unternehmensbewertungen verfolgen, bieten sich dennoch gute Renditemöglichkeiten.

Die Geldpolitik der EZB, die Kriege in der Ukraine und in Nahost, fehlende Arbeitskräfte, grüne Transformation – der Gegenwind für die heimischen Unternehmen und ihre Gewinnaussichten ist nach wie vor stark. Erst eine spürbare Auflösung dieser Konflikte und Herausforderungen wird zu einer deutlichen Entlastung der Wirtschaft in Deutschland und Europa führen.

Verwendete Quellen
  • Interview mit Ann-Katrin Petersen vom BlackRock Investment Institute
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