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Biden: US-Präsident stoppt Gas-Projekte – was bedeutet das für Deutschland?


USA drehen den Gashahn zu
Die LNG-Freude hielt nicht lange


Aktualisiert am 07.02.2024Lesedauer: 4 Min.
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US-Präsident Joe Biden und Bundeskanzler Olaf Scholz: Deutschland hatte auf die USA als wichtigen LNG-Partner gesetzt. (Quelle: Thomas Lohnes/getty-images-bilder)

Unabhängigkeit von russischer Energie war das Ziel. Welch besseren Partner als die USA hätte Deutschland sich dafür wünschen können – doch die Freude über LNG-Versprechen hielt nicht lange.

Die Angst vor kalten Wintern und Produktionsstopps in der Wirtschaft war enorm, als der größte Gaslieferant Russland seine Hähne im Zuge des Angriffskriegs gegen die Ukraine zudrehte. Fortan hatte die deutsche Hoffnung drei Buchstaben: LNG, also Flüssiggas, das per Schiff geliefert werden kann, unabhängig von russischen Gasleitungen.

Wirtschaftsminister Robert Habeck und Kanzler Olaf Scholz machten sich weltweit auf die Suche nach geeigneten Lieferanten – und wurden in den USA fündig. Nach Angaben des Energiewirtschaftsverbands (BDEW) kamen zwischen Januar 2023 und Januar 2024 83 Prozent der LNG-Lieferungen aus den USA.

Doch nun macht US-Präsident Joe Biden einen Rückzieher und legt ausstehende Genehmigungen für LNG-Exporte auf Eis (mehr dazu lesen Sie hier). Die Wirtschaft bangt, das Wirtschaftsministerium beschwichtigt, und Umweltverbände wittern eine Chance, den Bau von LNG-Terminals infrage stellen zu können. Doch welche Auswirkungen hat Bidens Ankündigung tatsächlich?

Experte: Mittelfristig könnten Preise steigen

Der Energieexperte Malte Küper, der für das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft in Köln (IW) arbeitet, sieht kurzfristig keinen Grund zur Sorge: "Die betroffenen Projekte werden erst zum Ende des Jahrzehnts in Betrieb gehen", sagt er t-online. Konkret geht es etwa um die Zukunft von mehr als einem Dutzend Gasexportterminals an der Küste des Golfs von Mexiko und noch nicht genehmigte Exporte. Alle bisher genehmigten Fördermengen bleiben davon unberührt.

LNG

LNG ist die Abkürzung für "Liquefied Natural Gas". Dabei handelt es sich um tiefgekühltes, unter hohem Druck verflüssigtes Erdgas. Das Gas muss dafür auf minus 161 bis minus 164 Grad Celsius heruntergekühlt werden. Da Flüssigerdgas nur ein Sechshundertstel des Volumens von gasförmigem Erdgas hat, kann es statt durch Pipelines mit Tankern oder auch mit Lkw und Zügen transportiert werden.

Entsprechend wenig tat sich an den Märkten nach der Ankündigung. Auch die Ampelkoalition gab sich entspannt: "Die Bundesregierung steht im Austausch mit der US-Regierung zu diesem Thema", heißt es aus dem Bundeswirtschaftsministerium. Die Versorgungssicherheit sei weiter gewährleistet, "deutsche Unternehmen sind nach unseren Erkenntnissen nicht betroffen".

Mittelfristig hingegen könnte sich Bidens Entscheidung sehr wohl bemerkbar machen. Denn ein geringerer Export aus den USA könnte LNG am Weltmarkt verteuern, so Küper: "Wenn die LNG-Preise steigen, zieht das die Gaspreise insgesamt in die Höhe." Das allein bereite der deutschen Wirtschaft schon Sorgen. Allerdings wird gemäß verschiedener Prognosen damit gerechnet, dass es künftig sogar zu einer Erdgasschwemme kommen könnte, was wiederum die Preise drücken würde.

An der Nachfrage ändert das zunächst allerdings nichts. Während die Abhängigkeit von russischem Gas überwunden zu sein scheint, ist die Abhängigkeit von Gas insgesamt vor allem in energieintensiven Branchen weiterhin groß. Direkte LNG-Lieferungen machen zwar derzeit laut Bundesnetzagentur nur rund sieben Prozent der Gasmenge aus, doch die Bedeutung der USA geht darüber hinaus. "Die USA sind nicht nur für direkte LNG-Lieferungen relevant, sondern sie beliefern auch Belgien und die Niederlande, die wiederum zu den größten Lieferanten Deutschlands zählen", erläutert Küper.

US-Amerikaner skeptisch bei Exporten

2023 waren die USA erstmals der weltweit größte Exporteur von LNG. Doch das freut nicht alle US-Amerikaner. Eine aktuelle Umfrage des Meinungsforschungsinstituts und linken Thinktanks Data for Progress zeigt, dass 79 Prozent der Demokraten-Wähler für eine Exportbeschränkung sind. Und auch unter Republikanern unterstützen 44 Prozent eine solche Beschränkung, während 50 Prozent dagegen sind.

Noch deutlicher fällt die Unterstützung für einen aktuellen Vorschlag aus, der eine zeitweise Aussetzung von Exporten vorsieht, um zu klären, wie groß die Auswirkungen auf Kommunen, Umwelt und Energiepreise sind. Dem stimmen 76 Prozent der Demokraten-Wähler (16 Prozent dagegen) und 52 Prozent der Republikaner-Wähler zu (37 Prozent dagegen).

Diese Stimmung scheint Biden bewusst zu sein, und auch der Zeitpunkt ist dabei wohl nicht zufällig gewählt. "Der Präsidentschaftswahlkampf in den USA spielt eine wichtige Rolle. Biden will zeigen, dass er sich für niedrige Energiepreise und Umweltschutz gleichermaßen einsetzt", so Küper.

Umweltschützer kritisieren Fördermethode

Für die USA ist LNG zwar eine gute Einnahmequelle, allerdings bereitet die große internationale Nachfrage Probleme. Denn das Gas wird an den Meistbietenden verkauft, und viele Amerikaner fürchten, dass dadurch die heimischen Preise verdorben werden. Eine durchaus naheliegende Sorge, denn gerade Deutschland war durch das plötzliche Liefer-Aus Russlands zeitweise bereit, hohe Preise zu zahlen.

Hinzu kommen die Umweltbedenken, denn in den USA wird LNG durch Fracking gewonnen. Die umstrittene Methode ist in Deutschland verboten. Experte Küper rechnet mit geringen Chancen, dass sich daran noch etwas ändert, auch wenn Politiker von FDP und Union versuchten, die Debatte anzufachen.

Deutsche Unternehmen fürchten Standortnachteil

Umso größer sind daher die Sorgen vor einem dauerhaften Stopp der US-Projekte. "Die empfindlichen Reaktionen in Europa auf die Entscheidung zeigen, dass weiterhin eine große Unsicherheit in der Wirtschaft herrscht", sagt Experte Küper. Das bringt Bidens Regierung Kritik von Wirtschaftsverbänden aus aller Welt ein. 32 Vertreter der Öl- und Gasindustrie etwa richteten sich in einem offenen Brief an US-Energieministerin Jennifer Granholm.

Deutsche Unternehmen wären vor allem auf zwei Ebenen betroffen: Zum einen geht es um die Energiepreise selbst. "Für deutsche Unternehmen stellt sich die Frage, inwiefern eine solche Entscheidung den Standortnachteil gegenüber den USA bei den Energiekosten weiter verschärfen könnte", so Küper. Schon jetzt klagen viele Unternehmen über die hohe Abgabenlast und die daraus resultierenden Nachteile im Wettbewerb. Kommt ein Exportstopp oder eine deutlich reduzierte Gasliefermenge aus den USA dazu, die den Weltmarktpreis insgesamt anhebt und gleichzeitig die USA bevorteilt, würde das eine weitere Belastung bedeuten.

Darüber hinaus wollen Umweltschützer Bidens Entscheidung nutzen, um Deutschlands geplante und teilweise im Bau befindliche LNG-Infrastruktur zu hinterfragen. In einem Brief forderten große deutsche Umweltverbände: "Herr Bundeskanzler, folgen Sie dem Vorbild von US-Präsident Biden: Sprechen Sie ein Moratorium für Bau und Genehmigung neuer LNG-Anlagen aus!"

Konkret fordern die Verbände, das LNG-Beschleunigungsgesetz auszusetzen und Umweltverträglichkeitsprüfungen wieder einzuführen. Ein besonderer Dorn im Auge ist den Autoren dabei das LNG-Terminal auf der Insel Rügen. Zuerst hatte der "Tagesspiegel" darüber berichtet. Somit könnten geplante Projekte und Investitionen ins Wanken geraten, was die Unsicherheit in der Wirtschaft verstärkt.

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