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Die Bundesbank hat ihre wichtigste Aufgabe verloren


Mehr Einfluss gewünscht
Die Bundesbank hat ihre wichtigste Aufgabe verloren

dpa, t-online, Jörn Bender

25.07.2017Lesedauer: 5 Min.
Die Deutsche Bundesbank nahm am 1. August 1957 ihre Arbeit als Zentralbank für die Bundesrepublik Deutschland auf.Vergrößern des BildesDie Deutsche Bundesbank nahm am 1. August 1957 ihre Arbeit als Zentralbank für die Bundesrepublik Deutschland auf. (Quelle: Arne Dedert/dpa/dpa-bilder)
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Das Vertrauen in die Bundesbank ist unverändert groß. Der Einfluss der Notenbank war allerdings schonmal größer als in Euro-Zeiten. Das Selbstvertrauen der Frankfurter Währungshüter schmälert das nicht.

"Hüterin der Währung", "Hort der Stabilität", "Vorbild für die Zentralbanken der Welt" - über Jahrzehnte hat sich die Deutsche Bundesbank weltweit einen Namen gemacht. Das schier unerschütterliche Vertrauen der Deutschen in ihre Notenbank ist geradezu legendär: "Nicht alle Deutschen glauben an Gott, aber alle glauben an die Bundesbank" – auf diesen Punkt brachte es 1992 der Franzose Jacques Delors, damals Präsident der EU-Kommission. Als Zentralbank der noch jungen Bundesrepublik gegründet im Sommer 1957, stand die Frankfurter Institution vor allem für die Härte der D-Mark.

Einfluss der Bundesbank schrumpft

Mit dem Zusammenrücken Europas schrumpfte der Einfluss der Bundesbank: Seit 1999 gibt die Europäische Zentralbank (EZB) den Kurs in der Geld- und Zinspolitik vor. "Die Bundesbank ist nicht mehr, was sie mal war. Der Mythos existiert nur noch rudimentär", befand der inzwischen gestorbene ehemalige Bundesbank-Präsident Karl Otto Pöhl zum 50-jährigen Bestehen der Notenbank vor zehn Jahren.

"In dem Moment, in dem die D-Mark aufgegangen ist im Euro, hat die Bundesbank die wichtigste Aufgabe verloren: Für die Stabilität der eigenen Währung zu sorgen", konstatiert heute Otmar Issing, in den 1990er Jahren Chefvolkswirt der Bundesbank und anschließend in gleicher Funktion bei der EZB. "Das war zunächst natürlich ein extremer Kulturschock", erinnert sich der Ökonom.

Bundesbank nur Erfüllungshilfe der Politik?

Die Bundesbank habe es jedoch geschafft, "im Konzert der Währungsunion eine Stimme der Stabilität" zu bleiben, meint Issing. Tatsächlich wird der seit Mai 2011 amtierende Bundesbank-Präsident Jens Weidmann nicht müde, vor Risiken und Nebenwirkungen der ultralockeren EZB-Geldpolitik zu warnen. Das viele billige Geld der Notenbank könne "süchtig machen (...) wie eine Droge", urteilte der frühere Wirtschaftsberater von Bundeskanzlerin Angela Merkel einmal. Und: Die EZB dürfe nicht zum Erfüllungsgehilfen der Politik werden.

Im EZB-Rat entscheidet der Bundesbank-Präsident mit über den Kurs der gemeinsamen Zentralbank. Nach Einschätzung von Ökonomen ist Weidmann in dem Gremium "argumentativ ein Schwergewicht". Bundesbank-Vorstand Carl-Ludwig Thiele zeigt sich im Gespräch mit dem Hessischen Rundfunk überzeugt: "26 Prozent der Wirtschaftskraft des Euroraums sind Deutschland und insofern wird auf das Wort des Bundesbank-Präsidenten schon sehr gehört und es wird auch ernstgenommen."

Mehr Einfluss gewünscht

Doch so beharrlich Deutschlands oberster Währungshüter Widerstand leistet, es mutet bisweilen an wie ein Kampf gegen Windmühlen. Denn Weidmann hat – obwohl er Europas größte Volkswirtschaft vertritt – im EZB-Rat ebenso nur eine Stimme wie seine Kollegen aus den inzwischen 18 weiteren Euroländern.

So mancher in Deutschland wünschte sich gerade in der jüngsten Krise mehr deutschen Einfluss im obersten EZB-Gremium unter der Ägide des Italieners Mario Draghi. Denn Nullzinsen, Strafzinsen für Banken und vor allem milliardenschwere Kaufprogramme für Staats- und Unternehmensanleihen sind alles andere als unumstritten.

"Wenn Draghis Amtszeit 2019 ausläuft, sollte der nächste EZB-Chef aus Deutschland sein", forderte Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) im April 2016 öffentlichkeitswirksam in der "Bild am Sonntag". Die EZB brauche "mehr deutsche Handschrift". Die deutschen Sparer würden "schleichend enteignet und bezahlen damit indirekt die Rettung südeuropäischer Staaten und Banken", kritisierte Söder. Erst kürzlich fiel erneut Weidmanns Name im Zusammenhang mit der Draghi-Nachfolge.

Doch an Spekulationen jedweder Art beteiligt sich die Mammutbehörde in ihrem Betonbau im Nordwesten Frankfurts (Stilrichtung: "Brutalismus") mit bester Aussicht auf die Türme im Bankenviertel nicht. Am liebsten ist es den bundesweit knapp 9800 Bundesbankern, wenn sie geräuschlos ihre Arbeit machen können. 80 Millionen Zahlungen pro Tag verarbeite die Notenbank beispielsweise, erklärt Vorstand Thiele: "Ohne die Deutsche Bundesbank läuft in Deutschland nichts. Wenn keine Rente gezahlt wird, wenn kein Arbeitslosengeld gezahlt werden kann, wenn keine Waren gekauft werden können, weil es im Zahlungsverkehr oder in der Bargeldversorgung einen Zusammenbruch gibt, dann würde man erst erkennen, welche Leistung die Bundesbank in diesem Zusammenhang erbringt."

"Adlon Sause" und andere Eskapaden

So manche Schlagzeile produzierte Deutschlands Notenbank in ihrer 60-jährigen Geschichte gleichwohl: Nach einem Aufenthalt in einem Berliner Luxushotel auf Kosten der Dresdner Bank ("Adlon-Sause") trat im April 2004 der damalige Bundesbank-Präsident Ernst Welteke zurück. Im September 2010 räumte der ehemalige Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin seinen Vorstandsposten bei der Notenbank, nachdem es zuvor wochenlang hitzige Debatten über seine Thesen zur Integration von Muslimen in seinem Buch "Deutschland schafft sich ab" gegeben hatte.

Von solchen Eskapaden abgesehen, bestätigte die Bundesbank vor allem durch Standfestigkeit ihre politische Unabhängigkeit: Als 1997 der damalige Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU) eine Höherbewertung der Goldreserven und die Ausschüttung daraus resultierender Gewinne an den Bund forderte, weigerte sich die Notenbank erfolgreich - und wusste die Bevölkerung hinter sich. Zeitungen empörten sich damals über Waigels "Operation Goldfinger" und die "Vergewaltigung" der Notenbank. Schon ein Jahr zuvor hatte Wim Duisenberg, später erster EZB-Präsident, konstatiert: "Mit der Bundesbank ist es wie mit Schlagsahne: Je mehr man sie schlägt, umso fester wird sie."

Die Aufgaben der Bundesbank im Überblick

Geld- und Zinspolitik

Über Jahrzehnte stand die Notenbank für eine harte D-Mark. Seit Einführung des Euro - 1999 als Buchgeld und 2002 als Bargeld – bestimmt die Europäische Zentralbank (EZB) die Geld- und Zinspolitik. Der Bundesbank-Präsident ist an den Entscheidungen im EZB-Rat beteiligt, hat aber wie die Vertreter der anderen 18 Euroländer nur eine Stimme in dem Gremium.

Bargeld

Über ihr bundesweites Filialnetz versorgt die Bundesbank Handel und Banken mit Bargeld. Zudem ersetzt die Notenbank beschädigte Banknoten und Münzen. Ende 2016 waren Euro-Banknoten im Wert von 1,126 Billionen Euro im Umlauf. Mehr als die Hälfte davon, fast 600 Milliarden Euro, hat die Bundesbank emittiert.

Falschgeld

Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland 82 150 gefälschte Euro-Banknoten aus dem Verkehr gezogen. Um Kriminellen das Handwerk zu erschweren, tüfteln die Währungshüter permanent an verbesserten Sicherheitsmerkmalen für die Scheine. Zudem schult die Bundesbank zum Beispiel Kassierer, damit diese Blüten beim Bezahlen an der Ladenkasse sofort erkennen.

Bankenaufsicht

Gemeinsam mit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) überwacht die Bundesbank etwa 1500 kleinere und mittlere Kreditinstitute in Deutschland direkt – vor allem Volksbanken und Sparkassen. Zudem sind die Aufseher in die europäische Bankenaufsicht unter EZB-Führung eingebunden.

Goldschatz

Im Auftrag des deutschen Staates wacht die Bundesbank über den zweitgrößten Goldschatz der Welt: 3378 Tonnen (Stand 31.12.2016). Nach öffentlicher Kritik werden die lange zum größten Teil im Ausland gelagerten Barren seit einigen Jahren in heimische Tresore gebracht. Das Ziel, mindestens die Hälfte der deutschen Goldreserven im Inland aufzubewahren, war bereits Ende vergangenen Jahres mit 1619 Tonnen fast erreicht.

Die Deutsche Bundesbank in Zahlen

  • 1 Zentrale, 9 Hauptverwaltungen und 35 Filialen – die Bundesbank ist bundesweit präsent.
  • 399 Millionen Euro Gewinn überwies die Bundesbank für das Geschäftsjahr 2016 an den Bundesfinanzminister - so wenig wie seit 2004 nicht mehr.
  • 1619 Tonnen und damit fast die Hälfte der deutschen Goldreserven lagern inzwischen in Tresoren der Bundesbank in Frankfurt – Wert des gesamten Goldschatzes: rund 119,3 Milliarden Euro.
  • 9775 Mitarbeiter beschäftigt die Bundesbank auf Vollzeitbasis umgerechnet – das sind mehr als ein Jahr zuvor (9636), aber weniger als im Jahr der Gründung 1957 (10 980) und deutlich weniger als zu Hochzeiten Anfang der 1990er Jahre (16 500).
  • 39.800 Teilnehmer zählt die Notenbank bei 1900 Schulungen in Sachen Falschgelderkennung – vor allem Kassierer im Einzelhandel sollen Blüten dadurch künftig sicherer erkennen können.
  • 150.000 Fälschungen von Banknoten und Münzen begutachten die Experten der Notenbank im Nationalen Analysezentrum für Falschgeld und beschädigtes Bargeld in Mainz jährlich.
  • 5.974.933 Mal wurden im Jahr 2016 die Internetseiten der Bundesbank besucht.
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