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Staatsausgaben: Krise ist die neue Normalität


Immer mehr Schulden
Das große Verstecken

MeinungEine Kolumne von Ursula Weidenfeld

Aktualisiert am 29.03.2022Lesedauer: 3 Min.
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Bundesfinanzminister Christian Lindner: Die Spendierfreudigkeit der Regierung könnte zum Problem für die junge Generation, so t-online-Kolumnistin Ursula Weidenfeld.Vergrößern des Bildes
Bundesfinanzminister Christian Lindner: Die Spendierfreudigkeit der Regierung könnte zum Problem für die junge Generation werden, so t-online-Kolumnistin Ursula Weidenfeld. (Quelle: imago-images-bilder)

Nicht in der Krise, sondern bei einer verpatzten Rückkehr in die Normalität werden die Staatsfinanzen ruiniert, meint Finanzminister Christian Lindner. Doch die Krise ist die neue Normalität.

Auf dem Papier sieht die Sache so schön aus: Schon vom nächsten Jahr an wird Deutschland die Schuldenbremse wieder einhalten. Die Staatsverschuldung soll in diesem Jahr wundersamerweise unter 100 Milliarden Euro bleiben – trotz der 100-Milliarden-Spritze für die Bundeswehr, trotz der Benzin- und Energiesubvention, trotz der Sonderausgaben für den Klimaschutz.

Der Haushaltsentwurf von Finanzminister Christian Lindner sieht nicht nur zu schön aus, um wahr zu sein – er ist nicht wahr. Das ist leider kein kosmetisches Problem. Es ist ein grundsätzliches.

Klar: Eine Krise jagt die andere, damit konnte man nicht rechnen. Corona, das Klima und der Krieg sind Sonderfälle, ohne jeden Zweifel. Doch Lindners Überzeugung, dass "Staatsfinanzen nicht in der Krise ruiniert werden, sondern wenn die Rückkehr in die Normalität nicht gelingt", ist ein Fehlschluss.

Wir leben in einer neuen Normalität

Denn ganz offensichtlich wird die Krise zur neuen Normalität. Darauf muss der Finanzminister, dafür muss diese Bundesregierung gültige Antworten finden. Tricksen und Verstecken schafft vielleicht für eine kurze Zeit Luft, doch Ordnung schafft es nicht.

Die vorherigen Bundesregierungen hatten Glück. Die Finanzkrise war so gut wie zu Ende, als die Eurokrise ausbrach. Die Migrationskrise der Jahre 2015 und 2016 war bewältigt, als 2019 Corona kam. In den Zwischenjahren war das Wirtschaftswachstum stark genug, um den Bundeshaushalt auszugleichen, neue Überschüsse anzusammeln und sozialpolitische Wohltaten zu verteilen.

Haushalt muss krisenfest werden

Doch diese Zeiten scheinen vorbei zu sein. Jetzt überlagern die Krisen einander, die Erholungs- und Konsolidierungspausen werden kürzer, oder sie fallen ganz weg. Deshalb kann sich diese Bundesregierung nicht mehr darauf verlassen, dass die krisenbedingten Schuldenberge durch das anschließende Wirtschaftswachstum getilgt werden können. Sie muss umsteuern und den Bundeshaushalt nachhaltig krisenfest machen.

Dafür stehen ihr drei Wege zur Verfügung.

Erstens: Sie kann die Steuern erhöhen. Das ist der Weg, den SPD und Grüne gern gehen würden, dem die Liberalen aber nichts abgewinnen können.

Zweitens: Sie kann das Wirtschaftswachstum und damit auch die Steuereinnahmen befeuern. Das wäre nach dem Geschmack der FDP, doch die Grünen haben Vorbehalte: Mehr Wachstum verursacht eben auch mehr Emissionen. Außerdem wird die Sache mit dem Wachstum nicht gerade leichter, wenn immer mehr Ältere in Rente gehen, und immer weniger Beschäftigte in die Hände spucken und das Bruttosozialprodukt steigern können.

Drittens: Oder die Regierung entschließt sich, die Ausgaben herunterzufahren, oder wenigstens ihre Struktur zu ändern. Letzteres wäre der richtige Weg – doch leider finden alle drei Regierungsparteien ihn nicht attraktiv.

Sondervermögen ist Augenwischerei

Stattdessen werden notwendige Ausgaben in Sondervermögen ausgelagert, die zwar Vermögen heißen, aber nichts anderes als zusätzliche Kredite sind, die an der Schuldenbremse des Grundgesetzes vorbei aufgenommen werden sollen. Schon jetzt steigen die Staatsschulden dramatisch an – nur, dass es noch nicht zu sehen ist.

Der 100-Milliarden-Zuschuss für die Bundeswehr wird als Sondervermögen neben dem Bundeshaushalt geführt. Dasselbe gilt für die Schäden durch die Jahrhundertflut im vergangenen Jahr, so wie für 24 weitere Vorhaben, die im ordentlichen Haushalt keinen Platz mehr gefunden haben.

Noch kann Finanzminister Lindner den Eindruck erwecken, dass in der Krise alles bezahlbar sein muss. Doch wie lange noch? Das Grundgesetz verpflichtet den Finanzminister, einen einheitlichen und vollständigen Haushalt vorzulegen, in dem alle relevanten Einnahmen und Ausgaben eines Jahres aufgelistet werden.

Junge Leute zahlen die Zeche

Von diesem Gebot hat sich diese Bundesregierung beherzt emanzipiert. Nur die Energiepreisbremse und die Kosten für die Unterbringung und Versorgung der geflüchteten Ukrainer sollen in einem Ergänzungshaushalt Platz finden.

Es ist nur eine Frage der Zeit, bis das Bundesverfassungsgericht darüber urteilen wird. Das Gericht hat in Bezug auf den CO2-Verbrauch geurteilt, die Interessen und Handlungsspielräume der jüngeren Generationen dürften nicht unbillig eingeschränkt werden. Stimmt das nur für das Klima? Oder engt die jetzt amtierende Bundesregierung den finanziellen Handlungsspielraum der nachfolgenden Generationen ebenfalls unbillig ein? Es spricht einiges dafür, dass es so ist.

Ursula Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin in Berlin. Ihr neues Buch heißt: Die Kanzlerin. Porträt einer Epoche.

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