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Chef des Süßwarenimperiums Lambertz Hermann Bühlbecker: der Lebkuchen-Lagerfeld


Hermann Bühlbecker
Der Lebkuchen-Lagerfeld

Ein Porträt von Mauritius Kloft

Aktualisiert am 27.12.2021Lesedauer: 5 Min.
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Hermann Bühlbecker: Dem Printen-Papst gehört der Weltmarktführer für Saisongebäck.Vergrößern des Bildes
Hermann Bühlbecker: Dem Printen-Papst gehört der Weltmarktführer für Saisongebäck. (Quelle: Thomas Banneyer/T-Online-bilder)

Nur wenige deutsche Unternehmer sind so schillernde Persönlichkeiten wie Hermann Bühlbecker. Der 71-Jährige ist Inhaber des Süßwarenimperiums Lambertz. Bei ihm gehen die A-Promis ein und aus.

Für das Foto setzt Hermann Bühlbecker die Maske ab. Er schließt die Augen, atmet tief ein. Es riecht nach Schokolade, nach Lebkuchen und ein bisschen nach Kartons hier im Werksverkauf seiner Firma: Lambertz in Aachen, Deutschlands größter Hersteller für Printen, Dominosteine und Spekulatius.

Was der Raum ebenso versprühen soll, wird klar, wenn der Blick zu den großen Fernsehbildschirmen neben den Kassen wandert: Glamour, roter Teppich, Stars und Sternchen. Und mittendrin zu jeder Zeit der Firmenchef, Bühlbecker selbst.

Wer das dort sei, fragt er aufgeregt – und beantwortet die Frage gleich selbst: die britische Sängerin Shirley Bassey. Sie sei kaum mehr in Deutschland. Und wenn, dann bei ihm, sagt Bühlbecker. Wo auch sonst?

Der Karl Lagerfeld der Süßwaren-Industrie

Bühlbecker ist eines der letzten Originale unter Deutschlands großen Unternehmern, eigentlich das, was man klassischerweise einen Firmenpatriarch nennt. Vom äußeren Eindruck jedoch ähnelt er eher einem Modezaren: nach hinten frisierte lange Haare, grauer Vollbart, ein weißes Hemd, bis oben zugeknöpft, verziert mit feinen Stickereien.

Dazu ein teurer Anzug und ein wohl noch teurerer Mantel; den edlen Markenschal elegant um den Hals geworfen. Nur die halboffenen Lederhandschuhe, die Bühlbecker hin und wieder trägt, und die unweigerlich an Karl Lagerfeld erinnern, hat er heute nicht an.

Lambertz ist ein Süßwaren-Imperium. 4.000 Mitarbeiter, rund 25 Tochterfirmen, sieben Standorte in Deutschland und Polen, geliefert wird rund um den Globus. Auch die bekannten Marken Weiss, Dr. Quendt, Kinkartz und Haeberlein-Metzger sind Bühlbeckers Eigentum. Ein Aachener Kekskonzern, größer als der Konkurrent Bahlsen aus Hannover.

Die Gründung geht bereits aufs Jahr 1688 zurück. Bühlbecker behauptet deshalb gern, dass er die ältesten Marken Deutschlands führt. Dass der Namensgeber der Firma, Henry Lambertz, erst 170 Jahre nach Gründung so richtig ins Unternehmen kam, verschweigt er dabei.

Auch dass Lambertz nicht einmal ein richtiger Vorfahre von ihm ist, sondern er lediglich einer Seitenlinie entstammt, lässt Bühlbecker gern weg. Ihn kümmern solche Details nicht.

Stattdessen spult er lieber die Namen der Promis ab, die sich regelmäßig bei ihm blicken lassen: Lothar Matthäus, Heidi Klum, Reiner Calmund, Nastassja Kinski, Didi Hallervorden, Dita Von Teese.

Allen gab und gibt Bühlbecker gern Audienzen – oder macht ihnen selbst die Aufwartung, ausgerüstet mit Leckereien aus seiner Fabrik. Immer wieder lässt er im Gespräch fallen, wen er kennt und vor allem: wer bereits seine Printen gekostet hat.

Wie wichtig dem Firmenboss seine Promi-Kontakte sind, zeigt sich auch im Aachener Stammwerk von Lambertz. In einem Besprechungsraum mit dem passenden Namen "Galerie" begegnen Bühlbeckers Besuchern die Glamour-Fotos erneut, dieses Mal aufgereiht an der Wand anstatt per Dauerschleife auf dem Fernseher.

Aufnahmen von ihm mit Ex-US-Präsident Bill Clinton oder Prinz Charles sind dabei, aber auch Briefe von Politikern, die sich für die Süßwaren Bühlbeckers bedanken. Einmal schrieb ihm der frühere Bundespräsident Richard von Weizsäcker: "Wenn ich an Aachen denke, denke ich an Karl den Großen, Lambertz und die Pferde." In einer Linie genannt mit Karl dem Großen. Das gefällt dem Printen-Papst.

Dass er eines Tages mit den wichtigsten Menschen der Welt Kontakt haben würde, hätte sich Bühlbecker mit Mitte 20 auch kaum träumen lassen können. Gerade einmal 26 Jahre ist er alt, als er im Familienbetrieb Lambertz einsteigt. Damals, 1976, beliefert das Unternehmen lediglich den Fachhandel.

Seine Mission: nichts Geringeres als die Rettung des Unternehmens. Denn Lambertz steht in den 1970er-Jahren kurz vor der Pleite. Schlappe 16 Millionen D-Mark, also rund acht Millionen Euro, erwirtschaftet das Unternehmen seinerzeit.

Ein lächerlicher Betrag, vergleicht man den Umsatz mit heutigen Zahlen: 656 Millionen Euro Umsatz waren es im abgelaufenen Geschäftsjahr, trotz Corona-Krise entspricht das einem Plus von drei Prozent.

Bühlbecker als letzter Markenbotschafter von Lambertz

Gelungen ist Bühlbecker das vor allem durch die Öffnung von Lambertz für Discounter und damit für den Massenmarkt. Bis heute bezeugen die Lebkuchenkartons bei Aldi, Lidl und Co. das, was Bühlbecker mit seinem Unternehmen vollbracht hat. Lambertz ist sein Lebenswerk – und die Verwirklichung seiner selbst, auch wenn er das wohl anders sieht.

Denn: Sein Werben um die Stars ist für Bühlbecker kein Selbstzweck. Für ihn handelt es sich um Reklame. Bewusst verzichtete Lambertz seit jeher auf TV-Werbung und Anzeigen. Früher waren Spots zu teuer, heute braucht es sie nicht. Schließlich hat Lambertz Bühlbecker.

In seiner Funktion als Vorsitzender des Familienbeirates bezeichnet sich Bühlbecker als einzigen "Markenbotschafter" des Unternehmens. Man könnte auch sagen: der erste und letzte. Denn einen wie ihn wird das Unternehmen nur schwer ersetzen können.

Geschäftsführer dagegen ist er bereits seit 30 Jahren nicht mehr, zumindest offiziell. Trotzdem bestimmt er nach wie vor die großen Linien des Konzerns – und mischt sich auch ins Tagesgeschäft ein.

Ein wichtiger Bestandteil seiner Arbeit: die "Lambertz-Monday-Night", eine legendäre Lebkuchen-Laufsteg-Party, bei der Promis aus aller Welt nach Köln kommen. Sie findet einmal im Jahr statt, im Zuge der Internationalen Süßwarenmesse (ISM) Ende Januar.

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Die Nächte bei solchen Events sind lang. Trotzdem steht Bühlbecker morgens wieder am Messestand und umgarnt Großhändler, internationale Kunden, Models. "Das Unternehmen steht bei mir im Mittelpunkt, dafür muss ich mir Zeit nehmen und auch Präsenz", sagt er.

Das wirkt, auch am Aachener Standort selbst. Dort kennt ihn so gut wie jeder, er gibt sich gern Mitarbeiter-nah. "Ich war zwar noch nie bei einem Event dabei", sagt ein hagerer Angestellter im Werksverkauf. "Aber ich bin trotzdem stolz, dass der Chef sich mit so bekannten Leuten trifft."

Bühlbecker sind solche Einwürfe vom Rand eher unangenehm, schnell lenkt er ab. Fast wirkt es, als versuche er, bodenständig herüberzukommen, gar bescheiden. Nur ganz gelingen will es ihm nicht. Zu sehr sprechen die Bilder an der Wand eine andere Sprache. Auch der 500-PS-Bentley, der direkt vor dem Werkstor parkt, passt kaum zu diesem Anspruch.

Ob er stolz sei auf das, was er erreicht habe? Bühlbecker winkt ab. Selbstbewusst, ja, das sei er. Doch arrogant – so will Bühlbecker nicht erscheinen. Das wäre wahrscheinlich auch schlecht fürs Geschäft. Deshalb drückt er sich anders aus: Es gehe ihm stets darum, für sein Unternehmen auf der Bühne zu stehen.

Dieser Ehrgeiz hat seinen Preis. Nur rund fünf Stunden schläft Bühlbecker jede Nacht, berichtet er. Zeit für die Familie bleibt da kaum. Er ist in zweiter Ehe verheiratet, hat eine Tochter. Sie ist heute ungefähr so alt wie Bühlbecker damals, als er an die Spitze von Lambertz rückte.

"Ich muss nur das Gefühl haben, dass alles gut läuft"

Sonst ist nur wenig über sein Privatleben bekannt. Wohl auch, weil er kaum eines hat? "Ich mache nie etwas alleine nur aus Spaß, das Unternehmen ist immer dabei", sagt er. Eine Sorge treibt Bühlbecker daher zwangsläufig um: die Zukunft von Lambertz, die eigene Nachfolge. "Ich muss nur das Gefühl haben, dass alles gut läuft. Auch ohne mich, dann kann ich loslassen."

Ach ja? So recht glauben will man ihm diesen Satz nicht. Am liebsten würde Bühlbecker wohl bis in alle Ewigkeit an der Unternehmensspitze stehen. Das aber ist selbst für einen wie ihn nicht möglich.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Vor-Ort-Besuch und Gespräch mit Hermann Bühlbecker
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