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Terminal in Wilhelmshaven eröffnet: So weit ist LNG-Ausbau


LNG-Terminal eröffnet
Hier beginnt Deutschlands Zukunft


Aktualisiert am 15.11.2022Lesedauer: 5 Min.
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LNG-Terminal fertiggestellt: Hier soll schon bald Flüssiggas fließen. (Quelle: reuters)

Flüssiggas soll Deutschland endgültig von Putins Gas unabhängig machen. Das erste Terminal ist fertig, doch das allein wird nicht reichen.

Es sind nur drei Buchstaben, doch sie machen Deutschland große Hoffnung: LNG. Die Abkürzung steht für Liquified Natural Gas, auch Flüssiggas genannt. Schon bald soll es uns unabhängig machen vom russischen Gas und damit einen großen Beitrag zur Energiesicherheit leisten, besonders in den kalten Wintermonaten.

Nun stehen die ersten LNG-Terminals an der Küste kurz vor dem Betriebsbeginn. Schon bald soll Flüssiggas von Katar und Kanada per Schiff in Deutschland anlanden und dann ins Röhrensystem des Gasnetzes fließen.

Das Problem dabei: Die seit Herbst bestehenden ersten Lieferverträge decken bislang nur einen Bruchteil des deutschen Gasbedarfs. Und so werden die Terminals wohl kaum sofort ihre volle Wirkung entfalten, sondern eher mittel- und langfristig die Energieversorgung in den kommenden Jahren absichern.

t-online macht die Bestandsausnahme: Wie gut steht es bereits um die neue Gas-Hoffnung für Deutschland?

Wilhelmshaven geht als Erstes ans Netz

In Wilhelmshaven hat am Dienstag das erste LNG-Terminal offiziell seine Fertigstellung gefeiert – ein wichtiger Schritt, damit Deutschland tatsächlich bald Flüssiggas beziehen kann. Dazu wurde durch das landeseigene Unternehmen Niedersachsen Ports ein bestehender Landungsplatz so umgebaut, dass dort ein mobiles LNG-Terminal in Form eines Schiffs – eine schwimmende Speicher- und Regasifizierungsanlage (FSRU) – dauerhaft andocken kann. Bereits im Dezember soll das Schiff "Höegh Esperanza" an dieser Stelle anlegen. Ein festes Terminal soll in den kommenden Jahren gebaut werden.

LNG

LNG ist die Abkürzung für Liquified Natural Gas. Dabei handelt es sich um tiefgekühltes, unter hohem Druck verflüssigtes Erdgas. Das Gas muss dafür auf -161 bis -164 Grad Celsius heruntergekühlt werden. Da Flüssigerdgas nur ein Sechshundertstel des Volumens von gasförmigem Erdgas hat, kann es statt durch Pipelines mit Tankern oder auch mit Lkw und Zügen transportiert werden.

Dass es nun so schnell gehen musste, liegt daran, dass sich Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend abhängiger von russischen Gaslieferungen gemacht hatte. Andere Lieferwege gab es kaum. LNG rechnete sich bislang nicht, da es mit hohen Transportkosten verbunden und russisches Gas im Vergleich viel günstiger war.

Das hat sich nun im Zuge des Ukraine-Krieges geändert. Weil Russland als Bezugsquelle für Gas wegfällt, sind die LNG-Pläne nun auch wirtschaftlich konkurrenzfähig.

Das Terminal Wilhelmshaven I wird über eine 26-Kilometer-Pipeline an das überregionale Gasnetz angebunden. Diese führt bis zum Anschlusspunkt Etzel und ist laut Wirtschaftsministerium fast fertig. Die Leitung soll anfangs 10 Milliarden, später bis zu 28 Milliarden Kubikmeter pro Jahr transportieren und für Wasserstoff genutzt werden können. Zum Vergleich: Der deutsche Gasverbrauch lag 2021 bei rund 90 Milliarden Kubikmetern.

Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) will noch ein zweites Terminal in der Stadt ansiedeln. Wilhelmshaven II soll Ende 2023 anlaufen, vorerst ebenfalls als Schwimmterminal.

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Brunsbüttel und Lubmin streben schnellen Start an

Ebenfalls noch in diesem Jahr soll in Brunsbüttel ein Schwimmterminal in Betrieb gehen. Der erste LNG-Tanker soll Ende Dezember festmachen und 3,5 Milliarden Kubikmeter Gas ins Netz bringen. Parallel plant dort die German LNG Terminal GmbH eine feste Anlage, die voraussichtlich 2026 in Betrieb gehen könnte.

Vom Hafen Brunsbüttel aus wird bereits eine drei Kilometer lange Leitung gebaut. Die gesamte Anbindetrasse an das europäische Verbundnetz soll über 50 Kilometer lang werden.

Im vorpommerschen Lubmin, wo auch die deutsch-russischen Gasleitungen Nord Stream 1 und 2 enden, will das Unternehmen Deutsche Regas mit einem schwimmenden Terminal LNG importieren. Zunächst war von einem möglichen Betriebsbeginn zum 1. Dezember zu hören – ob dies klappt, war zuletzt aber noch offen.

Die Arbeiten liegen laut dem Unternehmen im Zeitplan, es fehlen jedoch noch Genehmigungen. Ein zweites Terminal soll in der zweiten Jahreshälfte 2023 an den Start gehen. Beide sollen pro Jahr jeweils fünf Milliarden Kubikmeter Flüssiggas aus Schiffen umwandeln und ins Gasnetz einspeisen.

In Stade hatte ein privates Konsortium bereits vor dem Krieg Russlands gegen die Ukraine angefangen, eine Anlage in der Nähe des Chemieparks mit dem US-Konzern Dow vorzubereiten. Ende 2023 soll hier eine schwimmende Plattform starten, Bauschritte wie Deichüberfahrten sind genehmigt. Ein fester Umschlagplatz soll bis 2026 fertig sein.

Das Gas wird dort direkt ins Netz des niederländischen Betreibers Gasunie eingespeist. "Dafür laufen die entsprechenden Vorbereitungen für das Genehmigungsverfahren", heißt es aus der Landesregierung.

Lieferzusagen sind noch rar

Gerade im deutschen Mittelstand fühlen sich viele Unternehmer bestätigt: Jahrelang haben sie weniger Bürokratie und schnellere Genehmigungen gefordert, nun scheint das plötzlich möglich. Man hoffe darauf, dass die Politik nach den Erfahrungen in diesem Jahr strukturell umdenke, heißt es aus Verbandskreisen.

Doch woher soll das Flüssiggas eigentlich kommen? Bisher erhalten es Deutschland und andere europäische Länder vor allem aus den USA – meist mittels entsprechender Terminals in Belgien und den Niederlanden.

Größter Exporteur ist unterdessen Katar. Bei einer Reise im Frühjahr versuchte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), Lieferzusagen zu sichern. Katar zeigte sich offen für zukünftige Kooperationen, gab aber ebenso zu verstehen: Kurzfristige Verträge seien schwierig, denn oft sind bestimmte Gasfördermengen über Jahre vertraglich zugesichert.

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Auch ein ungewöhnlich langer Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei seinem kanadischen Amtskollegen Justin Trudeau brachte nur die gegenseitige Absichtserklärung zu enger Zusammenarbeit.

Viele Reisen, wenige Ergebnisse? Auf eine t-online-Anfrage im Herbst reagierte das Bundeswirtschaftsministerium zurückhaltend. Die Verträge würden von den Unternehmen gemacht, dazu könne keine Auskunft erteilt werden. Weiter heißt es lediglich: "Uns ist bekannt, dass bei den meisten Händlern Kontakte in über 20 Länder bestehen."

Eine Studie des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Universität zu Köln (EWI) im Auftrag des Branchenverbands Zukunft Gas hat verschiedene Lieferszenarien untersucht. In allen stiegen die Importe der USA gegenüber dem Jahr 2021 deutlich an. Sollte zwischen Russland und der EU kein Gas gehandelt werden, geht die Studie für 2030 von einem USA-Anteil an den Gesamtimporten der EU von 39 Prozent aus, vorausgesetzt, dass bis dahin genügend Verflüssigungsanlagen gebaut werden.

Norwegen kommt in dem Szenario auf 28 Prozent Lieferanteil. Die Studienautoren erwarten bei LNG aus Katar nur ein beschränktes Wachstum. Auch zusätzliche Importe aus Australien oder Kanada würden vermutlich für den europäischen Markt nicht bedeutend sein.

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Gaspreise schwanken stark

Was das alles für die Gaspreise bedeutet, ist ungewiss. Denn die Weltmarktpreise schwanken, und die in laufenden Verträgen noch gebundenen Mengen können das Angebot knapp halten. Und es kommen noch weitere Preisfaktoren hinzu: "Derzeit gibt es einen extremen Preisanstieg bei den Charterpreisen für LNG-Tanker, der auf einen kurzfristigen Engpass bei geeigneten Schiffen hindeutet", so Energieexperte Malte Küper vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW) im Gespräch mit t-online.

Wie sehr die begrenzte Anzahl an Schiffen in Kombination mit mangelnder Infrastruktur die Preise verzerren kann, zeigt sich aktuell an den Tankerstaus in Spanien. Da die Schiffe dringend für weitere Transporte gebraucht werden, fiel hier der Preis für LNG in den vergangenen Wochen deutlich.

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Lag der Gaspreis an der europäischen Energiebörse TTF noch im August bei einem Hoch von 350 Euro pro Megawattstunde, wird auf dem Spotmarkt derzeit nur rund ein Fünftel dieses Preises aufgerufen. Gleichzeitig bringt das aber keine Entlastung für längerfristige Lieferverträge in ganz Europa, da das Leitungsnetz in Spanien kaum Transporte in andere Länder ermöglicht.

Eine ähnlich einschränkende Wirkung könnte künftig auch von den Exportländern ausgehen. "Der entscheidende Flaschenhals werden in den nächsten Jahren die verfügbaren Verflüssigungsterminals in den Exportländern sein. Im vergangenen Jahr waren die weltweiten Terminals im Schnitt bereits zu über 80 Prozent ausgelastet", so Experte Küper. "Insbesondere in Asien wird allerdings in den nächsten Jahren eine steigende Nachfrage erwartet."

Umweltschützer sorgen sich um Meerestiere

Kritik kommt unterdessen von Umweltschützern. Zum einen wird beim Verbrennen von Erdgas viel CO2 freigesetzt. Gerade LNG aus den USA wird zudem durch umweltschädliches Fracking gefördert. Das Gas wird dabei unter Hochdruck aus Gesteinsporen gepresst, im Fall älterer Technik kommt ein Chemikalien-Cocktail zum Einsatz.

Darüber hinaus sorgen sich Umweltschützer auch um die Lebensräume von Meerestieren und -pflanzen. Sie fürchten, dass es durch die beschleunigten Genehmigungsverfahren für den Terminalbau keine gründlichen Prüfungen gebe.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Malte Küper (IW)
  • Statement Bundeswirtschaftsministerium
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
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