t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomeGesundheitKrankheiten & SymptomeCorona

Gehörlose über Maskenpflicht: "Eine Einschränkung in der Kommunikation"


Gehörlose in der Corona-Krise
"Social Distancing kann jetzt ein Vorteil sein"

InterviewVon Sandra Simonsen

15.05.2020Lesedauer: 3 Min.
Interview
Unsere Interview-Regel

Der Gesprächspartner muss auf jede unserer Fragen antworten. Anschließend bekommt er seine Antworten vorgelegt und kann sie autorisieren.

Zum journalistischen Leitbild von t-online.
Maskenpflicht: Für Gehörlose entsteht durch das Tragen der Maske ein Kommunikationsproblem.Vergrößern des Bildes
Maskenpflicht: Für Gehörlose entsteht durch das Tragen der Maske ein Kommunikationsproblem. (Quelle: A. Friedrichs/imago-images-bilder)

Die Maskenpflicht stellt eine Gruppe vor besondere Probleme: Gehörlose sind auf Mimik und Gestik angewiesen. Sofia Wegner erklärt im Interview mit t-online.de, wie sie sich trotz Maske verständigt.

Ende April haben die Bundesländer in Deutschland eine Maskenpflicht eingeführt, die vielerorts vor allem beim Einkaufen oder im Öffentlichen Nahverkehr, aber auch bei Arztbesuchen gilt. "Das Verwenden von Mund-Nase-Masken erschwert die Kommunikation zwischen Hörenden und Gehörlosen", kritisierte der Deutsche Gehörlosen-Bund daraufhin.

Auch Sofia Wegner weist im Gespräch mit t-online.de darauf hin, dass die Kommunikation durch die Masken eingeschränkt ist. Die 38-Jährige arbeitet als Psychologin in Hamburg und ist von Geburt an gehörlos. Sie sieht jedoch auch noch ein anderes Problem.

t-online.de: Fühlen Sie sich in der Corona-Krise sicher und gut informiert?

Sofia Wegner: Nein. Als Gehörlose habe ich ein Informationsdefizit, da nicht alle TV-Sendungen oder Informationsvideos untertitelt sind. In anderen europäischen Ländern ist es Standard, bei offiziellen Pressekonferenzen oder Bekanntgaben einen Gebärdensprachdolmetscher (GSD) einzusetzen. Man sieht das in den Nachrichten an den eingeblendeten Fenstern.

In Deutschland gab es lange hohe Barrieren, aber in der Corona-Krise tut sich erstmals etwas: Das Robert Koch-Institut (RKI) gehört mit zu den ersten Einrichtungen, die bei den offiziellen Pressekonferenzen einen GSD einsetzen. Leider ist die Dolmetscherin nicht dauerhaft zu sehen, das heißt die Kamera schwenkt sofort weiter, ohne die Verdolmetschung in einem kleinen Fenster anzuzeigen. Da sehe ich noch Nachholbedarf, wie auch bei der Bundesregierung.

Mittlerweile sind viele Informationen als Videos übersetzt und im Internet zu finden, aber nicht im Fernsehen. Ich wünsche mir, dass Dolmetscher-Einblendungen dauerhaft einen Platz in der ersten Reihe bekommen. Die technischen Möglichkeiten dazu gibt es.

Was bedeutet die Maskenpflicht für Sie als Gehörlose?

Zunächst einmal hat die Maskenpflicht natürlich das Ziel, die Verbreitungsgeschwindigkeit der Pandemie einzudämmen. Das kann ich durchaus nachvollziehen. Für uns Gehörlose ist es natürlich eine Einschränkung in der Kommunikation, wobei das Lippenlesen nur ein Teil der Kommunikation ist. Bislang habe ich, wenn es nötig war, mit ausreichend Abstand das Gegenüber gebeten, die Maske kurz abzunehmen. Die meisten Menschen machen das oder schreiben mir etwas auf.

Wie oft und in welchen Situationen nutzen Sie im Alltag das Lippenlesen, das unter einer Maske unmöglich wird?

Das Lippenlesen oder auch Absehen unterstützt die Kommunikation, wobei Gehörlose viel kombinieren und aus der Situation erraten, worum es geht. Natürlich passieren regelmäßig Missverständnisse. Lippenlesen ersetzt das Hören nicht und die Kommunikation bleibt unvollständig.

Die Probleme um die Maskenpflicht sollten nicht davon ablenken, dass Gehörlose ohnehin keinen ausreichenden Zugang zu Kommunikation im Gesundheitswesen haben: Es gibt nicht genügend qualifizierte Gebärdensprachdolmetscher, und die Hürden um Logistik, Antragstellung und Kostenübernahme von Kommunikationsassistenz sind kompliziert.

Meine Hoffnung ist, dass sich in diesem digitalen Schub, den Deutschland gerade erfährt, das Ferndolmetschen neu etablieren kann und Dolmetscher unkompliziert nach Bedarf über Endgeräte überall zugeschaltet werden können.

Loading...
Symbolbild für eingebettete Inhalte

Embed

Macht ein Mundschutz die Kommunikation über Gebärdensprache ebenfalls schwieriger?

Die Gebärdensprache ist mit der Maske etwas beeinträchtigt, aber von versierten Nutzern immer noch verständlich. Gebärdensprachnutzer stehen in der Regel auch etwas weiter auseinander als Hörende, die sich in Lautsprache unterhalten. Es gilt als unhöflich, laut zu sprechen und Menschen rücken eher aufeinander zu, als die Stimme anzuheben. Gehörlose können sich aus vielen Metern Entfernung noch verständigen. Die etwas größere Körperdistanz ist jetzt eventuell ein Vorteil.

Welche Alternativen zum Mundschutz schlagen Sie vor? Welche Vor- und Nachteile ergeben sich daraus?

Es gibt die "Safe Clear Mask", eine Maske mit durchsichtigem Fenster. Die sind aber nicht für Gehörlose selbst, sondern für das Gegenüber, etwa medizinisches Personal. Ich habe dazu keine Erfahrungen, aber gehört, dass diese Masken von innen beschlagen können. Eine andere Möglichkeit sind die Visiere, die das Gesicht freilassen und besser für die Kommunikation sind, aber natürlich sind auch diese nur ein provisorischer Schutz.

Vielen Dank für das Gespräch, Frau Wegner!

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



TelekomCo2 Neutrale Website