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Coronavirus: So früh sahen die Biontech-Gründer die Pandemie kommen


Noch vor dem ersten deutschen Fall
So früh sahen Biontech-Gründer die Pandemie kommen


12.09.2021Lesedauer: 3 Min.
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Uğur Şahin und Özlem Türeci: Für ihren Einsatz wurde ihnen im März das Große Verdienstkreuz mit Stern verliehen.Vergrößern des Bildes
Uğur Şahin und Özlem Türeci: Für ihren Einsatz wurde ihnen im März das Große Verdienstkreuz mit Stern verliehen. (Quelle: Jutrczenka/reuters)

Uğur Şahin und Özlem Türeci stehen als Gründer des Impfstoffherstellers Biontech im Fokus der Öffentlichkeit. In einem Buch beschreiben sie nun, wie sie von dem Virus erfuhren – und den Ernst der Lage sofort erkannten.

Freitag, der 24. Januar 2020: Eine Familie kommt vom Essen beim Vietnamesen. Der Vater setzt sich an seinen Computer und liest Nachrichten und medizinische Fachartikel. Ein Artikel beunruhigt ihn zutiefst: In Wuhan sei ein Virus ausgebrochen, die Autoren prognostizieren eine Pandemie. Der Mann heißt Uğur Şahin. Mit seiner Frau Özlem Türeci hatte er elf Jahre zuvor das Unternehmen Biontech gegründet.

Knapp ein Jahr später stehen die beiden als Entwickler des ersten Corona-Impfstoffs im Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit. Ihren Weg beschreiben sie nun gemeinsam mit dem Financial-Times-Journalisten Joe Miller in dem Buch "Projekt Lightspeed". Es erscheint am 14. September.

Nachrichten, Analyse, dann der Schock

Zunächst sei dem Immunologen Şahin an diesem Abend die Nachricht aufgefallen, in der chinesischen Millionenstadt Wuhan wären rund fünfzig Menschen an einer unbekannten Atemwegsinfektion erkrankt. Alle Fälle ließen sich zum "Huanan Seafood Market" zurückverfolgen. Die Kollegen in China befürchteten, dass ein Virus von Tieren auf den Menschen übertragen wurde.

Şahin beschreibt, dass er schon wenige Wochen zuvor auf einer Tagung von den Erkrankten in China gehört habe. Damals habe er dem jedoch noch nichts Ungewöhnliches beigemessen. Das habe sich schlagartig geändert, als der Fall von den Nachrichten zu dem medizinischen Fachmagazin "The Lancet" wechselte. Auch dort sei er auf einen Artikel gestoßen, der sich mit den Infektionen in Wuhan befasste.

Teil des Titels dieser medizinischen Analyse: Es gäbe Hinweise auf eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung. Als Şahin auf den Artikel klickte, habe er von einer schwer erkrankten Familie gelesen. Doch die Betroffenen wären nie auf dem Huanan-Markt gewesen. Allerdings hätten sie einige Tage zuvor Verwandte im Krankenhaus besucht, die dort wegen fiebriger Lungenzündung behandelt worden seien – wenige Tage später war die Familie selbst erkrankt.

Damit schien sicher, dass sich das Virus von Mensch zu Mensch verbreitet hatte und nun um sich griff. Ein Mitglied der Familie sei jedoch nicht erkrankt gewesen. Dennoch konnte bei der Siebenjährigen das Virus nachgewiesen werden. Das beunruhigte Şahin, der eigentlich an der Behandlung von Krebs forschte und den MERS-Ausbruch in Saudi-Arabien Jahre zuvor beobachtet hatte.

Der Immunologe Uğur Şahin (*1965) und die Molekularmedizinerin Özlem Türeci (*1967) gründeten 2008 gemeinsam mit dem österreichischen Mediziner Christoph Huber das Unternehmen Biontech. Die Firma befasst sich mit der Erforschung von Medikamenten auf mRNA-Basis, ursprünglich hauptsächlich gegen Krebs und andere schwere Erkrankungen. 2020 entwickelte das Unternehmen einen mRNA-Impfstoff gegen das Coronavirus, der als erster weltweit zugelassen wurde. Şahin und Türeci leben in Mainz und haben eine gemeinsame Tochter.

Wilde Fantasie oder berechtigte Sorge?

Denn ihm sei bereits damals bewusst geworden, was wenig später Realität wurde: Die Rückverfolgung der Infektionsketten wäre kaum möglich, jede Begegnung mit anderen Menschen eine potenzielle Gefahr. Die Forscher hätten in ihrer Analyse bereits eine Epidemie prognostiziert. In diesem Moment sei Şahin klar gewesen, dass es sich dabei um eine Unterschätzung handeln müsse.

So habe er sich weiter informiert. Als ihm bewusst geworden sei, wie bedeutend die Metropole Wuhan tatsächlich ist, habe er eine erste Rechnung angestellt. Das düstere Ergebnis: zwei Millionen Tote weltweit. Er habe sich in diesem Moment gefragt, ob seine Fantasie mit ihm durchginge. Als Şahin aber dann auch noch erfahren habe, dass erste Fälle des Virus in Frankreich gemeldet worden waren, und sich auch deutsche Krankhäuser gegen die mysteriöse Krankheit wappneten, habe er beschlossen zu handeln.

Entscheidung am Frühstückstisch

Noch in der Nacht habe er Kontakt zum Aufsichtsratsvorsitzenden von Biontech gesucht. Am nächsten Morgen habe er seiner Familie prognostiziert: Eine Pandemie würde kommen, es werde einen Lockdown geben, spätestens im April würden die Schulen geschlossen werden. Einziger Ausweg: ein Impfstoff.

Özlem Türeci erklärte kürzlich in einem Interview mit der "Bild am Sonntag", dass diese Entwicklung wohl auch andere gesehen haben müssten. Der Unterschied sei, "dass wir sofort mit Entschlossenheit gesagt haben: Wir müssen jetzt handeln und etwas dagegen tun."

An diesem 25. Januar habe Şahin sich gegen den wenig besorgten Aufsichtsratsvorsitzenden Helmut Jeggle durchgesetzt. Gleichzeitig habe er den Experten seiner Firma seine Informationen zugeschickt und für den folgenden Montag die erste Besprechung angesetzt. An diesem Montag, dem 27. Januar 2020, wurde die erste Infektion mit dem neuen Virus in Deutschland bekannt. Ein Mitarbeiter des Autozulieferers Webasto hatte sich bei einer chinesischen Kollegin angesteckt.

Nicht einmal ein Jahr später, am achten Dezember, erhielt im britischen Coventry die erste Person weltweit eine Impfung gegen das Coronavirus – mit dem Impfstoff von Biontech und dem amerikanischen Pharmakonzern Pfizer.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
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