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Studie: Giftige Pestizide verbreiten sich kilometerweit in der Luft


Unterschätzte Gefahr
Giftige Pestizide verbreiten sich kilometerweit

Von afp
Aktualisiert am 30.09.2020Lesedauer: 3 Min.
Ein Landwirt spritzt sein Kartoffelfeld mit einem Fungizid gegen Kraut- und Knollenfäule (Phytophthora infestans).Vergrößern des BildesEin Landwirt spritzt sein Kartoffelfeld mit einem Fungizid gegen Kraut- und Knollenfäule (Phytophthora infestans). (Quelle: Thomas Warnack/dpa)
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Die Ergebnisse einer Messung zur Pestizid-Belastung zeigen: Giftige Stoffe sind auch weit abseits von den Äckern nachweisbar. Doch nicht alle Experten stufen diese Entwicklung als besorgniserregend ein.

In der Landwirtschaft verwendete Pestizide und deren Abbauprodukte verbreiten sich einer Studie zufolge kilometerweit durch die Luft. Das ist das Ergebnis einer Messung an 163 Standorten, die das Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft und das Umweltinstitut München veröffentlicht. Der Präsident des Umweltbundesamtes (UBA), Dirk Messner, hält hier vom Gesetz vorgeschriebene Kontrollen für sinnvoll, ebenso neue EU-Leitlinien für das Zulassungsverfahren von Pestiziden.

Nicht zugelassene Stoffe ermittelt

Bei den Messungen in ganz Deutschland wurden an rund drei Viertel der Standorte jeweils mindestens fünf und bis zu 34 Pestizidwirkstoffe sowie deren Abbauprodukte gefunden. Selbst auf der Spitze des Brockens im Nationalpark Harz seien zwölf Pestizide nachweisbar gewesen, teilen das Bündnis und das Umweltinstitut mit. Insgesamt fanden sich demnach deutschlandweit 138 Stoffe, von denen 30 Prozent zum jeweiligen Messzeitpunkt nicht mehr oder noch nie zugelassen waren. Das Pflanzenvernichtungsmittel Glyphosat sei in allen Regionen Deutschlands und weit abseits von potenziellen Ursprungs-Äckern nachgewiesen worden.

Für die Studie wurden nach Angaben der Auftraggeber von März bis November 2019 Pestizide in der Luft gemessen. Untersucht wurden Standorte im Umkreis von weniger als 100 bis hin zu mehr als 1.000 Metern Entfernung von potentiellen Quellen; in Städten und auf dem Land, in konventionellen und Bio-Agrarlandschaften sowie in unterschiedlichen Schutzgebieten. Die Daten seien mit Hilfe neu entwickelter Passivsammelgeräte, aus Filtermatten in Be- und Entlüftungsanlagen von Gebäuden sowie durch die Analyse von Bienenstöcken und Baumrinden erhoben worden. Landwirte, Imker und Privatpersonen hätten zudem Proben eingesandt.

"Ganze Ernten gehen so verloren"

Karl Bär, Agrarexperte des Umweltinstituts München, nennt die Ergebnisse der Studie "schockierend". Pestizide landeten "in schützenswerten Naturräumen, auf Bio-Äckern und in unserer Atemluft". Boris Frank, Vorsitzender vom Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft, kritisierte insbesondere, dass biologisch bewirtschaftete Äcker kontaminiert würden. "Ganze Ernten gehen so verloren."

Beide forderten ein sofortiges Verbot der fünf Pestizide, die sich am meisten verbreiteten, darunter Glyphosat. Bis 2035 müsse die EU-Kommission schrittweise alle chemisch-synthetischen Pestizide verbieten. Öko-Landwirte müssten bei der Kontamination ihrer Ernte über einen Schadensausgleichsfonds entschädigt werden – den Fonds füllen sollen demnach zehn Prozent der deutschen Umsätze der Pestizidhersteller.

UBA-Präsident Messner erklärt, die Studie liefere wertvolle Daten zur Verbreitung von Pflanzenschutzmitteln über die Luft. Viele Wirkstoffe fänden sich nahezu flächendeckend in Deutschland. Die meisten davon gehörten zu den Top Ten der am meisten verkauften Wirkstoffe.

Gibt es gesundheitliche Auswirkungen für Mensch und Umwelt?

Zu den gesundheitlichen Auswirkungen mache die Studie keine Aussage, das UBA sei dafür auch nicht zuständig. Die ermittelten Konzentrationen der Stoffe bergen demnach auch keine unmittelbare Gefahr für Tiere und Pflanzen – sie lägen "ganz überwiegend deutlich unter dem, was wir im Nahbereich zulassen würden".

Dennoch bereite dem UBA der Ferntransport der Stoffe gewisse Sorgen, erklärte Messner. Es sei denkbar, dass sich die Wirkstoffe an einem anderen Ort kombinieren und als Cocktail wirken. Dies werde im Zulassungsverfahren nur in Ansätzen berücksichtigt – hier müssten auf EU-Ebene neue Leitlinien erarbeitet werden. Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) erklärt auf Twitter, sie werde sich weiter für mehr Ökolandbau und weniger Pflanzenschutzmittel einsetzen.

Der Industrieverband Agrar (IVA), der die Interessen der agrochemischen Industrie vertritt, erklärt, die Funde seien "offenbar selten" und die dabei nachgewiesenen Mengen "so minimal, dass sie für Mensch und Umwelt unbedenklich sind". Hier werde ein Thema "künstlich aufgebauscht", kritisiert IVA-Hauptgeschäftsführer Frank Gemmer; die Veröffentlichung sei "alarmistisch". Heute lasse sich jeder beliebige Stoff im Spurenbereich nachweisen.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur AFP
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