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Der boomende Schwarzmarkt für das "Weichtier des Jahres" 2022 - Schmuggel mit schönen Schnecken


"Weichtier des Jahres" ist Schmuggelware
Der boomende Schwarzmarkt für schöne Schnecken


Aktualisiert am 19.03.2022Lesedauer: 3 Min.
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Zwei kubanische Landschnecken tasten sich vor: Die Art gilt als schönste Schnecke der Welt, ist allerdings akut vom Aussterben bedroht.Vergrößern des Bildes
Zwei kubanische Landschnecken tasten sich vor: Die Art gilt als schönste Schnecke der Welt, ist allerdings akut vom Aussterben bedroht. (Quelle: Bernardo Reyes Tur/Senckenberg/dpa)

Bei Touristen ist die kubanische Landschnecke ebenso beliebt wie bei Sammlern in aller Welt. Doch die hohe Nachfrage nach ihren bunten Gehäusen droht die Art auszulöschen. Schnecken-Safaris soll helfen.

Wer als Partner ausgewählt ist, den trifft ein Liebespfeil aus Kalk. Einmal angepikst, fließen Sexualhormone ins Gewebe des Gegenübers. Was klingt wie der Anfang eines Horrorfilms, ist das gewöhnliche Paarungsverhalten der kubanischen Landschnecke. Doch nicht nur ihr besonderes Fortpflanzungsritual sorgt für Aufmerksamkeit.

Ebenso ungewöhnlich ist ihr buntes Aussehen. Die faszinierenden Farbvariationen mit Strudelmuster könnten allerdings schon bald das Ende der Art bedeuten: Über den Schwarzmarkt gehen Zehntausende Gehäuse von Kuba in die ganze Welt.

Ausgehöhlt für Touristen und Sammler

In ihrem weltweit einzigen Lebensraum, einem schmalen Küstenstreifen in Kubas Osten, ist die heimische Landschnecke akut vom Aussterben bedroht. Schon lange sind ihre Häuschen beliebte Sammelobjekte in Europa und Amerika; in ihrer Heimat werden sie an Touristen verkauft – reihenweise auf Ketten gefädelt, als Anhänger oder Ohrschmuck angeboten.

Dabei gilt in Kuba bereits seit mehr als zehn Jahren ein Sammelverbot. Wer seine Taschen dennoch mit Schnecken füllt, muss eine Strafe von umgerechnet 18 Euro zahlen. Sofern man erwischt wird.

Allein zwischen 2012 und 2016 beschlagnahmte der kubanische Zoll 15 Großlieferungen mit insgesamt mehr als 23.000 Schneckenhäusern. Im Jahr 2017 wurde daraufhin auch der weltweite Handel mit der Spezies durch das Washingtoner Artenschutzabkommen untersagt.

Organisierte Kriminalität im Schneckenhandel

Doch anscheinend verhindert weder das örtliche noch das internationale Verbot den Verkauf der Gehäuse. Im Gegensatz zu vorher laufe der Handel nun unter der Hand, berichtet das Naturmagazin "National Geographic".


Frage man auf Kubas Touristenmärkten nach besonderen Mitbringseln, führten einige Verkäufer die Besucher zu sich nach Hause, wo große Mengen der Schneckengehäuse lagerten.

Zwar gelinge es dem Zoll am Flughafen von Havanna meist, Reisenden die illegalen Andenken wieder abzunehmen, berichtet der kubanische Schneckenexperte und Fotograf González Guillén "National Geographic".

Doch der Versand der Gehäuse in alle Welt gehe weiter: "Der wirklich gravierende illegale Handel läuft über den Schwarzmarkt und ist professionell organisiert", sagt Guillén. Vor allem in den USA, in Spanien und asiatischen Ländern sei die Nachfrage weiter hoch.

Aussterben bis 2050?

Gleichzeitig setzt auch die Ausdehnung von Kaffeeplantagen den kubanischen Landschnecken zu. Ebenso hungrige Ratten und die Klimakrise.

Gerade die steigenden Temperaturen und zunehmende Trockenheit könnten laut einer Studie dazu führen, dass zwei von insgesamt sechs Unterarten der Spezies bereits 2050 nicht mehr existieren.

Schnecken-Safaris als Lösung

Um die langfristigen Überlebenschancen der Tiere zu verbessern, kümmern sich einige Biologen der Universidad de Oriente in Santiago de Cuba inzwischen nur noch um den Schneckenschutz: Sie betreiben Aufklärungskampagnen für Touristen, wenden sich an Bauern, deren Ländereien in den Lebensraum der Schnecken ragen. Und träumen von Schnecken-Safaris.

"Die Leute werden erkennen, dass es lukrativer ist, die lebendigen Schnecken zu schützen, statt sie tot zu verkaufen", hofft Biologin Norvis Hernandez im Gespräch mit "National Geographic". Sie wünscht sich Schneckenbeobachtungstouren für zahlende Touristen.

Damit sich die Aussichten für die kubanische Landschnecke bald verbessern, hatte Hernandez' Chef, Bernardo Reyes Tur, die Art vor einigen Wochen für den Titel "Weichtier des Jahres 2022" nominiert. Denn im Artenschutz gilt: je bekannter, desto besser.

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Dass dann mehr als 10.000 Menschen aus 148 Ländern für Kubas schönste Schnecken abstimmen würden, hätten aber wohl selbst die Forscher aus Santiago nicht erwartet. Freuen dürften sie sich umso mehr, denn der Gewinn schiebt ihre Mission enorm an.

DNA-Schlüssel statt Preisgeld

Als Preisträger steht der Schneckenart ein besonderer Service zu: Zur Belohnung wird das deutsche Loewe-Zentrum für Translationale Biodiversitätsgenomik nun das gesamte Genom der Tiere entschlüsseln. Bisher gibt es nur wenige Weichtierarten, deren Erbgut komplett entziffert ist.

Das Ergebnis dürfte den kubanischen Biologen helfen, die bedrohte Schneckenart auf der Insel noch besser zu verstehen. Nicht nur das Geheimnis um die Färbung der Gehäuse könnte dabei gelüftet werden. Auch den evolutionären Ursprung der "Liebespfeile" wollen die deutschen Genforscher sich vornehmen.

Verwendete Quellen
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