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Ausgewandert in die Schweiz: Deutscher erzählt, warum er nach Zürich zog


Ein Auswanderer erzählt
Deswegen lebe ich als Deutscher in der Schweiz

  • Dorothea Meadows
InterviewVon Dorothea Meadows

Aktualisiert am 11.09.2023Lesedauer: 4 Min.
Interview
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Blick über Zürich: Über 300.000 Deutsche leben mittlerweile in der Schweiz – Interviewpartner Attila Albert hat es nach Zürich verschlagen. (Quelle: IMAGO/Zoonar.com/AlexAnton)

Die meisten deutschen Auswanderer zieht es in die Schweiz. Welche Beweggründe sie haben und was hier anders läuft, erzählt einer, der den Schritt gewagt hat.

Wenn Deutsche ihre Heimat verlassen, dann zieht es sie ans Mittelmeer und in die Sonne – so ist zumindest das Klischee. Die Wahrheit sieht aber anders aus, wie jetzt das Statistische Bundesamt mitteilte. So hatten Anfang 2022 knapp 311.300 deutsche Staatsbürger ihren Hauptwohnsitz in der Schweiz. Außerdem wurden in unserem Nachbarland im Jahr 2021 7.940 Einbürgerungen von Deutschen verzeichnet. Die Schweiz ist für Deutsche damit das Auswanderungsziel Nummer eins.

Aber woher kommt die Sehnsucht, in dem neutralen Vielvölkerstaat zu leben? Sind es finanzielle Gründe? Politische? Oder ist die Lebensqualität so viel besser als zu Hause? t-online sprach mit Auswanderer Attila Albert, der in Zürich eine neue Heimat gefunden hat.

t-online: Herr Albert, wie lange leben Sie schon in der Schweiz und was hat Sie bewogen, dort hinzuziehen?

Attila Albert: : Ich lebe jetzt seit zehn Jahren in Zürich und habe vor Kurzem meine Einbürgerung beantragt. Ich bin 2013 ausgewandert, weil ich ein Berufsangebot bekommen hatte. Diesen ersten Job hatte ich vier Jahre, aber ich bin darüber hinaus geblieben.

Knapp 311.000 Deutsche haben ihren Hauptwohnsitz in der Schweiz. Das Land ist damit Auswanderungsland Nummer eins für Deutsche. Was denken Sie über deren Beweggründe?

Die Statistiken zeigen, dass Auswanderungswellen mit der Wirtschaftslage im Heimatland zusammenhängen. Man kann also davon ausgehen, dass viele Auswanderer in der Schweiz bessere Berufsmöglichkeiten gefunden haben und ein höheres Einkommen erzielen können. Aber am Ende ist es natürlich auch einfach der Mix, der die Schweiz so attraktiv macht: die geografische Nähe zu Deutschland, dass Deutsch gesprochen wird, man keine neue Sprache erlernen muss und dass man im gleichen Kulturkreis bleibt.

Was heißt denn lukratives Einkommen genau?

In Zürich liegt der durchschnittliche monatliche Bruttolohn bei umgerechnet 8.380 Euro, davon gehen im Schnitt etwa 15 Prozent Lohnsteuer ab. Es bleiben also 6.370 Euro netto übrig, von denen aber noch der Krankenkassenbeitrag gezahlt werden muss. Das sind, übrigens einkommensunabhängig, zwischen 250 und 300 Euro im Monat. Die Lebenshaltungskosten in der Schweiz liegen insgesamt höher als in Deutschland, aber in der Summe ist das, was im Monat übrig bleibt, für die meisten eine Verbesserung.

(Quelle: Stacey Ramsey)

Attila Albert (50) ist Karrierecoach und Buchautor („Sorry, ihr nervt mich jetzt alle!“, erschienen bei Redline). Er ist verheiratet, hat ein Pflegekind und lebt in Zürich.

Da ist es ja fast schon verwunderlich, dass nicht noch viel mehr Deutsche den Schritt wagen.

Tatsächlich ist es aber ein großer Schritt, in ein anderes Land zu ziehen. Man verlässt Familie, Verwandte und Freunde, die gewohnte Heimat mit ihren Traditionen und muss ganz neu anfangen. Ich kenne auch viele Deutsche, die wieder zurückgegangen sind.

Woran sind die Rückkehrer gescheitert?

Oft gehen sie wieder, wenn der erste Arbeitsvertrag, der sie in die Schweiz gebracht hat, ausläuft. Dann etwas Neues zu finden, wenn man als Ausländer vor Ort mit den Einheimischen konkurriert, die viel besser vernetzt sind, ist nicht einfach. Oft ist Einwanderern die Schweiz auch nie wirklich vertraut geworden – Landeskenntnis, örtliches Engagement, enge Freunde.

Ist die Integration denn schwer?

Ich persönlich bewundere die Rücksichtnahme und hohe soziale Intelligenz der Schweizer, aber auch ihren Willen zu Unabhängigkeit. Im Vergleich zu Deutschland ist der Ton viel verbindlicher, man hört nicht das ständige Zurechtweisen anderer. Gleichzeitig muss man lernen, genauer zuzuhören, denn vieles wird eben subtiler ausgedrückt, etwa Wünsche oder Kritik am Arbeitsplatz. Mir gefällt auch der stolze Patriotismus, wir haben daheim auch eine große Schweizer Flagge am Balkon.

Wie groß ist der Unterschied von Schweizerdeutsch zum Hochdeutschen und ist er ein Problem?

Jeder Schweizer spricht seinen eigenen lokalen Dialekt, in den man sich erst einmal hineinhören muss. Hochdeutsch wird eben nur schriftlich benutzt und nur im Ausnahmefall gesprochen. Ich verstehe Mundart, spreche selbst aber Hochdeutsch. Da ich in Sachsen geboren wurde, hört man das manchmal ein wenig heraus. Das gefällt den Schweizern wiederum, regionale Kulturen und Dialekte werden sehr geschätzt und gepflegt.

Sie wollen sogar eingebürgert werden. Warum?

Ich bin dankbar für das, was die Schweiz mir ermöglicht hat, und möchte meine Zugehörigkeit ausdrücken. Daneben ist das auch Voraussetzung, damit ich mich an Wahlen und den quartalsweisen Volksabstimmungen beteiligen kann. Die direkte Demokratie gefällt mir sehr gut, also möchte ich mich beteiligen. Ich lebe gerne in der Schweiz und kann hier so leben, wie ich will. Und mein Alltag ist als Bürger wie Unternehmer bedeutend leichter.

Nennen Sie uns ein paar Beispiele.

Viel weniger Bürokratie. Die Behörden unterstützen mich, anstatt mich als Bittsteller zu behandeln. Brauche ich ein Dokument von der Stadt, bestelle ich es online, und oft ist es am nächsten Morgen schon im Briefkasten. Kommt einmal ein Formular, ist es selten mehr als eine Seite und schon weitgehend ausgefüllt. Brauche ich einen Arzttermin, bekomme ich ihn meist noch in der laufenden Woche, und der Arzt nimmt sich 45 Minuten für mich. Generell läuft eben alles sehr überlegt und verantwortungsbewusst.

Herr Albert, wir danken Ihnen für das Gespräch!

Verwendete Quellen
  • Interview mit Attila Albert
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